War es nun der Aasgeier oder der
Pleitegeier? Wie auch immer: Die Polizeioperation "Voltor" (Geier)
gegen Politiker unter Korruptionsverdacht hat zum Aus der
Regierungskoalition auf den Balearen geführt. Am vergangenen
Donnerstag klickten die ersten Handschellen, am Freitag kickte der
sozialistische Ministerpräsident Francesc Antich die drei Minister
seines Juniorpartners, der bürgerlich-regionalistischen Unió
Mallorquina (UM), aus dem Amt.
Seitdem ist auf den Inseln nichts mehr, wie es war. Und wie die
Entwicklung in den kommenden Tagen und Wochen weitergeht, ist
völlig unklar. Minderheitsregierung, Misstrauensvotum, vorgezogene
Neuwahlen oder ein unsicheres Weiter-Agieren bis zum Ende der
Legislaturperiode im April 2011 - alles ist möglich. Die Politik
auf dem Archipel ist zu einem Risikofaktor für die ohnehin
angeschlagene Wirtschaft geworden.
Der Auftakt zur turbulentesten Politwoche seit Jahrzehnten
bildete einmal mehr ein Korruptionsskandal: In einer Unterbehörde
des balearischen Tourismusministeriums waren UM-Politiker in
Verdacht geraten, Parteifreunden illegal Aufträge zugeschanzt und
dadurch öffentliche Mittel veruntreut zu haben.
Die UM wird seit gut einem Jahr von einer ganzen Serie solcher
Korruptionsbeschuldigungen erschüttert. Neu war in diesem Fall,
dass die mutmaßlichen Delikte in der aktuellen Legislaturperiode
begangen wurden und somit nicht aus der Zeit von Ex-Regierungschef
Jaume Matas stammen.
Der Polizei-Showdown war beachtlich: In nur zwei Tagen wurden 18
Personen festgenommen, über 30 Firmen und Betriebe durchsucht,
Ex-Tourismusminister und Ex-UM-Chef Miquel Nadal von Polizeibeamten
abgeführt (siehe S. 8).
Dem Ministerpräsidenten Antich, bislang eher als Zauderer
aufgefallen, platzte der Kragen: Er machte Schluss mit der UM.
Neben den drei geschassten Ministern für Tourismus, Umwelt und
Sport mussten am vergangenen Wochenende rund 100 Mandatsträger der
Minipartei ihre Posten räumen. Der Koalitionsbruch vollzog sich
außer im Kabinett auch im Inselrat Mallorcas und im Stadtrat von
Palma.
Antichs Sozialisten und der nach wie vor mit ihnen verbündete
Linksblock wollen per Minderheitsregierung bis zum Ablauf der
Legislaturperiode an der Macht bleiben. Rasch war mit Joana Barceló
eine neue Tourismusministerin ernannt. Zwei Ministerien wurden
eingespart, um Personalkosten zu senken.
Francesc Antich schließt vorgezogene Neuwahlen aus und will im
Parlament auch die Vertrauensfrage nicht stellen. Folglich liegt es
an der Opposition, ihn gegebenenfalls aus dem Amt zu hebeln.
Möglich ist dies, wenn die konservative Partido Popular (PP) ein
Misstrauensvotum beantragt und zusätzliche Partner - etwa in der
nunmehr ungebundenen UM - findet. Doch bislang ist noch nicht
einmal sicher, wer in den kommenden Wochen PP-Chef sein wird. Der
derzeitige Vorsitzende José Ramón Bauzá muss sich am 6. März auf
einem Parteikongress legitimieren lassen. Aufgrund parteiinterner
Rivalen sind Überraschungen durchaus möglich.
Bis Dienstag hatte Bauzá einem Misstrauensvotum noch eine Absage
erteilt, dann jedoch schloss er es nicht mehr aus, legte sich aber
auf einen konkreten Termin nicht fest.
Dass das Weiterregieren Antichs in der Minderheit schwierig
wird, deutete sich im Parlament bereits am Dienstag an. Da zogen PP
und UM an einem Strang und torpedierten diverse Vorlagen.
Die festgenommenen UM-Mitglieder sind unterdessen wieder auf
freiem Fuß. Vier beschuldigte Großkaliber der Partei vermieden die
Untersuchungshaft durch die Zahlung von jeweils 100.000 Euro
Kaution.
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