Ob für Anrufe bei Telefónica oder Gesa,
im Ayuntamiento oder bei der Versicherung: Ihre Spanischkenntnisse
sind bei den deutschen Nachbarn im Raum Llucmajor sehr gefragt.
"Ich mache das aber auch richtig gern", gesteht Hanne Bleckmann
lachend. "Weil ich viel dabei lerne: 1. die Sprache, 2. die
Dienstwege und Systeme in den verschiedenen Behörden und Firmen,
und 3. kann ich dabei auch noch helfen."
Das Beispiel zeigt einmal mehr: "Integration" steht und fällt
mit den spanischen Sprachkenntnissen. Die Deutsche Britt Müller,
die seit neun Jahren auf Mallorca lebt, spricht die Sprache der
Insulaner inzwischen besser als Castellano und hat festgestellt:
"Das Mallorquín öffnet Türen, Herzen und Möglichkeiten."
Und entwirft eine völlig neue, überraschende Perspektive auf das
Inselidiom, das von den meisten Zugereisten als schier
unüberwindbare Barriere gesehen wird. "Mallorquín ist für Deutsche
leichter zu lernen als beispielsweise für Festlandspanier -
zumindest, was die Aussprache angeht", hat die Energietherapeutin
beobachtet, die seit fünf Monaten auch ehrenamtlich als
Vizepräsidentin beim Balearischen Amt für Ökologische
Landwirtschaft tätig ist. "Die Diphtonge (Laute, die aus zwei
Vokalen bestehen wie "äu", "au", "eu") können Deutsche viel
leichter aussprechen als Spanier." In ihrem Freundeskreis, der fast
ausschließlich aus Mallorquinern besteht, habe sie oft beobachten
können, dass Festlandsspanier die Inselsprache zwar verstehen, aber
vermeiden, sie zu sprechen, erzählt sie amüsiert: "Weil ihre
Aussprache sie als 'Ausländer' enttarnt."
Die deutschen Residenten enttarnen sich noch durch ganz andere
Verhaltensweisen: Ungeduld etwa, und weit schlimmer: als Folge
davon womöglich noch laut werden. Wenn sich auf der Post von
Llucmajor ein Deutscher lauthals über den "langsamen Betrieb"
beschwert - "Auf Deutsch wohlgemerkt!" -, dann ist es auch mit
Hanne Bleckmanns Hilfsbereitschaft vorbei: "Das ist mir einfach
peinlich." Obwohl, psychologisch glaubt sie dahinter schlichte
Hilflosigkeit wahrzunehmen: "Die Leute fühlen sich aufgrund ihrer
mangelnden Sprachkenntnisse unsicher, und dieses Unbehagen wird
dann hinter einem teils großspurigen Auftreten versteckt."
Ein Weg allerdings, der nur tiefer in die Sackgasse führt, hat
Peter Schadwinkel aus Port d'Andratx festgestellt. Seit nunmehr 49
Jahren lebt der 73-Jährige auf Mallorca - "1960 hatte der Ort 1000
Einwohner, heute sind es im Sommer 40.000" -, und eines hat er nie
verlernt: "Wir sind Gäste hier - und als solche sollten wir uns
auch benehmen." Damals waren "alle Berge hier noch grün und alle
Haustüren unverschlossen", und aus dieser Zeit stammt auch seine
langjährige Freundschaft zu einer mallorquinischen Familie: "Bei
jeder Feier sitze ich mit am Tisch." Als gebürtiger Insulaner - er
stammt aus Langeoog -, weiß er nur zu gut, dass "Inselbewohner ein
eigenes Völkchen" sind, dessen Traditionen man sich am besten mit
feinem Gespür nähert. Über die scheinbar unausrottbare
"Besserwisserei" einiger Landsleute, die immer noch einen
"schnelleren und praktischeren Weg" bei der Lösung von
Alltagsproblemen kennen, hat er nach langer Mallorca-Erfahrung nur
noch ein nachsichtiges Lächeln übrig: "Ja, in Deutschland ist das
so. Aber hier nicht."
"Hier" fällt man auch nicht mit der Tür ins Haus, hat Britt
Müller sehr früh gelernt. Ohne das unvermeidliche "¿Qué tal?" - zur
Eröffnung einer Konversation - läuft gar nichts, und eigentlich
bedeute das "Wie läuft's?" in der Tiefe auch: "Was willst du?" Was
zählt, seien die Zwischentöne, und die lerne man nur mit den Jahren
- und einem echten Interesse an den Einheimischen.
Dabei fällt Britt Müller gleich noch eine Anekdote ein: Den
mallorquinischen Satz "Ja te diré coses" - "Ich sag' dir dann
Bescheid" - habe sie erst wörtlich genommen, wenn es darum ging,
eine Zu- oder Absage zu einem Geschäft oder einer Verabredung zu
machen: "Habe ich mich dann tags drauf gemeldet, hieß es: Aber du
hast doch gesagt ..." Und die Moral von der Geschicht': "Ich sag'
dir dann Bescheid" heißt für den höflichen Mallorquiner: "Nein,
danke."
Kann man wissen, muss man nicht. Wie auch die mallorquinische
Aussprache von "perejil" (Spanisch für Petersilie): "Julivert". Den
Zungenbrecher muss Endrik Ostendorp aus Puigpunyent zur Erheiterung
der ganzen Familie bei fast jeder Feier aufsagen, seit er mit
seiner mallorquinischen Freundin Margarita zusammen ist. Ansonsten,
sagt der deutsche Raumausstatter-Meister, der seit sechs Jahren auf
Mallorca lebt, verstehen sich alle prima, trotz einiger
Sprachbarrieren. Selbst seine Mutter Ingeborg, 76, die dieses Jahr
zu Weihnachten extra anreist, versteht sich prima mit der
Schwiegertochter in spe - obwohl sie kein Wort Spanisch kann. "Mit
Händen und Füßen eben", lacht Endrik Ostendorp und hat noch eine
Erklärung für die problemlose Kommunikation: "Meine Mutter ist
Ostfriesin, und auf der Insel Juist gehen die Uhren auch
langsamer."
Schwieriger kann es mit der Verständigung werden, wenn sich das
multikulturelle Zusammenleben sich vom Privatleben aufs Berufsfeld
verschiebt. Glaubt zumindest der mallorquinische
Immigrationsexperte und Professor für Humangeografie an der
Universität von Palma, Pere Salvà. In den kommenden sieben oder
acht Jahren sieht der Wissenschaftler einen Bedarf von rund 700.000
Arbeitsplätzen auf Mallorca: "Dem gegenüber stehen aber nur etwa
500.000 offene Stellen." Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt
könnte, so Salvà, den Keim für eine wachsende
Ausländerfeindlichkeit auf der Insel legen. Um auf dem immer härter
umkämpften Tourismus-Markt mithalten zu können, müsse Mallorca auf
hochqualifizierte Fachkräfte setzen: "Qualitätstourismus auf der
Insel wird es nur mit einer entsprechenden Ausbildung geben."
Ob sich da deutsche, mallorquinische oder spanische Bewerber
zusehends als harte Konkurrenz wahrnehmen, bleibt abzuwarten, meint
der deutsche Arzt Dieter Uckermann, der bereits seit 20 Jahren auf
der Insel lebt. Dennoch hat er festgestellt, dass die
Integra-tionsbedingungen für deutsche Residenten nicht einfacher
geworden sind. Im Gegenteil: "Der zunehmende Zwang zum Mallorquín
führt mehr und mehr zu einer sprachlichen Ausgrenzung." Rund 85
Prozent seiner Patienten seien Deutsche, viele darunter schon
jenseits der 50. Und ab diesem Alter, so Dieter Uckermann, werde
das Erlernen einer Fremdsprache eben deutlich schwieriger. "Das hat
nichts mit gutem Willen zu tun. Viele meiner Patienten haben gleich
mehrere Kurse besucht, aber wenn die tägliche Sprachpraxis fehlt,
macht auch das nicht viel Sinn."
Diese Residenten durch die "Zwangsmallorquinisierung" weiter
sprachlich auszugrenzen, findet der Mediziner bedenklich - auch
wenn er die historischen Wurzeln dieser Bewegung, die massive
Unterdrückung jeglicher regionaler Sprache und Kultur während der
Franco-Diktatur, klar erkennen könne. Trotzdem: "Das darf kein
Grund sein, in einer zusammenwachsenden Welt über die Sprache einen
zunehmenden Separatismus zu betreiben."
Daher wundere es ihn auch wenig, dass von den über 70-Jährigen
"höchstens fünf Prozent", wie er schätzt, auf Mallorca bleiben
wollen: "Mit dem Alter rücken auch Krankheit und
Pflegebedürftigkeit näher. Dann fällt die mangelnde
Kommunikationsfähigkeit noch stärker ins Gewicht." Andererseits hat
er beobachtet, dass das Sprachproblem eher ein Zwist unter den
Intellektuellen als "der kleinen Leute sei": "Leben sie etwa als
Bauern auf dem Land, funktioniert die Nachbarschaftshilfe
prima."
Apropos: Nachbarschaftshilfe. Für eine wichtige integrative
Maßnahme hält Hanne Bleckmann auch das Einkaufen im eigenen Dorf,
um die Läden zu unterstützen: "Selbst wenn es in den kleinen
Geschäften manchmal etwas teurer ist." Solche Gesten kommen an bei
den Insulanern. Und Spanisch lernt man auch noch dabei.
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