MM: Was halten Sie denn ganz generell von Märchen?
Kirchberger: Ich liebe Märchen, deswegen liebe ich auch die
Weihnachtszeit. Um Weihnachten herum schaue ich viel fern, weil so
viele Märchen gesendet werden. Und ich mag besonders
Märchen-Verfilmungen mit echten Menschen. Mir gefallen zwar auch
animierte Filme, aber durch Menschen bekommt das Märchen plötzlich
eine Körpertemperatur. Das Schöne an Märchen ist: Es gibt
garantiert ein Happy End.
MM: Eine Eigenschaft der bösen Stiefmutter in
"Schneewittchen" ist ihre Eitelkeit. Wie eitel ist Sonja
Kirchberger?
Kirchberger: Wenn ein Schauspieler von sich sagt, dass er gar nicht
eitel ist, dann glaube ich ihm kein Wort. Bei uns liegt eine
gewisse Eitelkeit in der Natur der Sache. Unser Äußeres wird
ständig bewertet. Man darf aber nicht dem Irrtum verfallen, dass
man heute so aussehen muss wie vor 20 Jahren. Diese Eitelkeit habe
ich nicht. Aber dass ich in meiner Liga gerne eine gepflegte und
attraktive Frau bin, diese Eitelkeit habe ich schon.
MM: Sie sagten, dass Ihre Mutter Ihnen früher vorgelesen hat.
Ihr Sohn ist jetzt elf. Haben Sie ihm auch vorgelesen?
Kirchberger: Ich lese meinem Sohn auch heute noch vor. Wir lesen
uns gegenseitig vor. Das hat bei uns Tradition. Zu Weihnachten
werden wir uns lustige Weihnachtsmärchen vorlesen.
MM: Seit nunmehr zehn Jahren ist Palma Ihr Lebensmittelpunkt,
Sie wohnen direkt in der Stadt. Wie sieht denn eigentlich Ihr
Alltag aus, wenn Sie nicht irgendwo vor der Kamera stehen?
Kirchberger: Alltag empfinde ich als Luxus. Ich bin in diesem Jahr
so viel unterwegs gewesen, habe so viel gedreht. Wenn ich dann zu
Hause im eigenen Bett aufwache, den eigenen Eisschrank aufmache,
mir selbst das Frühstück zubereite, zum Markt gehe oder überlege,
was ich meiner Familie zum Essen koche - das ist für mich Luxus.
Ich sitze so oft in Hotels und kenne wohl alle Club-Sandwiches in
Deutschland ...
MM: Ihr Lebensgefährte Jochen Nickel ist auch Schauspieler,
Ihr Sohn Lee-Oscar erst elf. Versuchen Sie und Jochen, dass immer
einer gerade nicht arbeiten muss?
Kirchberger: Das ist das hohe Ziel. Einer soll immer da sein, am
besten beide. Wir versuchen, die Drehtage so einzuteilen, dass
immer einer von uns in Palma ist.
MM: Manche Wahl-Mallorquiner werden der Insel eines Tages
überdrüssig und verlassen sie wieder. Gibt es bei Ihnen auch schon
solche Überlegungen?
Kirchberger: Nein, überhaupt nicht. Ich möchte nie mehr weg von
dieser Insel. Ich liebe Mallorca nicht wie am ersten Tag, sondern
jeden Tag mehr. Aber ich schaue mich nach einem Zweitwohnsitz um.
Der soll in den Bergen sein. In meiner Heimat Österreich oder in
Deutschland in der Nähe von München. Ich liebe die Berge.
MM: Wie kommt es eigentlich, dass man Sie praktisch nie bei
irgendwelchen deutschen Society-Events auf der Insel sieht?
Kirchberger: Wir genügen uns. Wir sind so gerne in unserem Nest in
der Stadt und verlassen das nicht gerne. Wir haben ein sehr warmes
Familienleben und Freunde, die uns besuchen. Jochen und mir kann
man mit der Einladung in ein Restaurant keine Freude bereiten. Ich
freue mich, wenn ich mir selbst etwas Einfaches kochen kann.
Restaurants habe ich ständig in Deutschland. Uns sieht man auf
Mallorca am Wasser, beim Wandern, auf endlosen Spaziergängen.
MM: Nochmal zurück zur Arbeit. Was darf man denn demnächst an
neuen Filmen von Ihnen erwarten?
Kirchberger: Wir haben zum Beispiel eine Satire auf den "Paten"
gemacht. Christian Tramitz als Pate, ich als seine Tochter Conny
Corleone. Der Film heißt "Der Psycho Pate" und kommt wohl im
nächsten Herbst. Auf diesen Film freue ich mich schon sehr. Denn
wie auch "Schneewittchen" ist er fantastisch geworden.
MM: Und wie geht's jetzt beruflich weiter?
Kirchberger: Ich weiß, dass ich im März einen wahnsinnig schönen
Krimi drehe. Ich bin ja in Krimis sowohl als Opfer wie auch als
Täter zu sehen. Wenn ich auftrete, dann werde ich oft verdächtigt,
obwohl ich eigentlich das Opfer bin ...
MM: Sie waren aber auch schon als Kommissarin zu sehen. Wäre
die Rolle einer Kommissarin im "Tatort" etwas für Sie?
Kirchberger: Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken
gemacht. Ich bin ja immer fixiert auf die Episodenhauptrollen, das
sind die schönsten Rollen in "Tatorten" oder "Polizeirufen". Aber
ich habe sehr viel Respekt vor den Kommissaren. Man muss seine
Figur immer wieder interessant gestalten, ohne dass man den
Charakter verlässt. Bei der Frage nach Reihen oder Serien kommt bei
mir allerdings auch immer dazu, dass ich mich zeitlich unheimlich
verpflichten würde. Aber ich lebe hier auf Mallorca und habe einen
elfjährigen Sohn. Ich müsste sehr viel umorganisieren und erstmal
mit der Familie klären, ob die auch dafür ist.
MM: Früher waren Sie im Film der Vamp, viele verbanden vor
allem Erotik mit ihrem Auftritt. Vor ein paar Wochen haben Sie
Ihren 45. Geburtstag begangen. Anders als bei anderen
Schauspielerinnen hat die Karriere mit dem etwas reiferen Alter
keinen Knick bekommen, Sie spielen heute auch Mütter und andere
Rollen.
Kirchberger: Schauspielern darf man fast obszön beim Altern
zusehen. Wir verleihen ja praktisch unser Gesicht. Und
Schauspieler, die sich nicht entwickeln, werden langweilig. Sich
entwickeln, das ist die schönste Reise in diesem Leben. Ich freue
mich auf jedes Jahr, das ich älter werde. Ich freue mich, dass ich
facettenmäßig jedes Jahr mehr spielen darf. Früher war ich
festgelegt. Heute ist das nicht mehr so. Ich habe mich sozusagen
freigespielt.
MM: Das eine oder andere Mal haben Sie auch schon Filme auf
Mallorca gedreht. Hätten Sie dazu nicht mal wieder Lust?
Kirchberger: Jederzeit! Vielleicht wird auch im kommenden Jahr ein
Projekt auf der Insel umgesetzt. Das Drehbuch ist fantastisch, die
bisher geplante Besetzung auch. Aber ob das wirklich klappt, ist
leider noch unklar.
MM: Abgesehen von den bereits erwähnten Märchen im Fernsehen
- was gefällt Ihnen an Weihnachten?
Kirchberger: Dass kollektiv nicht gearbeitet wird. Diese Ruhe spürt
man. Und dass sich die Menschen doch ein bisschen mehr besinnen als
sonst.
MM: Und wie feiert die Familie Kirchberger-Nickel?
Kirchberger: Der ideale 24. Dezember ist ein sehr, sehr sonniger
Tag. Wir sitzen mittags irgendwo in der Sonne bei Kaffee und Kuchen
oder bei Pasta. Dann gehen wir gemütlich nach Hause, ich bereite
alles in der Küche vor, Jochen die anderen wichtigen Dinge. Wir
bekommen viel Besuch.
MM: Gibt es einen Weihnachtsbaum?
Kirchberger: Ja, und der wird wie bei uns in Österreich üblich erst
am 24. geschmückt. Er soll eine Überraschung für das Kind sein, das
ihn erst bei der Bescherung sieht.
MM: Und der erste Weihnachtstag?
Kirchberger: Der 25. Dezember ist der schlampigste Tag des Jahres.
Da wird nur gegessen, herumgelungert, jeder macht, was er will. Und
wenn er den ganzen Tag pennt, dann ist das auch in Ordnung.
Mit Sonja Kirchberger sprach Nils Müller
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