Stierkampf: Hier scheiden sich meist die Geister.

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Mallorca – Auf diesen Tag warten die Mureros das ganze Jahr: Endlich ist mal wieder was los im Dorf. Spannung liegt schon mittags in der Luft, dabei beginnt der Stierkampf – wie immer am Sonntag vor den Feierlichkeiten zu Ehren des Schutzheiligen San Joan Baptiste am 24. Juni – erst um 19 Uhr, wenn es kühler ist. Jeder Torero, so heißt es, wünscht sich, einmal im Leben im „Monumental” aufzutreten. Und so werden auch heute die bekanntesten Stierkämpfer Spaniens erwartet: Juan Serrano „Finito de Córdoba”, Manuel Díaz „El Cordobés” und Francisco Rivera Ordóñez.

Während Juan den „klassischen” Stil vertrete, sei „Fran” ein eher emotionaler „Torero de corazón”, erzählt Maria Pomar, eine ältere Dame ganz in Rot gekleidet, die sich schon zu dieser frühen Stunde eingefunden hat und die Plakate genau studiert. Schon als kleines Mädchen sei sie regelmäßig mit ihren Eltern, die hier Getränke verkauft haben, in die Arena gekommen. Aber heute ist sie nicht sicher, ob sie wirklich zuschauen will: Einer der Toreros, sagt sie mit verschwörerischer Miene, habe „malas vibraciones”.

Keine guten Energien dürften auch die sechs Stiere – fünf schwarz, einer braun – verspüren: Gerade wird die Reihenfolge ihres „Auftritts” ausgelost. Zwei Männer verteilen derweil gemächlich mit großen Schiebern Wasser auf dem Sand der Arena. „Damit es später nicht so staubt”, erklärt „Corrida”-Präsident Rafael Gelabert, zur Feier des Tages im rosa Hemd gewandet.

Für Wirbel sorgt fünf Stunden später eine Gruppe von rund 40 Tierschützern, die gegenüber dem Eingang lautstark gegen die „tortura” (Tierquälerei) protestiert. Mit Trillerpfeifen, Sirenen und Sprechchören – „Ni arte, ni cultura – abolición!” – heizen sie den Besuchern, die eng an eng auf Einlass drängen, ein: „Keine Kunst, keine Kultur – abschaffen!” Sechs schwarze Särge, für jeden Stier einen, haben sie aufgestellt und mit „Banderillas”, den typischen Stechlanzen, geschmückt. Primäres Anliegen heute, sagt Ana Aranda, Vorsitzende der Tierschutzorganisation „Baldea”, die neben „Animal natural” und „Pacma”, der Antistier-Partei, vertreten ist, sei der Schutz von Kindern bis 16 Jahren: „Obwohl ihnen der Zugang gesetzlich verboten ist, nehmen Eltern sie mit zum Stierkampf.” Immer wieder beschwört sie der Sprechchor „Vergüenza, no educación: Das ist keine Bildung – das ist eine einzige Schande.”

Die Lokalpolizei hat sich zwischen die beiden Parteien postiert, besser so, berichtet Ana später. Von einigen wütenden Eltern, denen man, trotz teurer Tickets, den Einlass mit ihren Kindern verwehrte, seien sie fast tätlich angegriffen worden. Auch Antonia (31), mit Söhnchen Juan (3) auf dem Arm, ärgert sich über die Tierschützer auf der anderen Straßenseite: „Die haben doch selbst Minderjährige dabei.”

Für die Mureros ist die „Corrida” eine einzige Fiesta – „und die einzige im Jahr”, sagt Angel, der von Palma angereist ist. Überhaupt: Die Mehrheit der Besucher hier, etwa 80 Prozent, sind Spanier und Mallorquiner und nicht „Touristen, die in Bussen hergebracht werden”, wie Ana vorher vermutet hat.

Trotzdem: Laut Umfragen sollen 70 Prozent der Spanier gegen den Stierkampf sein – Tendenz steigend. Barcelona hat sich bereits 2004 zur „stierkampffreien Stadt” erklärt – was nicht verhindert, dass dort immer noch regelmäßig „Corridas” stattfinden. Die Links- und Umweltparteien in Palma wollten es dennoch der katalanischen Metropole gleichtun. In der jüngsten Sitzung des Stadtparlaments wurde die Petition aber abgeschmettert.

Auch wenn die Anti-stier-Partie „Pacma” bei den EU-Wahlen Anfang Juni (0'28 Prozent) erneut zulegte und damit drittstärkste außerparlamentarische Kraft in Spanien ist: In diesem Sommer wird es in Palma, Inca und Felanitx, so Ana Aranda, noch weitere „vier bis sechs Stierkämpfe” geben. Den Tod auch dieser Tiere werden sie und ihre Mitstreiter, wie in Muro, nicht verhindern können, aber: „Wir kämpfen weiter.”

Während ihr eindringliches Sirenengeheul in die Arena dringt, kämpft hier der erste von sechs Stieren um die letzten qualvollen Minuten seines Lebens: Schwer atmend, blutüberströmt und mit gesenktem Kopf steht er seinem Peiniger in goldglitzender Torero-Tracht gegenüber. Der muss sich mit dem Todesstoß beeilen – das schwankende Tier bricht unter der Schwere seiner Verletzungen fast zusammen. Unter dem Applaus der johlenden Zuschauer nimmt es den Schwertstoß entgegen, der sein Herz, seine Lunge und Leber zerreißt. Ein Blutschwall quillt aus seinem Maul, als es, nach zwanzig Minuten Todesqualen, erst auf seine Vorderbeine, dann seitwärts in den Sand fällt.

Als ihm ein Helfer des Toreros – als Zeichen des „Triumphs” – ein Ohr abschneidet, zucken die Beine des Tieres: Es ist noch nicht tot. c