Während Juan den „klassischen” Stil vertrete, sei „Fran” ein
eher emotionaler „Torero de corazón”, erzählt Maria Pomar, eine
ältere Dame ganz in Rot gekleidet, die sich schon zu dieser frühen
Stunde eingefunden hat und die Plakate genau studiert. Schon als
kleines Mädchen sei sie regelmäßig mit ihren Eltern, die hier
Getränke verkauft haben, in die Arena gekommen. Aber heute ist sie
nicht sicher, ob sie wirklich zuschauen will: Einer der Toreros,
sagt sie mit verschwörerischer Miene, habe „malas vibraciones”.
Keine guten Energien dürften auch die sechs Stiere – fünf
schwarz, einer braun – verspüren: Gerade wird die Reihenfolge ihres
„Auftritts” ausgelost. Zwei Männer verteilen derweil gemächlich mit
großen Schiebern Wasser auf dem Sand der Arena. „Damit es später
nicht so staubt”, erklärt „Corrida”-Präsident Rafael Gelabert, zur
Feier des Tages im rosa Hemd gewandet.
Für Wirbel sorgt fünf Stunden später eine Gruppe von rund 40
Tierschützern, die gegenüber dem Eingang lautstark gegen die
„tortura” (Tierquälerei) protestiert. Mit Trillerpfeifen, Sirenen
und Sprechchören – „Ni arte, ni cultura – abolición!” – heizen sie
den Besuchern, die eng an eng auf Einlass drängen, ein: „Keine
Kunst, keine Kultur – abschaffen!” Sechs schwarze Särge, für jeden
Stier einen, haben sie aufgestellt und mit „Banderillas”, den
typischen Stechlanzen, geschmückt. Primäres Anliegen heute, sagt
Ana Aranda, Vorsitzende der Tierschutzorganisation „Baldea”, die
neben „Animal natural” und „Pacma”, der Antistier-Partei, vertreten
ist, sei der Schutz von Kindern bis 16 Jahren: „Obwohl ihnen der
Zugang gesetzlich verboten ist, nehmen Eltern sie mit zum
Stierkampf.” Immer wieder beschwört sie der Sprechchor „Vergüenza,
no educación: Das ist keine Bildung – das ist eine einzige
Schande.”
Die Lokalpolizei hat sich zwischen die beiden Parteien postiert,
besser so, berichtet Ana später. Von einigen wütenden Eltern, denen
man, trotz teurer Tickets, den Einlass mit ihren Kindern verwehrte,
seien sie fast tätlich angegriffen worden. Auch Antonia (31), mit
Söhnchen Juan (3) auf dem Arm, ärgert sich über die Tierschützer
auf der anderen Straßenseite: „Die haben doch selbst Minderjährige
dabei.”
Für die Mureros ist die „Corrida” eine einzige Fiesta – „und die
einzige im Jahr”, sagt Angel, der von Palma angereist ist.
Überhaupt: Die Mehrheit der Besucher hier, etwa 80 Prozent, sind
Spanier und Mallorquiner und nicht „Touristen, die in Bussen
hergebracht werden”, wie Ana vorher vermutet hat.
Trotzdem: Laut Umfragen sollen 70 Prozent der Spanier gegen den
Stierkampf sein – Tendenz steigend. Barcelona hat sich bereits 2004
zur „stierkampffreien Stadt” erklärt – was nicht verhindert, dass
dort immer noch regelmäßig „Corridas” stattfinden. Die Links- und
Umweltparteien in Palma wollten es dennoch der katalanischen
Metropole gleichtun. In der jüngsten Sitzung des Stadtparlaments
wurde die Petition aber abgeschmettert.
Auch wenn die Anti-stier-Partie „Pacma” bei den EU-Wahlen Anfang
Juni (0'28 Prozent) erneut zulegte und damit drittstärkste
außerparlamentarische Kraft in Spanien ist: In diesem Sommer wird
es in Palma, Inca und Felanitx, so Ana Aranda, noch weitere „vier
bis sechs Stierkämpfe” geben. Den Tod auch dieser Tiere werden sie
und ihre Mitstreiter, wie in Muro, nicht verhindern können, aber:
„Wir kämpfen weiter.”
Während ihr eindringliches Sirenengeheul in die Arena dringt,
kämpft hier der erste von sechs Stieren um die letzten qualvollen
Minuten seines Lebens: Schwer atmend, blutüberströmt und mit
gesenktem Kopf steht er seinem Peiniger in goldglitzender
Torero-Tracht gegenüber. Der muss sich mit dem Todesstoß beeilen –
das schwankende Tier bricht unter der Schwere seiner Verletzungen
fast zusammen. Unter dem Applaus der johlenden Zuschauer nimmt es
den Schwertstoß entgegen, der sein Herz, seine Lunge und Leber
zerreißt. Ein Blutschwall quillt aus seinem Maul, als es, nach
zwanzig Minuten Todesqualen, erst auf seine Vorderbeine, dann
seitwärts in den Sand fällt.
Als ihm ein Helfer des Toreros – als Zeichen des „Triumphs” –
ein Ohr abschneidet, zucken die Beine des Tieres: Es ist noch nicht
tot. c
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