Pilar Orell mag die Deutschen. Und: "Ich liebe
Köln." Nicht nur Ehemann Michael ist deutsch, Schwager und
Schwägerin sind es auch. Aber als sie ihren damals
Noch-Nicht-Ehemann 1996 für vier Monate in Leverkusen besuchte,
wurde ihr klar, dass der Alltag in Deutschland doch "anders" ist.
"Vier Monate lang ging ich in denselben Supermarkt, und niemand hat
mich je gegrüßt - außer einem Italiener, der dort Zeitungen und
Zigaretten verkaufte", erinnert sich Pilar. "Auch in unserem
Treppenhaus hat keiner ,Guten Morgen' gesagt in der ganzen Zeit. In
so einem Land könnte ich nicht leben."
Dabei findet sie Deutschland "superschön": "Die meisten
Mallorquiner wissen gar nicht, was für ein tolles Land das ist."
Alte Städte wie Köln oder Heidelberg liebt sie besonders, und die
Menschen in Köln, "die sind so offen und herzlich". Berge und
Flüsse mag sie, vor allem der Schwarzwald hat es ihr angetan.
Deshalb wundere es sie auch nicht, dass Deutsche eigentlich nur aus
einem einzigen Grund nach Mallorca ziehen: "Wegen des Wetters."
So hat sie das als Tochter eines Hotelbetreibers in Cala d'Or
von Kindesbeinen an jedenfalls immer wieder gehört. Seit 1986 ist
das "Ses Puntetes" in Familienbesitz, seit 2002 leitet Pilar (37)
das Haus gemeinsam mit ihrer Schwester Ana (42) - die ebenfalls mit
einem Deutschen verheiratet ist. Somit war schon die ganze Familie
mehrmals in Deutschland, kennt Land und Leute aus nächster Nähe.
Pilars persönlicher Eindruck: "Die Deutschen lieben Feinheiten und
Details, sie sind eher Kopfmenschen."
Gerade das gefällt Gloria Bosch, die Deutsch an der Balearen-Uni
(UIB) in Palma lehrt, besonders gut an den Alemanes: "Diese Liebe,
die Sachen zu durchdringen." Die Spanier seien ja "vielleicht
lustiger", räumt die aus Castellón vom Festland stammende Dozentin
ein, die schon seit Jahren auf Mallorca lebt, aber: "Dafür ist der
Gedankenaustausch nicht so sehr Teil unserer Kultur." Klingt auf
jeden Fall differenzierter als "Quadratkopf". Solche Klischees,
findet auch der spanische Botschafter in Berlin, Rafael Dezcallar,
der aus Mallorca stammt, seien "unvollständige Sichtweisen", die
bei manchen Spaniern aber durchaus noch auszumachen seien. Sein
Rat: Sie "sollten mehr nach Deutschland reisen, um solche
Stereotypen zu überwinden".
Hört man sich unter Mallorquinern um, die, anders als Pilar
Orell, keine persönlichen - privaten oder beruflichen - Bindungen
zu Deutschen haben, ist das Wissen über die größte ausländische
Gruppe auf der Insel tatsächlich oft sehr gering. Besonders auf dem
Dorf, hat auch der deutsche Konsul in Palma, Wolfgang Wiesner,
festgestellt: "Jenseits der Pyrenäen ist da vielfach noch ,terra
incognita'". Völlig anders sei das wiederum bei Mallorquinern, die
im Tourismussektor auf höherer Ebene arbeiten: Da sei das Wissen,
so Konsul Wiesner, oft sogar "erstaunlich gut": "Diese Menschen
kennen sich vielfach auch bei den regionalen Feinheiten in den
einzelnen Bundesländern aus - besser als ich über manche autonome
Regionen auf dem spanischen Festland Bescheid weiß." Immerhin waren
die Deutschen ja auch die "Pioniere des Massentourismus", wie das
der mallorquinische Journalist Pere Bonnín nennt, der lange Jahre
in Deutschland lebte: "Die Deutschen haben unsere 'Weltanschauung',
unsere Sicht der Welt, verändert."
Wie wichtig persönliche Erfahrungen sind, kann auch Asunción
Cantero, Lehrerin am "Colegio San Cayetano" in Palma, gar nicht oft
genug betonen. Seit nunmehr zwölf Jahren gibt es an ihrer Schule
einen regelmäßigen Schüleraustausch mit dem Kaiser
-Wilhelm-Gymnasium in Hannover. Als Organisatorin habe sie immer
wieder feststellen können, wie vorgefasste Meinungen bei den
Schülern nach einem zweimonatigen Aufenthalt komplett revidiert
worden seien: "Statt 'un poco frio' erlebten sie dort eine
Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die sie überrascht und
begeistert hat. Wenn jemand eine Einladung ausspricht, ist man auch
wirklich willkommen - eine solche Gradlinigkeit kommt an."
Wer zwei Monate zu Gast ist, bekommt wiederum ein anderes
Deutschland-Bild als Mallorquiner, die schon viele Jahre dort
leben. Letztere haben einerseits eine große Annäherung der Kulturen
erfahren, landestypische Unterschiede im Alltag nehmen sie dennoch
deutlich wahr. Wobei sich die Frage stellt, wer sich da im Grunde
eigentlich näher ist. Das deutsche "Naturell" entspricht dem
introvertierten Mallorquiner oftmals mehr als sein heißblütiger
Landsmann aus Andalusien.
Von seinem kalten, weißen Eindruck zeigt sich ein Mallorquiner,
der im Dezember 2008 zum ersten Mal nach Deutschland, genauer: in
den Schwarzwald reiste, jedenfalls schwer begeistert: "Einen halben
Meter Schnee!" Den kannte Josep Bonnin (54), Installateurmeister
aus Palma, zuvor "nur spärlich von der Tramuntana". Aber auch das
ist nun Schnee von gestern.
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