Auch wenn sie heute vor allem darunter leidet,
dass sie seit über zwei Monaten ihr eigenes Geschäft in Cala Rajada
nicht betreten kann: Am Morgen, als das Unglück geschah, sagt Petra
Sperling, habe sie geweint: „Wir haben die Arbeiter ja jeden Tag
auf der Baustelle gesehen, fast rund um die Uhr waren sie dort.”
Ihre Saft- und Salatbar „Fresco” liegt direkt auf der anderen
Straßenseite des Hotels Son Moll. Am 16. Dezember 2008 war sie –
„Gott sei Dank!”– nicht in ihrem Laden. An diesem Dienstagmorgen
gegen 8.45 Uhr stürzte der Anbau des Hotelgebäudes zusammen und
begrub vier der rund 90 Bauarbeiter unter sich: Sie hatten keine
Überlebenschance.
Wenn als Unglücksursache auch der heftige Regen in diesen Tagen
gesehen wird, der die Bausubstanz aufgeweicht haben soll:
Entscheidend ist, dass die Anbauarbeiten ohne behördliche
Genehmigung stattfanden – sagt der Bürgermeister von Capdepera.
Gleich drei Mitteilungen sollen dem Hotelinhaber zugeschickt worden
sein, um die Arbeiten zu stoppen. Der Inhaber indes behauptet, er
habe eine mündliche Zustimmung des Bürgermeisters gehabt. Seitdem
wird ermittelt: Architekt, Bauleiter und Vorarbeiter wurden am Tag
nach dem Unglück wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung
festgenommen. Der Tatort „Baustelle” ist seither so weiträumig
abgesperrt, dass anliegende Touristikbetreiber ihre eigenen
Geschäfte nicht mehr betreten können und, wie Petra Sperling, um
ihr wirtschaftliches Überleben bangen. „Und ein Ende dieses
Zustands ist nicht in Sicht.”
Bei allem Verständnis – „Gerichtliche Untersuchen müssen sein” –
sehen Petra Sperling und ihr Lebensgefährte Mattias Rost, mit dem
sie ihr Geschäft im Mai 2008 neu eröffnet hat, nicht mehr ein, noch
länger die Leidtragenden zu sein: „Andere bauen Mist. Und nun steht
man da.” Den Schlüssel zu ihrem Geschäft hat sie zwar inzwischen
wieder – „Die Polizei hatte uns den am Unglückstag abgenommen, weil
man erst ein Not-Lazarett dort einrichten wollte” –, aber er nützt
ihr nichts: „Der ganze Komplex ist zwecks Beweissicherung eine
einzige Sperrzone.” Wegen der näherrückenden Saison haben Hoteliers
und Anwohner die Behörden nun vereint und offiziell aufgefordert,
die Absperrungen schnellstmöglich aufzuheben und die Ermittlungen
zu beschleunigen (MM 7/2009), aber die Antwort des Gerichts machte
wenig Hoffnung: Die Absperrungen bleiben erhalten, „solange es die
polizeilichen Untersuchungen erfordern”. Und das kann dauern, sagt
Petra Sperling fassungslos: „Es ist unglaublich, dass man um die
eigene Existenz bangen muss, ohne im Geringsten schuld daran zu
sein und nicht einmal eine verbindliche Auskunft bekommt.”
Einen Anwalt habe sie nun eingeschaltet, „den wir auch noch
vorfinanzieren müssen”. Dabei seien die Ersparnisse, von denen sie
und ihr Lebensgefährte seit über zwei Monaten leben, langsam
erschöpft: „Wir hatten alles ein Jahr sorgfältig vorbereitet, und
der Laden lief auch prima.” Spätestens im April habe sie ihr
Geschäft wieder öffnen wollen: „Hoffen ja, aber glauben können wir
daran nicht.” Unter hotel.de findet man das Hotel Son Moll als
Vier-Sterne-Haus (das es durch den Umbau werden sollte)
angepriesen: „Geöffnet ab 15.05.2009.” Der Countdown läuft.
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