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In schneller Abfolge macht die Spanierin mit ihrer nach unten geknickten Handfläche eine schaufelnde Bewegung zum Körper hin, als würde sie etwas wegscheuchen. „Ven, ven!“ ruft sie, „Komm her, komm her!“ Wer die spanische Vokabel nicht kennt, tut sich schwer, ihre Gestik zu begreifen: Im Deutschen wird ein Heranwinken mit einer genau entgegengesetzten, holenden Bewegung untermalt. Es gibt nunmal eine Sprache, die sich nicht im Wörterbuch nachschlagen lässt: Die Körpersprache. Wie gestikulieren Spanier im Vergleich zu Deutschen?

„Das lässt sich nicht pauschalisieren“, sagt Powercoach Sieglinde Fritz, die bei „Masteranalyst“ Körpersprachtrainings anbietet. Was man allerdings oft feststellen könne, sei, dass Deutsche eine burschikos wirkende und sehr fordernde Haltung an den Tag legten, die auf Spanier eher unpassend und zu dominant wirke.

„Deutsche haben eine sehr direkte Ansprache, da kann sich ein Spanier schnell vor den Kopf gestoßen fühlen, hat nicht die Möglichkeit, mit seinem Gegenüber warm zu werden.“ Dass Deutsche weniger und Spanier mehr gestikulierten, scheint ein Vorurteil zu sein – aber sie gestikulieren anders. Cornelia Müller, Professorin für angewandte Sprachwissenschaft an der Europa-Universität in Frankfurt, fand heraus, dass Spanier beim Erzählen einer Geschichte raumgreifender gestikulieren als die deutschen Sprecher: Die spanischen Bewegungen kommen aus dem Ellenbogen- oder Schultergelenk und sind daher augenscheinlicher, Deutsche dagegen untermalen mit weniger auffallenden Bewegungen aus dem Handgelenk. Problematisch wird es, wenn ein und dieselbe Geste mit unterschiedlicher Bedeutung belegt ist: Wie etwa bei einem angedeuteten Kreis, bei dem Daumen und Zeigefinger zu einem Ring geschlossen werden. Versteht der Deutsche darunter ein „Okay“ oder „Klasse“, hält es der Spanier für eine obszöne Bemerkung.

Abgesehen von der Kenntnis solcher Doppelbelegungen sei es aber schwer, seine Körpersprache der des jeweiligen Landes anzupassen, sagt Fritz. Dennoch müsse man auf eine angebrachte Körpersprache achten, sonst bleibe man trotz Fremdsprachenkenntnis immer der „Holzklotz“, der nicht dazugehöre, nicht eingeladen werde: „Es geht dabei nicht darum, sich die Gestik der anderen anzueignen, als vielmehr darum, sich für das Thema zu sensibilisieren und sich seinem eigenen Ausdruck und der Wirkung auf andere bewusst zu werden.“