Motorräder und Autos mit knatterndem Auspuff, von drinnen
dröhnen aus der Hightech-Musikanlage wummernde Bässe. Menschen, die
viel reden und laut - sehr gern auch am Handy. Dann die
Disco-Rhythmen, kilometerweite Beschallung, oft bis in die frühen
Morgenstunden: Spanien gilt als das zweitlauteste Land der Welt -
gleich hinter Japan. Die Feststellung von Fabian Straube,
Geschäftsführer mit elf Jahren Berufserfahrung im
Hörakustik-Geschäft "Buen Sonido" in der viel befahrenen - und
lauten! - Avenida Comte de Sallent in der Innenstadt von Palma,
verwundert daher nur wenig: "Meine Kunden werden immer jünger."
Vor Kurzem kam eine 20-Jährige in sein Geschäft, die meinte, ihr
Gehör einmal überprüfen lassen zu müssen. Ihr Verdacht trog sie
nicht. Beim anschließenden Test stellte sich heraus, dass die junge
Frau noch über das Hörvermögen einer 60-Jährigen verfügte. Warum?
"Sie ging seit mehreren Jahren an zwei bis drei Abenden die Woche
in die Disco", berichtet Fabian Straube. "Dort herrschen Werte über
100 Dezibel, die auf die Dauer zu Schäden führen müssen."
Irreversibel übrigens. Das verlorene Hörvermögen kann nie wieder
hergestellt werden.
Nicht gerade leise geht es auch in den Bars zu - und in
spanischen Kinos. Das ist in Palma nicht anders. Hörfachmann
Straubel vermutet, "dass sich die Filmvorführer offensichtlich nie
ins Kino setzen. Sonst müssten sie es ja merken!" Oder es ist ihnen
schlichtweg egal.
Auch draußen vor der Tür, vor seinem Geschäft in der Avenida
Comte de Sallent, brummt an diesem Montagmittag gegen zwölf Uhr der
Verkehr. Die spontane Messung mit dem Schalldruckmessgerät
(Lärmometer) ergibt einen Durchschnittswert von 85 Dezibel. Bei
einem vorbei-fahrenden Bus steigt er auf 93, ein knatterndes Moped
lässt ihn auf über 100 Dezibel schnellen. "Ein häufiger Wert auch
beim Hören von Musik über Kopfhörer", erklärt Experte Straube. "Auf
längere Sicht führt er zu Hörschäden."
Fast 40 Prozent der Palmesaner fühlen sich durch den Lärm in
ihrer Stadt - vor allem den Verkehrslärm - gestört, ergab eine
aktuelle Umfrage zum "Tag gegen den Lärm", der wie jedes Jahr im
April stattfindet (siehe Kasten): Gleich mit mehreren Projekten
will das Rathaus gegen die "akustische Verschmutzung" zu Felde
ziehen. Seit Längerem wird bereits am sogenannten Lärm-Stadtplan
gearbeitet, der erstmals Ende 2006 vorgestellt wurde. Konkrete
Ergebnisse des Gemeinschaftsprojekts von Umweltrat der
Balearen-Regierung und Umweltministerium, das weitreichende
Auswirkungen auf die zukünftige Stadtplanung haben soll, stehen
bislang allerdings noch nicht fest, da der "Aktionsplan" noch nicht
abgeschlossen ist. Klar indes ist: 90 Prozent des Lärms in Palma
werden vom städtischen Verkehr erzeugt, während der Geräuschpegel,
der von Zügen ausgeht - insbesondere Richtung Inca nach dem
Tunnelbau - weniger als ein Prozent der Bevölkerung betreffe
(ausschließlich die Anwohner). Fest steht auch, dass rund 45
Prozent der Bevölkerung tagsüber und 40 Prozent nachts von
Emissionen betroffen sind, die über dem gesetzlich vorgeschriebenen
Grenzwert liegen (Maximalwerte: 65 Dezibel bei Tag, 55 bei Nacht).
Die Balearenhauptstadt wurde in "Lärm-Zonen"unterteilt, um
zielgenaue Maßnahmen in die Wege leiten zu können. Diese werden
zurzeit noch im "Aktionsplan"zusammengetragen.
Auch der unmittelbaren Umgebung von Palmas Flughafen Son Sant
Joan steht kurz vor Beginn der Sommer-Saison eine
Langzeit-Überprüfung der Fluglärm-Belastung bevor. Laut
Gesetzesvorlage muss dies alle fünf Jahre geschehen. Experten
wollen innerhalb der nächsten zwei Jahre besonders Sant Jordi, Casa
Blanca und Coll d'en Rabassa unter die Lupe nehmen. Je nach
Resultat sollen Hauseigentümer öffentliche Unterstützung für
geeignete Lärmschutzmaßnahmen - etwa schalldichte Fenster -
bekommen.
Ältere Anwohner haben sich durch jahrelange Gewöhnung zwar oft
mit dem Fluglärm arrangiert. Nur: Gewöhnung bedeutet keinesfalls,
dass der Organismus durch die akustische Dauerbelastung keinen
Schaden nimmt, warnen Mediziner. Unabhängig davon, wie Geräusche
subjektiv empfunden werden, belastet jeder Lärm das Gehör: Je
stärker die akustische Einwirkung, desto stärker werden die Härchen
der Hörsinneszellen gegen die Deckmebran gedrückt. Wird das Ohr
längere Zeit solchen Belastungen ausgesetzt, werden die
Hörsinneszellen zerstört - unwiderruflich. Schwerhörigkeit oder
Taubheit können die Folgen sein (siehe Kasten).
Um das Lärm-Übel an der Wurzel zu packen, sind nicht immer groß
angelegte Aktionspläne vonnöten, findet Fabian Straube: Ein paar
entschlossene Schritte vonseiten des Rathauses würden auch schon
helfen. Etwa, um den Autoverkehr zu beruhigen: "Wie wäre es mit
einigen Fahrradwegen in der Innenstadt?" Doch auch jedem Einzelnen
rät er, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. Bauarbeiter etwa
oder Discjockeys seien oft erschreckend schlecht informiert über
die irreversiblen Hörschäden durch Lärm: "Für den tatsächlichen
Gebrauch des Gehörschutzes ist jeder Arbeitnehmer selbst
verantwortlich." Aus Unkenntnis oder Bequemlichkeit, das zeigen
Studien, tragen zwei von drei Arbeitnehmern keinen Schutz. Die
Folge: Lärmschwerhörigkeit steht unter den Berufskrankheiten
weiterhin auf Platz eins.
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