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Rafel Pericàs Ballester ist schon seit Monaten ein viel beschäftigter Mann. Er ist der Präsident der Bruderschaften, der Cofradías, die in Palma die Prozessionen in der Woche vor Ostern ausrichten. "Es gibt 32 Bruderschaften in Palma", sagt er, "insgesamt sind an den Prozessionen mehr als 4000 Menschen beteiligt, wenn man die Trommler und die Musikkapellen mitzählt."

Alljährlich im September beginnen die Vorbereitungen, Absprachen mit der Landesregierung, dem Inselrat und der Stadtverwaltung, die wiederum alle Oster-Events mit Polizei, Rotem Kreuz und den Nachbarschaftsvereinigungen koordiniert. Immerhin sind zwischen Palmsonntag und Karfreitag täglich die wichtigsten Straßen der Innenstadt für den Verkehr gesperrt.

Offiziell beginnt die Karwoche schon mit der Ausstellung der Standarten, der Flaggen der einzelnen Bruderschaften, meist in der Kirche Sant Antoniet im Carrer Sant Miquel. Am Freitag vor der Karwoche werden die Standarten im feierlichen Umzug in die Kirche von Sant Francesc geleitet. Dort findet dann der sogenannte ,,Pregón" statt. Die Festrede hält jeweils eine bekannte Persönlichkeit der Insel. Damit gilt die Karwoche als offiziell eröffnet.

Am Palmsonntag beginnen dann die täglichen Prozessionen, organisiert durch die Bruderschaften. Diese Bruderschaften haben sich aus den mittelalterlichen Zünften entwickelt. Heute ist jede Bruderschaft einer bestimmten Gemeinde zugeordnet. Die Mitglieder kommen, wie die Angehörigen einer Loge oder Berufsvereinigung, mehrmals im Jahr zusammen, um für ihre Kirche zu sammeln, vor allem aber, um die Prozessionen der Karwoche vorzubereiten. "Einige Bruderschaften organisieren Aktivitäten das ganze Jahr hindurch, etliche machen Sozialarbeit, lehren den Katechismus oder arbeiten karitativ", sagt Rafel Pericàs. Oft wird die Mitgliedschaft vom Vater auf den Sohn vererbt, manche Familien sind schon seit Generationen dabei.

Rafel Pericàs kommt nicht aus einer Familie, die sich an den Prozessionen beteiligte: ,,Ich ging in die Klosterschule von Sant Francesc und bin auf diese Weise dazu gekommen. Ich bin mit zwölf Jahren in die ,Confradía de la Joventut Seràfica' eingetreten und habe seitdem keine Osterprozession verpasst." Für viele Menschen auf Mallorca seien die Prozessionen eine lieb gewordene Tradition, so Rafel Pericàs. Und es seien auch immer wieder junge Leute dabei. "Manche unter ihnen halten die Karwoche für ein Spektakel. Dabei sollte die Teilnahme an den Prozessionen ein Zeichen für Buße, für gelebte Religiösität sein. Man muss es ernst nehmen", sagt Pericàs.

Die Zahl der aktiven Büßer, die barfuß oder in Fußketten an den Prozessionen teilnehmen, sei Jahr für Jahr rückläufig, was Rafel Pericàs begrüßt: "Die physische Integrität von Menschen sollte immer und auf jeden Fall gewahrt bleiben." Er erzählt, dass auch die "Pasos", die mit Stoff verhängten Gestelle, auf denen die Heiligen- oder Christusfiguren der einzelnen Bruderschaften sind, heutzutage kaum mehr von den "Costaleros" getragen werden, was einst als Busse galt. "Heute werden die Pasos meist auf Rollen bewegt oder geschoben. Aber rund vierzig Costaleros gibt es noch." Jede Bruderschaft trägt ihre ganz bestimmte, an der Farbe erkenntliche Kleidung, hat ein eigenes Banner an einer schweren Standarte, oft eine eigene Musikgruppe, die den Rhythmus des Zuges markiert.

Die wichtigste Prozession auf Mallorca ist die Processió de la Sang am Gründonnerstag, die Prozession des Heiligen Blutes. "El Cristo de la Sang", der ans Kreuz geschlagene Christus, wird feierlich durch die Stadt getragen. Zu anderen Zeiten steht die Figur in der gleichnamigen Kirche neben dem Hospital General. Sie wird von den Mallorquinern auch außerhalb der Osterzeit am meisten verehrt.

An den Prozessionen in Palma nehmen, außer am Montag und Mittwoch, alle Bruderschaften teil.

Beginn ist meist am Abend. ,,Wir versammeln uns aber immer schon einige Stunden zuvor", sagt Rafel Pericàs. ,,Bis wir dann wieder in der Pfarrkirche zurück sind oder nach Hause kommen, ist es meist weit nach Mitternacht. Die Karwoche ist für mich die wichtigste, aber auch die anstrengendste Zeit des Jahres." Noch ein Blick in andere Inselgemeinden: Viel beachtet ist die ,,Kreuzabnahme" (Devallement) am Karfreitag in Pollença. Hier wird die Christusfigur der Kirche auf dem Kalvarienberg vom Kreuz genommen und auf eine Art Katafalk aufgebahrt. Dann trägt man sie die 365 Stufen des Kalvarienberges hinunter zur Gemeindekirche. Zu dieser Prozession kommen Menschen aus fast allen Teilen der Insel.

Oder nehmen wir Sineu, wo ebenfalls am Karfreitag die "Prozession der Heiligen Grablegung und der Einsamkeit Maria" stattfindet. Diesen Brauch gibt es in dem Landstädtchen seit dem Jahr 1667. An dieser Prozession nehmen mit die ältesten Bruderschaften der Insel teil, von denen manche schon seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts bestehen.

Am Gründonnerstag und Karfeitag finden auch in Muro Prozessionen statt. Am Karfreitag ist die "Schwesternschaft der Schwarzen Damen" dabei.
Mit eine der ältesten Bruderschaften der Insel ist neben der der Madonna von Lluc zugeordneten Vereinigung die Bruderschaft des Heiligen Christus von Alcúdia. Chroniken zufolge wurde sie 1507 gegründet, nachdem die Christusstatue am 24. Februar des gleichen Jahres auf wunderbare Weise Blut und Wasser schwitzte, was wörtlich zu nehmen ist.

Am Karsonntag versammeln sich die Gläubigen auf Mallorca in der Kathedrale, um die Auferstehung des Herrn zu feiern.