Die Katastrophe vom vergangenen Donnerstag
dauert gerade mal 15 Minuten: Buchstäblich in Windeseile fliegt um
17.30 Uhr ein riesiges dunkles Wolkenmonster vom Meer her in die
Bucht von Palma ein, hüllt die Stadt in schwärzeste Nacht, entlädt
Hunderte von Blitzen, begräbt Straßensenken und Plätze unter
wasserfallartigem Regen und, das Schlimmste, bauscht sich zum
orkanartigen Sturm auf, der Tausende von Bäumen aus dem Boden
reißt, Strommasten umknickt wie Streichhölzer, Autos umkippt,
Kühlschränke und Container durch die Luft wirbelt, Dächer abdeckt,
Fabrikhallen verwüstet und über 20 Menschen zum Teil schwer
verletzt.
Knapp eine Woche nach dem Unwetter herrscht in Palma, das am
schwersten getroffen wurde, in weiten Teilen wieder völlige
Normalität. Bleibt die Frage: Warum gab es keine Sturmwarnung vom
Wetteramt (siehe dazu S. 20)? Und: Wer soll das bezahlen? Die
Schäden an öffentlichen Einrichtungen und privatem Eigentum werden
derzeit auf rund 45 Millionen Euro geschätzt – aber die Zahl kann
noch deutlich nach oben korrigiert werden, da noch nicht alle
Privatleute ihre Schadensmeldungen bei den Versicherungen oder
einer Hotline der Stadt abgegeben haben.
Palma ist bereits am Freitag zum Katastrophengebiet erklärt
worden und die Madrider Zentralregierung hat finanzielle Hilfen für
die Geschädigten zugesagt.
Eine erste Schätzung der Schäden an den öffentlichen
Einrichtungen wie Gebäuden, Sportstätten, Ampeln, Friedhöfen,
Garten- und Grünzonen ist inzwischen abgeschlossen: Sie belaufen
sich laut der Pressestelle der Stadtverwaltung auf „15 bis 20
Millionen Euro”. Wie hoch die Summe ist, die Palma von Madrid
erhält, ist noch unklar. Die Zentralregierung habe aber bereits
mitgeteilt, wie die Hilfe für Privatleute und Unternehmen aussehen
könnte: Sie sollen maximal 8000 Euro für Schäden an Wohn- oder
Fabrikgebäuden erhalten. Für demolierte Autos gibt es aus diesem
Topf wahrscheinlich kein Geld.
Das Rathaus hat die Bürger aufgefordert, die Sturmschäden unter
der Nummer 010 (dort wird man auch auf deutsch bedient) zu melden,
um einen Überblick über das Ausmaß der Verwüstung zu erhalten.
Außerdem rät die Verwaltung, Fotos von den Schäden zu machen und
die Rechnungen für dringliche Reparaturarbeiten aufzubewahren. Zwar
wurde die ganze Stadt zum Katastrophengebiet erklärt, aber da der
Sturm nicht überall mit derselben Wucht wütete, soll im Einzelfall
geklärt werden, ob und wohin Geld aus Madrid fließt.
Den Geschädigten wird empfohlen, sich vor allem auch mit ihren
Versicherungen oder Versicherungsvermittlern in Verbindung zu
setzen. Die sind im Katastrophenfall zwar aus der Verantwortung
entlassen, unterstützen aber zum Beispiel durch die Aussendung von
Gutachtern das zuständige Versicherungskonsortium. Dieses
entschädigt die entsprechend Versicherten aus einem Pool, in den
die Versicherungen für solche Fälle einen Teil der Prämien
einbezahlen.
Das ganze Ausmaß der Schäden wurde dann erst am Freitagmorgen so
richtig sichtbar. Am Donnerstagabend ertönten im Stadtgebiet
überall die Sirenen von Polizei und Feuerwehr: Von 17 bis 22 Uhr
gehen 420 Notrufe bei der 112 ein, die Polizei rückt 277-mal aus,
die Feuerwehr hat von Donnerstag bis Sonntag 474 Einsätze.
„Was für ein Chaos. So etwas habe ich in den letzten 30 Jahren
nicht erlebt”, kommentiert ein Veteran der Guardia Civil in Palma
das kurze, aber verheerende Naturereignis. Tagelang ist der Sturm
der Stürme Gesprächsthema Nummer eins in der Stadt: „Wo warst du,
als es losging?” Vielen sitzen Angst und Schrecken noch tagelang in
den Knochen.
Am härtesten trifft es das Industriegebiet Can Valero, wo sich
auch die Redaktion des Mallorca Magazins und das Druckzentrum der
Grup Serra befindet (siehe S. 18). Dort sieht es am Morgen danach
aus, als hätte gerade ein Krieg stattgefunden. Lokale Medien taufen
das „Polígono” denn auch „Ground Zero”. Der namenlose Orkan hat
eine mehrere Hundert Meter breite Schneise durch Straßen,
Fabrikgebäude, Baustellen und noch brachliegendes Bauland gepflügt
und an manchen Stellen wenig mehr als Schutt und Trümmer
hinterlassen. „Wir haben zehn Jahre gebraucht, um die Firma
aufzubauen, und in 15 Sekunden ist alles zerstört worden – als wäre
eine Bombe eingeschlagen. Maschinen mit über einer Tonne Gewicht
flogen zu Boden, als wäre das nichts”, beschreibt ein
Unternehmer.
Rund 20 Arbeiter und Passanten, darunter auch Kinder, erleiden
während des Sturms unterschiedlich schwere Verletzungen durch
herabfallende Äste und Gegenstände oder durch splitterndes Glas. In
kritischem Zustand befindet sich ein Sicherheitsmann noch eine
Woche nach dem Unwetter: Er hatte auf der Baustelle von Son Espases
in einer Hütte Schutz gesucht, die vom Wind durch die Luft
gewirbelt wird. Dabei erleidet er so schwere Verletzungen, dass
Ärzte im Krankenhaus Son Dureta einen Arm amputieren müssen.
Umgeknickte Bäume und Strommasten sorgen für Stromausfälle und
beschädigte Gasleitungen. Auf Palmas Zufahrtsstraßen staut sich der
Verkehr kilometerlang, was auch das Fortkommen von Polizei und
Krankenwagen behindert.
In der Calle Cargó in Palma muss ein gestürzter Motorradfahrer
erst im strömenden Regen und dann auf dem zunehmend überfluteten
Asphalt über eine Stunde auf die Ambulanz warten. Passanten müssen
seinen Kopf anheben, damit er nicht ertrinkt. Der Stau wird in
einem Fall aber auch zum Verbündeten der Polizei: Bei Arenal
bleiben flüchtige Diebe im Verkehr stecken, nachdem sie eine
Tankstelle ausgeraubt hatten.
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