Darf ich Sie fragen, was Sie da Leckeres essen?”, die Dame mit
dem starken fränkischen Akzent deutet auf das zum Bersten bepackte
Tellerchen in der Hand des Gastes, auf dem sich eine Mischung von
sechs verschiedenen Tapas türmt. „Und was muss ich sagen, wenn ich
auch so was bestellen möchte?” Die Touristin aus Nürnberg hat
Glück: Der Resident, den sie um Hilfe gebeten hat, isst öfter in
der Bar „Teodoro” in der Markthalle Es Olivar und bestellt ihr bei
dem flinken Spanier ein solches variado – und ein Glas süffigen
Weißweins gleich mit. „Na, das nenn ich ein volles Glas”, entfährt
es ihr, als sie es dann kaum zum Mund führen kann, ohne etwas zu
verschütten.
Essen und Trinken in den Bars der Markthallen Mallorcas ist eben
ein Schöpfen aus dem Vollen. Gekocht wird das meiste direkt in
einer Mini-Küche, die in die Bar integriert ist, verwendet werden
großteils die Produkte aus der Markthalle. „Wenn mir 'ne Paprika
oder 'ne Zwiebel fehlt, wirft Maria mir einfach eine rüber, was?”,
sagt Toni Cabra, der schon 30 Jahre hinter seiner Theke im Markt
Pere Garau steht, und wirft der Kollegin vom Gemüsestand einen
Handkuss zurück. Frischer, variantenreicher und günstiger als hier
isst man nirgendwo – vom Markt in die Pfanne, von der Pfanne in den
Magen. Die Bars sind ein Schlemmerparadies für den kleinen Hunger
zwischendurch. Oder den Großen.
„Ich hab viele Deutsche, die zum Mittagessen herkommen und sich
durch alles durchprobieren, bis sie satt sind”, erzählt Sebastián
von der Bar Paco, die sein Vater Paco 1952 in Es Olivar eröffnet
hat. Gedacht sind die Häppchen eigentlich mehr als Snack
zwischendurch, weniger als Bausteine für ein Degustations-Menü.
„Ja, da haben die Deutschen eine andere Mentalität”, sagt
Sebastián, „aber solange es ihnen schmeckt, soll's mir recht
sein!”
Was er nicht sagt, aber so ist: Stundenlang bei einem Glas Wein
zu verweilen, dafür sind die Bars nicht gedacht. Denn der Platz ist
beschränkt, und die wenigen Hocker und Stehplätze um die schwarzen
Granit-Tresen sind schnell besetzt. Hier nehmen die Verkäufer der
Marktstände ihren ersten Kaffee morgens kurz nach sechs Uhr, die
Hausfrauen genehmigen sich nach getanem Einkauf einen Happen, die
Arbeiter schauen zum almuerzo, der spanischen Zwischenmahlzeit
zwischen zehn und zwölf Uhr, vorbei.
Fünf Bars zählt die Markthalle an der Plaça Olivar, drei der
Markt Pere Garau, drei der von Santa Catalina. In Pere Garau, dem
Markt mit orientalischem Einschlag, geht es ruhig zu. Anders als
bei den zentraler gelegenen Mercados, die in ihrer
Farbenprächtigkeit, Originalität und Turbulenz auch
Anziehungsmagnet für Touristen sind. Die Bars sind die Klimax
dieses bunten Treibens. Hier fühlt sich der zu Hause, der das
Schnelle, Temperamentvolle, Typische liebt.
Gabriel wirbelt umher. Mit der einen Hand serviert er dampfende
Hackfleischbällchen, die andere greift zum Taschenrechner, um einen
anderen Gast abzurechnen, gleichzeitig hebt er den Hörer ab: Eine
telefonische Bestellung, Paella zum Mitnehmen. Wer den drei Jungs
von der Bar Joan Frau im Santa-Catalina-Markt zusieht, muss
schwindelfrei sein, so fix wird hier gearbeitet. Und er muss Humor
verstehen – denn trotz Stress: Für eine Zote oder einen Flirt,
dafür ist immer Zeit.
Essen auf Tuchfühlung – bei Gabriel, Pedro, Mario und der Mutter
Maria geht sie soweit, dass sie sogar die wenigen Quadratmeter
hinter der Bar mit ihren Gästen teilen. An den vier winzigen
Tischchen sitzen die Gäste zusammengewürfelt – für Spanier, die –
anders als Deutsche – es nicht gewöhnt sind, sich auch schon mal zu
Fremden zu setzen, wenn sonst kein Platz ist, ein durchaus
exotisches Erlebnis. „Und”, sagt Gabriel mit einem Augenzwinkern,
„da hat sich schon so manches Pärchen bei uns gefunden.”
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