MM: Wie bewerten Sie den Flughafen heute, aus zehn
Jahren Distanz?
Nicolau: Es ist ein sehr funktionales Gebäude. Und alle Prognosen
der damaligen Planungen haben sich bewahrheitet. Es hieß, pro
Stunde werden 12.000 Menschen, am Tag bis zu 150.000 Menschen den
Airport passieren. Das ist eingetreten. Es hieß, pro Jahr werden es
24 Millionen Passagiere sein. Davon sind wir nicht mehr weit
entfernt.
MM: Würden Sie heute manches anders machen als
damals?
Nicolau: Ehrlich gesagt, nein. Es ist ein nüchtern gehaltenes
Gebäude, mit sehr wenig Glasfläche zur Start– und Landebahn hin,
wie man mir oft vorhält. Das hat seinen Grund: Die Architektur hält
den Fluglärm aus dem Gebäude heraus. Der Bau öffnet sich, wohin er
sich öffnen muss: nach oben, in den Himmel.
MM: Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man wie ein
beliebiger Fluggast durch den eigenen Flughafen läuft?
Nicolau: Ich bin sehr zufrieden und genieße es. Das Gebäude ist
eine Fusion aus europäischer Modernität und mediterraner Kultur.
Das Mediterrane finden Sie in der lichten, hellen Gestaltung des
Baus, seiner weißen Farbe, den Palmen, den Gärten und
Wasserspielen.
MM: Was ist mit den Bodenfliesen. Viele von ihnen weisen
abgeschlagene Kanten auf. Tut Ihnen das nicht weh, wenn Sie das
sehen?
Nicolau: Zunächst einmal, der Granit ist das härteste Bau-Material,
das es gibt. Mein Projekt hatte Fliesen von drei Millimeter Stärke
vorgesehen. Aus Kostengründen wurden jedoch nur zwei Millimeter
gewählt. Vergessen wir nicht, dass da täglich Hunderttausende
darüber hinweglaufen. 150.000 Menschen! Das ist die Hälfte der
Bevölkerung von Palma. Machen wir uns nichts vor. Der Airport ist
nicht der Boden eines Hotelsalons; er ist ein Bürgersteig. Es gibt
kaum einen Bürgersteig in Spanien, auf dem mehr los ist. Und
Bürgersteige sind in der Regel matt. Im Airport haben wir glänzende
Fliesen. Da fallen Risse und Schäden leicht ins Auge.
MM: Im Airport finden sich viele Rolltreppen, aber nur
zwei Fahrstühle, wenn man vom Parkhaus kommend durch die
Überführung ins Flughafengebäude gelangt. Würden Sie heute mehr
Fahrstühle einplanen als damals?
Nicolau: In den Plänen waren zunächst gar keine Fahrstühle
vorgesehen. Vielmehr dachte man, die meisten Passagiere werden als
Touristen ohnehin mit Bussen zum Airport gebracht. Sie checken im
Erdgeschoss ein und fahren dann ohne Koffer per Rolltreppe in den
oberen Wartebereich. Nutzer, die vom Parkhaus kommen, sollten – so
war es gedacht – gleich dort einchecken. Am Anfang der Überführung
sind ja ein paar Counter vorhanden. Doch ihr Betrieb wurde bald
eingestellt. Deswegen müssen Parker mit dem Koffer zum Einchecken
ins Erdgeschoss. Ich wurde gebeten, nachträglich zwei Fahrstühle
einzuplanen. Ich glaube, die Lösung ist ganz passabel geraten.
MM: Man hört oft, die Wege seien sehr lang.
Nicolau: Das stimmt, es sind lange Wege, bedingt durch die
spezifischen Anforderungen eines Flughafens. Aber es gibt
Laufbänder. An anderen Flughäfen, etwa in den USA, sind die Wege
auch endlos – und es gibt nicht einmal Laufbänder. Uns war wichtig,
dass es vom entferntesten Gate bis zum Gepäckband nicht mehr als
elf Minuten zu Fuß sind. Dadurch hat man noch neun Minuten Zeit,
bis der Koffer kommt – wenn er pünktlich kommt. Niemand möchte am
Band eintreffen, und der Koffer ist schon da, wo ihn jeder klauen
könnte ...
MM: Wie bewerten Sie den neu eingerichteten
Sicherheitsbereich?
Nicolau: Da scheint mir eine gute und ästhetische Lösung gefunden
worden zu sein. Man hat hier viel mit Glas gearbeitet, und die
Aussicht auf das Solarium wurde nicht verdeckt.
MM: Viele Flughäfen wandeln sich mehr und mehr zu
Einkaufs– und Freizeitzentren.
Nicolau: Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten. In Gatwick-London
ist es mitunter schwierig, den Ausgang zum Gate zu finden, vor
lauter Angeboten. Die Bedeutung des Handels in den Airports wird
weiter zunehmen, auch in Palma.
MM: Der Flughafen Palma wächst weiter. Sie sollen
beauftragt worden sein, den Ausbau des C-Terminals zu
leiten.
Nicolau: Man hat mich um meine Meinung diesbezüglich gefragt. Der
Bereich soll speziell für Umsteiger umgemodelt werden und mehr
Gates erhalten. Wichtig ist mir, dass die Erweiterung nur inwendig
erfolgt, das Gebäude also äußerlich unverändert bleibt.
MM: Welchen Flughafen halten Sie – abgesehen von Son
Sant Joan – für gelungen?
Nicolau: Ich muss sagen, mir gefallen viele. Frankfurt ist
gewaltig, London-Stansted ist auf kleinem Raum gelungen, und der
Airport von Kioto ist sehr ästhetisch.
MM: Sie haben neben Ihren Großprojekten auch Wohnhäuser
realisiert; eines davon an der Plaça Gomila in Palma. Das war 1976
übrigens der erste Bericht über Sie im Mallorca Magazin.
Ihr Gomila-Werk beheimatet heute eine Ansammlung von Musikbars und
Nachtclubs. Der stufenartig ansteigende Bau ist aber reichlich
heruntergekommen.
Nicolau: Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass das Haus
einmal so endet. Ich hatte es mit viel Liebe geplant. Das Gebäude
sollte eine Antwort sein auf die neuen Herausforderungen durch den
Massentourismus. Heute gibt es dort gar keinen Tourismus mehr. Der
Bau sollte nicht die gesamte Fläche ausfüllen, sondern ein
Durchgang sein, mit Geschäften, Gartenterrassen und Wohnungen. Der
Niedergang dort betrifft nicht das Haus alleine, sondern die
gesamte Zone.
MM: Hat Ihr Gomila-Haus den Niedergang
mitverursacht?
Nicolau: Das glaube ich nicht. Es gehörte zu den guten Dingen, die
dort passiert sind. Damals war die Plaça Gomila schwer in Mode. Wir
können uns dem Wachstum nicht verschließen. Wachstum ist weder gut
noch schlecht. Es unterliegt keinen moralischen Grundsätzen. Es
existiert einfach. Nur kommt es darauf an, gut zu wachsen. So wie
ein Baum: nachhaltig, ausgeglichen.
MM: Ist Palma in den vergangenen 30 Jahren „gut”
gewachsen?
Nicolau: Es gibt Dinge, die waren gut. Ich persönlich kann für mich
den Parc de la Mar in Anspruch nehmen. Es gab damals drei Optionen:
nichts tun, ein Parkhaus errichten oder einen Park anlegen. Nichts
tun hätte zu nichts geführt und die Probleme nicht gelöst. Das
Parkhaus alleine wäre schlechtes Wachstum gewesen. Der Park war
dagegen positives Wachsen.
MM: Aber es gab auch viele Planungssünden in Palma:
Welches waren die gravierendsten, Ihrer Meinung nach?
Nicolau: Der größte Fehler war die hingenommene Verwahrlosung der
traditionellen Wohngebiete außerhalb der Altstadt. Wo kleine Häuser
mit Garten standen, wurden ganze Wohnblöcke errichtet. Die alte
Infrastruktur – Straßen, Bürgersteige, Grünzonen – wurde dem aber
nicht angepasst. Die Folge war die schauerliche Entwicklung etwa in
El Terreno oder im Bereich des Carrer General Riera. Der zweite
große Fehler war, den Boulevard der Avenidas zu Schnellstraßen für
Autos zu degradieren.
MM: Sprechen wir über Aktuelles. Was halten Sie vom
neuen Stadtpark Sa Riera?
Nicolau: Es heißt, er habe zuviel Zement. Das sagte man damals beim
Parc de la Mar auch. Die Bäume werden wachsen, der Zement
nicht.
MM: Wie bewerten Sie den geplanten
Kongresspalast?
Nicolau: Ich kenne das Projekt nur aus den Medien. Es ist ganz
interessant.
MM: Sind Sie für den Abriss des
Gesa-Hochhauses?
Nicolau: Nein, auf gar keinen Fall. Es ist von Josep Ferragut,
einem der besten Architekten der Insel, errichtet worden, nach den
Konzepten Mies van der Rohes. Da gibt es ganz anderen Murks, den
man abreißen könnte. Man sollte das Gesa-Hochhaus in die geplante
Meeresfront integrieren. Auch dies wäre ein gutes Beispiel für
gelungenes Wachstum.
Mit Pere Nicolau sprach Alexander Sepasgosarian
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