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MM: Mitte April jährt sich die Eröffnung des neuen Flughafens von Palma zum zehnten Mal. Der Airport war vom Raumvolumen her sicher Ihr größtes Werk?
Pere Nicolau: Das stimmt. Erst der Flughafen, dann die neue Clínica Planas, dann ein paar große Hotels. In dieser Reihenfolge.

MM: Wie bewerten Sie den Flughafen heute, aus zehn Jahren Distanz?
Nicolau: Es ist ein sehr funktionales Gebäude. Und alle Prognosen der damaligen Planungen haben sich bewahrheitet. Es hieß, pro Stunde werden 12.000 Menschen, am Tag bis zu 150.000 Menschen den Airport passieren. Das ist eingetreten. Es hieß, pro Jahr werden es 24 Millionen Passagiere sein. Davon sind wir nicht mehr weit entfernt.

MM: Würden Sie heute manches anders machen als damals?
Nicolau: Ehrlich gesagt, nein. Es ist ein nüchtern gehaltenes Gebäude, mit sehr wenig Glasfläche zur Start– und Landebahn hin, wie man mir oft vorhält. Das hat seinen Grund: Die Architektur hält den Fluglärm aus dem Gebäude heraus. Der Bau öffnet sich, wohin er sich öffnen muss: nach oben, in den Himmel.

MM: Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man wie ein beliebiger Fluggast durch den eigenen Flughafen läuft?
Nicolau: Ich bin sehr zufrieden und genieße es. Das Gebäude ist eine Fusion aus europäischer Modernität und mediterraner Kultur. Das Mediterrane finden Sie in der lichten, hellen Gestaltung des Baus, seiner weißen Farbe, den Palmen, den Gärten und Wasserspielen.

MM: Was ist mit den Bodenfliesen. Viele von ihnen weisen abgeschlagene Kanten auf. Tut Ihnen das nicht weh, wenn Sie das sehen?
Nicolau: Zunächst einmal, der Granit ist das härteste Bau-Material, das es gibt. Mein Projekt hatte Fliesen von drei Millimeter Stärke vorgesehen. Aus Kostengründen wurden jedoch nur zwei Millimeter gewählt. Vergessen wir nicht, dass da täglich Hunderttausende darüber hinweglaufen. 150.000 Menschen! Das ist die Hälfte der Bevölkerung von Palma. Machen wir uns nichts vor. Der Airport ist nicht der Boden eines Hotelsalons; er ist ein Bürgersteig. Es gibt kaum einen Bürgersteig in Spanien, auf dem mehr los ist. Und Bürgersteige sind in der Regel matt. Im Airport haben wir glänzende Fliesen. Da fallen Risse und Schäden leicht ins Auge.

MM: Im Airport finden sich viele Rolltreppen, aber nur zwei Fahrstühle, wenn man vom Parkhaus kommend durch die Überführung ins Flughafengebäude gelangt. Würden Sie heute mehr Fahrstühle einplanen als damals?
Nicolau: In den Plänen waren zunächst gar keine Fahrstühle vorgesehen. Vielmehr dachte man, die meisten Passagiere werden als Touristen ohnehin mit Bussen zum Airport gebracht. Sie checken im Erdgeschoss ein und fahren dann ohne Koffer per Rolltreppe in den oberen Wartebereich. Nutzer, die vom Parkhaus kommen, sollten – so war es gedacht – gleich dort einchecken. Am Anfang der Überführung sind ja ein paar Counter vorhanden. Doch ihr Betrieb wurde bald eingestellt. Deswegen müssen Parker mit dem Koffer zum Einchecken ins Erdgeschoss. Ich wurde gebeten, nachträglich zwei Fahrstühle einzuplanen. Ich glaube, die Lösung ist ganz passabel geraten.

MM: Man hört oft, die Wege seien sehr lang.
Nicolau: Das stimmt, es sind lange Wege, bedingt durch die spezifischen Anforderungen eines Flughafens. Aber es gibt Laufbänder. An anderen Flughäfen, etwa in den USA, sind die Wege auch endlos – und es gibt nicht einmal Laufbänder. Uns war wichtig, dass es vom entferntesten Gate bis zum Gepäckband nicht mehr als elf Minuten zu Fuß sind. Dadurch hat man noch neun Minuten Zeit, bis der Koffer kommt – wenn er pünktlich kommt. Niemand möchte am Band eintreffen, und der Koffer ist schon da, wo ihn jeder klauen könnte ...

MM: Wie bewerten Sie den neu eingerichteten Sicherheitsbereich?
Nicolau: Da scheint mir eine gute und ästhetische Lösung gefunden worden zu sein. Man hat hier viel mit Glas gearbeitet, und die Aussicht auf das Solarium wurde nicht verdeckt.

MM: Viele Flughäfen wandeln sich mehr und mehr zu Einkaufs– und Freizeitzentren.
Nicolau: Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten. In Gatwick-London ist es mitunter schwierig, den Ausgang zum Gate zu finden, vor lauter Angeboten. Die Bedeutung des Handels in den Airports wird weiter zunehmen, auch in Palma.

MM: Der Flughafen Palma wächst weiter. Sie sollen beauftragt worden sein, den Ausbau des C-Terminals zu leiten.
Nicolau: Man hat mich um meine Meinung diesbezüglich gefragt. Der Bereich soll speziell für Umsteiger umgemodelt werden und mehr Gates erhalten. Wichtig ist mir, dass die Erweiterung nur inwendig erfolgt, das Gebäude also äußerlich unverändert bleibt.

MM: Welchen Flughafen halten Sie – abgesehen von Son Sant Joan – für gelungen?
Nicolau: Ich muss sagen, mir gefallen viele. Frankfurt ist gewaltig, London-Stansted ist auf kleinem Raum gelungen, und der Airport von Kioto ist sehr ästhetisch.

MM: Sie haben neben Ihren Großprojekten auch Wohnhäuser realisiert; eines davon an der Plaça Gomila in Palma. Das war 1976 übrigens der erste Bericht über Sie im Mallorca Magazin. Ihr Gomila-Werk beheimatet heute eine Ansammlung von Musikbars und Nachtclubs. Der stufenartig ansteigende Bau ist aber reichlich heruntergekommen.
Nicolau: Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass das Haus einmal so endet. Ich hatte es mit viel Liebe geplant. Das Gebäude sollte eine Antwort sein auf die neuen Herausforderungen durch den Massentourismus. Heute gibt es dort gar keinen Tourismus mehr. Der Bau sollte nicht die gesamte Fläche ausfüllen, sondern ein Durchgang sein, mit Geschäften, Gartenterrassen und Wohnungen. Der Niedergang dort betrifft nicht das Haus alleine, sondern die gesamte Zone.

MM: Hat Ihr Gomila-Haus den Niedergang mitverursacht?
Nicolau: Das glaube ich nicht. Es gehörte zu den guten Dingen, die dort passiert sind. Damals war die Plaça Gomila schwer in Mode. Wir können uns dem Wachstum nicht verschließen. Wachstum ist weder gut noch schlecht. Es unterliegt keinen moralischen Grundsätzen. Es existiert einfach. Nur kommt es darauf an, gut zu wachsen. So wie ein Baum: nachhaltig, ausgeglichen.

MM: Ist Palma in den vergangenen 30 Jahren „gut” gewachsen?
Nicolau: Es gibt Dinge, die waren gut. Ich persönlich kann für mich den Parc de la Mar in Anspruch nehmen. Es gab damals drei Optionen: nichts tun, ein Parkhaus errichten oder einen Park anlegen. Nichts tun hätte zu nichts geführt und die Probleme nicht gelöst. Das Parkhaus alleine wäre schlechtes Wachstum gewesen. Der Park war dagegen positives Wachsen.

MM: Aber es gab auch viele Planungssünden in Palma: Welches waren die gravierendsten, Ihrer Meinung nach?
Nicolau: Der größte Fehler war die hingenommene Verwahrlosung der traditionellen Wohngebiete außerhalb der Altstadt. Wo kleine Häuser mit Garten standen, wurden ganze Wohnblöcke errichtet. Die alte Infrastruktur – Straßen, Bürgersteige, Grünzonen – wurde dem aber nicht angepasst. Die Folge war die schauerliche Entwicklung etwa in El Terreno oder im Bereich des Carrer General Riera. Der zweite große Fehler war, den Boulevard der Avenidas zu Schnellstraßen für Autos zu degradieren.

MM: Sprechen wir über Aktuelles. Was halten Sie vom neuen Stadtpark Sa Riera?
Nicolau: Es heißt, er habe zuviel Zement. Das sagte man damals beim Parc de la Mar auch. Die Bäume werden wachsen, der Zement nicht.

MM: Wie bewerten Sie den geplanten Kongresspalast?
Nicolau: Ich kenne das Projekt nur aus den Medien. Es ist ganz interessant.

MM: Sind Sie für den Abriss des Gesa-Hochhauses?
Nicolau: Nein, auf gar keinen Fall. Es ist von Josep Ferragut, einem der besten Architekten der Insel, errichtet worden, nach den Konzepten Mies van der Rohes. Da gibt es ganz anderen Murks, den man abreißen könnte. Man sollte das Gesa-Hochhaus in die geplante Meeresfront integrieren. Auch dies wäre ein gutes Beispiel für gelungenes Wachstum.

Mit Pere Nicolau sprach Alexander Sepasgosarian