Andere Länder, andere Sitten. Einmal im Jahr, am 28. Dezember,
kursieren in den spanischen Tageszeitungen, in Radio– und
Fernsehprogrammen die tollsten Nachrichten, denn hierzulande wird
der 28. Dezember wie in Deutschland der 1. April gehandhabt. Vor
allem die Tageszeitungen – dem Eigenverständnis nach sonst Hüter
der Wahrheit – setzen sich an die Spitze der Bewegung.
Da ist dann etwa die Rede davon, dass ein hängendes Parkhaus in
Palma, zwischen Kathedrale und Parc de la Mar errichtet wird, dass
Pavarotti bei einer mallorquinischen Theateraufführung als
Pausenfüller auftritt, dass zwischen den Baleareninseln und dem
spanischen Festland in Kürze ein Tunnel gebaut wird, durch den Züge
mit 300 Stundenkilometern verkehren sollen. Alles gelogen!
Nachrichten vom 28. Dezember sind mit aller Vorsicht zu betrachten.
Denn es kann sich um schlichte Zeitungsenten handeln.
Am 28. Dezember, dem Día de los Santos Innocentes, dem „Tag der
unschuldigen Kindlein”, hat man vor nichts Respekt, darf man alles
sagen, auch wenn es reine Spekulation oder eine glatte Lüge ist.
Die Meldungen dieses Tages gehen knapp an der Wirklichkeit vorbei,
treffen jedoch oft genug die Wahrheit. Und sind dadurch oft genug
so glaubhaft, dass viele sie für bare Münze nehmen. Weshalb denn
auch am nächsten Tag in jedem Blatt die erlogenen Meldungen
richtiggestellt werden.
Warum gerade am 28. Dezember? Wie fast alle spanischen Gedenk–
oder Feiertage beruht auch der 28. Dezember auf christlicher
Tradition.
An diesem Tag gedenkt nämlich der christliche Kalender des in der
Bibel berichteten Kindermordes durch König Herodes. Im Mittelalter
wurde es Sitte, just an diesem Tag Kindern die Macht und das Sagen
zu überlassen, wie es einst in manchen spanischen Regionen am
Weihnachtstag Brauch war. Die Kinder sollen es an dem einen oder an
dem anderen Tag weidlich ausgenutzt haben. Jetzt nutzen es die
Journalisten. Sie gönnen sich einen Tag „Pressefreiheit”, lügen wie
gedruckt.
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