Der Korruptionsskandal in Andratx sorgt weiter für Wirbel: Auch
fast einen Monat nach der Verhaftung des Bürgermeisters Eugenio
Hidalgo vergeht kein Tag, an dem nicht neue Enthüllungen für
Schlagzeilen sorgen. Nun gerät der balearische Innenminister José
María Rodríguez immer stärker unter Druck. Er soll seinen
Parteifreund Hidalgo vor der Polizeiaktion gewarnt haben.
„Die Information ist, dass es heute losgeht” – diesen Satz hat
Rodríguez während eines Telefonats am frühen Morgen des 27.
November zum Bürgermeister des Küstenortes gesagt – für den
Staatsanwalt ist klar, dass es sich dabei um eine versteckte
Warnung handelt. Der Innenminister und Generalsekretär der
konservativen Partei (PP) soll Hidalgo auf diese Weise mitgeteilt
haben, dass eine Razzia im Rathaus von Andratx bevorstand.
Rodríguez bestreitet das vehement.
Monatelang hatte Staatsanwalt Juan Carrau ermittelt, Telefone
abhören lassen und Beweise gesammmelt, bis das Material für eine
Verhaftung Hidalgos ausreichte. Im Zuge einer Großaktion der
Guardia Civil kam es daraufhin in Andratx und Palma zu mehreren
Razzien. Sowohl das Rathaus des vor allem bei Deutschen beliebten
Küstenortes, als auch die Privathäuser der Beschuldigten wurden
durchsucht. Polizisten beschlagnahmten Kisten voller Beweismaterial
und Privatbesitz im Wert von rund sieben Millionen Euro: Autos,
Bargeld, Kunstwerke. In Mülleimern unweit des Rathauses entdeckten
Beamte zudem Unterlagen, die offensichtlich in großer Eile entsorgt
worden waren.
Hidalgo soll im großen Stil illegale Baulizenzen vergeben und
dafür Schmiergeld kassiert haben. Mehr als zwei Wochen saßen er und
der oberste Bauaufseher von Andratx, Jaume Gibert, in
Untersuchungshaft. Dann durften sie gegen Zahlung einer Kaution
nach Hause zu rückkehren.
Durch die neuesten Enthüllungen nimmt der Druck auf die
Balearen-Regierung weiter zu. Denn auch gegen den Minister für
europäische Angelegenheiten und den Generaldirektor für Raumordnung
wird im Rahmen des Korruptionsskandals ermittelt. Sogar
Ministerpräsident Jaume Matas geriet in die Schusslinie, als
bekannt wurde, dass er sich am Samstag vor der Razzia in Andratx
mit Hidalgo getroffen hatte. Auch Innenminister Rodríguez war bei
diesem Treffen anwesend.
Die Opposition nutzt derweil die Erklärungsnot der Regierung zu
massiven Angriffen - nicht nur die Sozialisten auch
Inselratspräsidentin María Antònia Munar forderte jetzt Rücktritt
des Innenministers. „Das wäre das Richtige", sagte sie am
vergangenen Dienstag. Vertreter der Volkspartei dagegen werfen den
Kritikern vor, den Skandal zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen: Im
kommenden Frühjahr finden auf den Balearen Regionalwahlen statt.
Ein Ende der Enthüllungen ist bisher nicht in Sicht. Laut Angaben
der Staatsanwaltschaft sind erst rund zehn Prozent des bei der
Razzia beschlagnahmten Beweismaterials ausgewertet.
Mehrere Dutzend Firmen und Privatpersonen sollen in den Skandal
verstrickt sein. Ob und wann es zum Prozess kommt, ist allerdings
noch völlig unklar.
Zumindest die Lösung eines Problems zeichnet sich nun allerdings
ab. Der Inselrat übernimmt vorübergehend die Aufgaben der
städtischen Baubehörde, die seit der Verhaftung des Bürgermeisters
und des Bauaufsehers praktische stillgelegt war. Als erste Maßnahme
kommen alle umstrittenen Baugenehmigungen auf den Prüfstand. Sollte
sich herausstellen, dass sie zu Unrecht erteilt wurden, droht der
Abriss der Gebäude. Außerdem hat sich Inselratspräsidentin Munar
dafür ausgesprochen, dass in Andratx vorübergehend gar keine
Baulizenzen mehr vergeben werden.
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