TW
0

Der Korruptionsskandal von Andratx zieht immer weitere Kreise. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen das vermeintliche Netzwerk aus Bestechung, illegalen Baugenehmigungen und Geldwäsche haben international für Aufsehen gesorgt. Die größte Überraschung der vergangenen Tage aber war die Nachricht von einem geheimen Treffen zwischen Ministerpräsident Jaume Matas und dem beschuldigten Bürgermeister Eugenio Hidalgo knapp zwei Tage vor Beginn der Polizeiaktion.

„Korruptionsskandal erschüttert Mallorca” – so oder ähnlich betitelten praktisch alle größeren spanischen und deutschen Tageszeitungen in den vergangenen Tagen ihre Berichte über die Machenschaften im Urlauberort Andratx. Im spanischen Fernsehen waren Neuigkeiten aus Mallorca tagelang Top-Nachrichten.

Vor allem eine Enthüllung sorgte für Wirbel: Wie am vergangenen Freitag bekannt wurde, hat sich der balearische Regierungschef Jaume Matas rund 40 Stunden vor Beginn der Polizeiaktion mit Bürgermeister Hidalgo getroffen. Erst auf gezielte Nachfragen der Journalisten gab er zu, mit dem Hauptbeschuldigten des Skandals im Regierungssitz in Palma gesprochen zu haben.

Da es so aussieht, als sei Hidalgo am Tag der Razzia im Rathaus von Andratx vorgewarnt gewesen, fiel nun auf Matas der Verdacht, er habe seinem Parteifreund einen Hinweis gegeben. Die Sprecherin der Sozialistischen Partei, Francina Armengol, bezichtigte Matas der Lüge und sprach ihm die Fähigkeit ab, öffentliche Ämter zu bekleiden. Die politischen Auseinandersetzungen rund um den Skandal nehmen zu – im kommenden Frühjahr finden Regionalwahlen statt.

Matas bestreitet vehement, Hidalgo vorgewarnt zu haben und Informationen über den „Fall Andratx” zurückzuhalten. „Ich bin nicht der Übeltäter”, sagt Matas. Vielmehr habe ihn der Bürgermeister bei dem Treffen darüber informiert, „dass in den nächsten Tagen etwas passieren” werde.

Auf welchem Weg die Information über die bevorstehende Polizeiaktion bei Hidalgo landete, ist also weiter ungewiss. Dass er vorgewarnt war, gilt dagegen als erwiesen: Mehrere Mitarbeiter des Rathauses hatten berichtet, Hidalgo habe am Morgen der Razzia schon Bescheid gewusst.

Außerdem fanden Polizisten bei ihren Ermittlungen haufenweise Aktenmaterial, das Unbekannte offensichtlich in großer Eile in Mülltonnen rund um das Rathaus entsorgt hatten. Nun werden die Überwachungskameras ausgewertet um zu klären, wer sich in den Tagen vor der Razzia dort zu schaffen machte.

Die Staatsanwaltschaft verhört derweil weiterhin Verdächtige und Zeugen. Die städtische Architektin des Küstenortes, Maribel Seguí Capó, sagte aus, vom Bürgermeister dazu gezwungen worden zu sein, gefälschte Gutachten über Bauprojekte zu unterzeichnen. Aussagen wie diese bewogen den ermittelnden Richter am vergangenen Donnerstag offenbar dazu, Hidalgo und den ebenfalls verhafteten städtischen Angestellten Jaume Massot in Untersuchungshaft zu schicken. Beim Haftprüfungstermin am vergangenen Montag erneuerte er dann diese Entscheidung.

Überraschend hatte der Richter dagegen den dritten Hauptbeschuldigten Jaume Massot, bisher Generaldirektor für Raumordnung bei der Balearen-Regierung, gegen Zahlung einer Kaution freigelassen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm allerdings weiterhin vor, gemeinsam mit den anderen Beschuldigten in ein korruptes Netzwerk verstrickt zu sein. Hidalgo, Gibert und Massot streiten aber auch weiterhin alle gegen sie erhobenen Vorwürfe ab.

Die Ermittlungen des Staatsanwalts Juan Carrau richten sich inzwischen gegen einen immer größeren Personenkreis. So hat er mehrere Dutzend Vertreter von Immobilienfirmen verhört, die von vermeintlich illegalen Baugenehmigungen profitiert haben könnten. Auch weitere Politiker werden nun verdächtigt, Immobilien in Andratx zu besitzen, bei deren Bau nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Gerüchte, die Staatsanwaltschaft plane auch Razzien in weiteren Rathäusern Mallorcas, blieben dagegen bisher unbestätigt.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war vor mehr als einem halben Jahr eine Anzeige des Inselrats wegen des vermeintlich illegalen Baus von 20 Mehrfamilienhäusern in dem Stadtteil Montport oberhalb von Port d'Andratx. Auch Umweltschützer kritisierten die Baupolitik des Bürgermeisters und stellten mehrere Dutzend Anzeigen. Trotz der Vorwürfe setzte die konservative Volkspartei (PP) weiter auf Hidalgo. Er sollte bei den anstehenden Wahlen wieder für das Bürgermeisteramt kandidieren.

Der Lebensstil der Beschuldigten weckte ebenfalls das Misstrauen der Staatsanwaltschaft. Woher sie das Geld für ihre teuren Autos, Kunstwerke und Immobilien nahmen, ist unklar. Die Polizei hat Gegenstände im Wert von angeblich sieben Millionen Euro sichergestellt. Ob dieses Geld tatsächlich aus illegalen Geschäften stammt, muss die Staatsanwaltschaft nun klären.