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Spanische Apotheker können sich derzeit entspannt zurücklehnen, während ihre deutschen Kollegen Sturm laufen gegen Europas größte Versandapotheke. Der Grund: Das Unternehmen hat Anfang Juli die erste Filiale in Saarbrücken eröffnet und bietet damit die Medikamente erstmals auch in einer Niederlassung an – zu günstigeren Preisen als in anderen Apotheken. Bisher hatte DocMorris Arzneimittel nur über das Internet verkauft.

In nur einem Monat sei der Umsatz der übernommenen alteingesessenen Apotheke glatt verdoppelt worden, sagte der Vorstandsvorsitzende von DocMorris, Ralf Däinghaus. Er habe den Erfolg erwartet, denn die Medikamentenpreise in Deutschland seien ein Skandal, so der Firmengründer.

Von „Dumpingpreisen” war schon die Rede, als das Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden sein Versandgeschäft 2000 eröffnete. Tatsache ist: Wer in Deutschland Arzneimittel bei DocMorris ordert, spart viel Geld – bei Rezepteinreichung die Hälfte der Zuzahlung, bei rezeptfreien Medikamenten bis zu 30 Prozent der üblichen Preise. Seitdem ist der europäische Versandhandel dem deutschen Apothekerverband ein Dorn im Auge, und mittlerweile laufen sie Sturm.

 

In den letzten sechs Jahren spannte DocMorris den deutschen Apothekern rund eine Dreiviertelmillion Kunden aus. Und die Klage, die Filiale aufgrund des deutschen Apothekengesetzes zu schließen, wurde abgewiesen. Es gelte die europäische Rechtsauffassung, wonach es erlaubt sei, Filialen im Ausland zu betreiben. Nun befürchten die deutschen Apotheker weitere Umsatzeinbußen.

Darüber können spanische Kollegen nur müde lächeln, denn mit hiesigen Preisen kann selbst DocMorris nicht mithalten. Vergleicht man europaweit die Medikamentenpreise, ist Spanien vor Griechenland das zweitgünstigste Land. An der Spitze steht die Schweiz, Deutschland liegt im 16–Länder–Vergleich an siebter Stelle.

Mallorquinische Apotheken profitieren unter anderem von den zahlreichen deutschen Besuchern. Nicht selten, so heißt es in der Apotheke Cano Rubi in Palma, decken sie sich im Urlaub mit den wesentlich günstigeren Arzneimitteln ein – von Aspirin bis zur Anti–Baby–Pille. Besonders die generischen Arzneimittel, Wirkstoffpräparate, deren Patent abgelaufen ist und die jeder Hersteller lizenzfrei zu einem eigenen Produkt verarbeiten darf, liegen in Spanien teilweise bis zu 70 Prozent unter dem deutschen Preis.

„Das Antibiotikum Amoxicillin, das hier zum Beispiel von der Firma Glaxo Smith Kline unter dem Namen Clamoxyl 500 (12 Kapseln) verkauft wird, kostet 2'40”, erläutert eine Apothekerin in Son Rapinya. In Deutschland dagegen wird kräftig zur Kasse gebeten. Hier kosten zehn Kapseln Amoxicillin 500 der Firma Heumann 11'24 Euro. Auch bei der ganz normalen Aspirin–Tablette von Bayer geht die Schere weit auseinander. Während die Spanier für 20 Stück 2'95 Euro bezahlen, kostet dieselbe Packung in Deutschland mit 4'85 Euro fast das Doppelte.

Dass verschreibungspflichtige Medikamente nur gegen Rezept verkauft werden dürfen, wird hier übrigens nach wie vor weitgehend ignoriert. Wer hier ein Antibiotikum kaufen will, kann dies in der Regel problemlos auch ohne Rezept bekommen.

Die Gründe für die Preisunterschiede zwischen Deutschland und Spanien liegen unter anderem in der gesetzlich geregelten Preisbildung. Im verschreibungspflichtigen Bereich gibt es eine Preisbindung, bei rezeptfreien Medikamenten steht es dem deutschen Apotheker allerdings frei, den Verkaufspreis zu bestimmen. Obwohl sich die meisten an die unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller halten, kann es Unterschiede geben. „Das ist hier in Spanien unmöglich, jeder Hersteller druckt den vorgegebenen Preis auf die Packung”, erklärt Apothekerin Serafina Cano.

Hauptgrund für die hohen Preise in Deutschland sind jedoch laut einer Studie des norwegischen Verbandes für Arzneimittelhersteller die hohen Großhandels– und Apothekenzuschläge, denn der Herstelleranteil macht in Deutschland nur 55 Prozent des Endverbraucherpreises aus. Mit 45 Prozent Aufschlägen und Mehrwertsteuer liegt dieser Anteil in Deutschland höher als in allen anderen europäischen Ländern.

Händler wie DocMorris witterten hier zurecht ein gutes Geschäft, und deutsche Politiker und Gesundheitsexperten begrüßen den Ansatz der Versand–Apotheke sogar, weil es Geld spart und für mehr Wettbewerb sorgt. Sowohl die Patienten als auch das gesamte Gesundheitswesen würden damit entlastet, sagte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel.

Spanische Kunden wird der Internet-Anbieter wohl nicht bekommen, aber vielleicht trägt er zu „spanischeren Verhältnissen” in der deutschen Medikamenten–Landschaft bei.

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