Er erinnert sich an Zeiten, als auf der anderen Seite der Bucht
nur vier Häuser standen. Heute reiht sich in der Ferne eine Villa
an die andere. „Einmal habe ich 28 Baukräne zur gleichen Zeit
gezählt”, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung
lesen will. Er befürchtet Repressalien: Denn in seiner
Nachbarschaft, hoch über der Cala Llamp im Südwesten Mallorcas,
gehen merkwürdige Dinge vor sich. Eines Morgens rollten die
Maschinen an und die Arbeiter begannen, das kleine Waldstück in der
Nachbarschaft zu roden. Innerhalb von nicht mehr als vier Wochen
zogen sie die Gerippe zweier Wohnblöcke in die Höhe. Den Anwohnern
ist jetzt die spektakuläre Aussicht auf die malerische Bucht
versaut. „Der Bau ist illegal”, sagt er.
Der ehemals von Kiefern bewachsene Flecken ist laut
Katasterauszug Suelo rústico und darum eigentlich nicht zur
Bebauung gedacht, bestätigt der Umweltverband Grup Balear
d'Ornitologia i Defensa de la Naturalesa (GOB), der den Fall prüft
und jetzt vor Gericht Baustopp und Abriss der Betonklötze fordern
will.
Es ist aber längst kein Einzelfall, was da an der Küste von
Andratx vor sich geht. Illegale Baugenehmigungen gehören
offensichtlich zum Alltag in der Gemeinde am Südwestzipfel
Mallorcas. Nicht nur die Umweltschützer, selbst der Inselrat will
nicht länger schweigend zusehen und hat jetzt beschlossen, eine
Verwaltungsklage gegen das Ayuntamiento von Andratx einzureichen:
In Monport entstehen zurzeit 20 Mehrfamilienhäuser, 16 von ihnen
stehen angeblich auf Suelo rústico. Die Baugenehmigung sei illegal,
lautet die Kritik, was Bürgermeister Eugenio Hidalgo (Partido
Popular) allerdings empört von sich weist. Auch die Opposition habe
die Baugenehmigung schließlich abgesegnet.
Als wollte er ein Zeichen setzen, hat er jetzt ein Moratorium in
Andratx durchgesetzt: Zwölf Monate lang wird die Stadtverwaltung
nun keine Baugenehmigungen mehr für Mehrfamilienhäuser direkt an
der Küste vergeben. Eine Verlängerung um ein weiteres Jahr ist
möglich. Laut Hidalgo geht es darum, den hohen Bebauungsdruck
abzuschwächen, der auf dem Küstenstreifen laste. Pikant: Nur knapp
zwei Wochen vor der Entscheidung hatte die Verwaltung den Bau eines
Apartment-Gebäudes in Cala Moragues genehmigt – Begünstigter soll
eine Firma sein, mit der Bürgermeister Hidalgo eng verbandelt ist.
Die Opposition wirft ihm nun vor, er habe sein Amt dazu benutzt,
sich Vorteile zu verschaffen. Statt lediglich keine neuen
Baugenehmigungen zu erlassen, sollte die Regelung rückwirkend für
alle in diesem Jahr erteilten Lizenzen gelten, fordern die Gegner
des Moratoriums.
Schwer unter Beschuss ist auch Antonio del Olmo (Partido
Popular), Bürgermeister von Santa Margalida im Inselnorden. Er soll
Schmiergeld angenommen und dafür Baugenehmigungen vergeben haben –
es existiert gar ein Tonband, das die Abwicklung eines dieser
Geschäfte beweisen könnte. Del Olmo leugnet allerdings,
Bestechungsgeld angenommen zu haben. Die Stimme auf dem Band sei
nicht seine.
Die Jagd nach Baugenehmigungen nimmt also nicht nur in Andratx
immer groteskere Züge an, dort sind allerdings die Folgen besonders
sichtbar: Kaum ein Hügel ist zu steil, kaum eine Klippe zu schmal,
als dass dort nicht doch noch eine Villa Platz fände. „Einige Berge
sind schon sehr vollgebaut”, sagt Immobilienunternehmer Lutz
Minkner. „Wenn man von unten hochguckt, ist es nicht die reine
Freude. Von oben aber hat man mit die schönsten Aussichten auf der
ganzen Insel.”
Das wissen vor allem deutsche Residenten zu schätzen. Laut
Stadtverwaltung von Andratx sind in Port d'Andratx 650 Deutsche
gemeldet – bei insgesamt 2830 Einwohnern. Der Weg in den Küstenort
führt an einem Bioladen vorbei und an den großformatigen
Werbetafeln der deutschen Immobilientunternehmer. Am Hafenbecken
nippen deutsche Touristen an ihrem Capuccino. Nachwievor scheint
die Nachfrage nach Immobilien enorm zu sein, Port d'Andratx ist
einer der teuersten Standorte auf der Insel. Lutz Minkner wagt gar
die Prognose, dass der Ort „seinen Stellenwert immer behalten
wird”.
Gerald Hau vom GOB bezweifelt das. Der Umweltschützer rechnet
damit, „dass die Immobilienblase platzen wird. Die Nachfrage wird
einbrechen und viele werden Mallorca verlassen, weil die Insel
zugebaut ist”. Daran werde auch das Moratorium in Andratx nichts
ändern. Ohnehin sei das nur ein politischer Schachzug der
Stadtverwaltung, um aus der Schusslinie zu kommen. Das Moratorium
gilt nur für die Küstenorte und auch nur für Apartment-Häuser. Und
schließlich ist ein Moratorium eben nichts anderes als ein
Aufschub: Wo gebaut werden darf, wird auch gebaut. Ob jetzt oder in
einem Jahr ist zweitrangig – so sieht das der Naturschutzverband.
„Das Paradies wird kleiner”, sagt der Mann vom Hang in der Cala
Llamp. „So ist das nun einmal: Jeder will ins Paradies.”
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.