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JONAS MARTINY

Er erinnert sich an Zeiten, als auf der anderen Seite der Bucht nur vier Häuser standen. Heute reiht sich in der Ferne eine Villa an die andere. „Einmal habe ich 28 Baukräne zur gleichen Zeit gezählt”, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er befürchtet Repressalien: Denn in seiner Nachbarschaft, hoch über der Cala Llamp im Südwesten Mallorcas, gehen merkwürdige Dinge vor sich. Eines Morgens rollten die Maschinen an und die Arbeiter begannen, das kleine Waldstück in der Nachbarschaft zu roden. Innerhalb von nicht mehr als vier Wochen zogen sie die Gerippe zweier Wohnblöcke in die Höhe. Den Anwohnern ist jetzt die spektakuläre Aussicht auf die malerische Bucht versaut. „Der Bau ist illegal”, sagt er.

Der ehemals von Kiefern bewachsene Flecken ist laut Katasterauszug Suelo rústico und darum eigentlich nicht zur Bebauung gedacht, bestätigt der Umweltverband Grup Balear d'Ornitologia i Defensa de la Naturalesa (GOB), der den Fall prüft und jetzt vor Gericht Baustopp und Abriss der Betonklötze fordern will.

Es ist aber längst kein Einzelfall, was da an der Küste von Andratx vor sich geht. Illegale Baugenehmigungen gehören offensichtlich zum Alltag in der Gemeinde am Südwestzipfel Mallorcas. Nicht nur die Umweltschützer, selbst der Inselrat will nicht länger schweigend zusehen und hat jetzt beschlossen, eine Verwaltungsklage gegen das Ayuntamiento von Andratx einzureichen: In Monport entstehen zurzeit 20 Mehrfamilienhäuser, 16 von ihnen stehen angeblich auf Suelo rústico. Die Baugenehmigung sei illegal, lautet die Kritik, was Bürgermeister Eugenio Hidalgo (Partido Popular) allerdings empört von sich weist. Auch die Opposition habe die Baugenehmigung schließlich abgesegnet.

Als wollte er ein Zeichen setzen, hat er jetzt ein Moratorium in Andratx durchgesetzt: Zwölf Monate lang wird die Stadtverwaltung nun keine Baugenehmigungen mehr für Mehrfamilienhäuser direkt an der Küste vergeben. Eine Verlängerung um ein weiteres Jahr ist möglich. Laut Hidalgo geht es darum, den hohen Bebauungsdruck abzuschwächen, der auf dem Küstenstreifen laste. Pikant: Nur knapp zwei Wochen vor der Entscheidung hatte die Verwaltung den Bau eines Apartment-Gebäudes in Cala Moragues genehmigt – Begünstigter soll eine Firma sein, mit der Bürgermeister Hidalgo eng verbandelt ist. Die Opposition wirft ihm nun vor, er habe sein Amt dazu benutzt, sich Vorteile zu verschaffen. Statt lediglich keine neuen Baugenehmigungen zu erlassen, sollte die Regelung rückwirkend für alle in diesem Jahr erteilten Lizenzen gelten, fordern die Gegner des Moratoriums.

Schwer unter Beschuss ist auch Antonio del Olmo (Partido Popular), Bürgermeister von Santa Margalida im Inselnorden. Er soll Schmiergeld angenommen und dafür Baugenehmigungen vergeben haben – es existiert gar ein Tonband, das die Abwicklung eines dieser Geschäfte beweisen könnte. Del Olmo leugnet allerdings, Bestechungsgeld angenommen zu haben. Die Stimme auf dem Band sei nicht seine.

Die Jagd nach Baugenehmigungen nimmt also nicht nur in Andratx immer groteskere Züge an, dort sind allerdings die Folgen besonders sichtbar: Kaum ein Hügel ist zu steil, kaum eine Klippe zu schmal, als dass dort nicht doch noch eine Villa Platz fände. „Einige Berge sind schon sehr vollgebaut”, sagt Immobilienunternehmer Lutz Minkner. „Wenn man von unten hochguckt, ist es nicht die reine Freude. Von oben aber hat man mit die schönsten Aussichten auf der ganzen Insel.”

Das wissen vor allem deutsche Residenten zu schätzen. Laut Stadtverwaltung von Andratx sind in Port d'Andratx 650 Deutsche gemeldet – bei insgesamt 2830 Einwohnern. Der Weg in den Küstenort führt an einem Bioladen vorbei und an den großformatigen Werbetafeln der deutschen Immobilientunternehmer. Am Hafenbecken nippen deutsche Touristen an ihrem Capuccino. Nachwievor scheint die Nachfrage nach Immobilien enorm zu sein, Port d'Andratx ist einer der teuersten Standorte auf der Insel. Lutz Minkner wagt gar die Prognose, dass der Ort „seinen Stellenwert immer behalten wird”.

Gerald Hau vom GOB bezweifelt das. Der Umweltschützer rechnet damit, „dass die Immobilienblase platzen wird. Die Nachfrage wird einbrechen und viele werden Mallorca verlassen, weil die Insel zugebaut ist”. Daran werde auch das Moratorium in Andratx nichts ändern. Ohnehin sei das nur ein politischer Schachzug der Stadtverwaltung, um aus der Schusslinie zu kommen. Das Moratorium gilt nur für die Küstenorte und auch nur für Apartment-Häuser. Und schließlich ist ein Moratorium eben nichts anderes als ein Aufschub: Wo gebaut werden darf, wird auch gebaut. Ob jetzt oder in einem Jahr ist zweitrangig – so sieht das der Naturschutzverband. „Das Paradies wird kleiner”, sagt der Mann vom Hang in der Cala Llamp. „So ist das nun einmal: Jeder will ins Paradies.”