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Fußball so weit das Auge blickt: Auch auf Mallorca ist WM. An der Playa de Palma feierten am vergangenen Mittwoch Tausende Deutsche den zweiten Turnier-Sieg, während eine Handvoll Polen mit ihrer Mannschaft trauerte. MM war hautnah dabei. Ein Protokoll.

20.32 Uhr: Halbe Stunde vor Anpfiff. Wer jetzt kommt, kommt zu spät. Die Party-Meile an der Playa de Palma ist fest in deutscher Hand, die besten Plätze vor den Großbildleinwänden sind längst besetzt. Der Grillmeister am Mega-Park preist lautstark seine „Siegerwurst” an.

20.47 Uhr: Christian aus Dessau hat ein Problem: Sein zwei Meter langer Strohhalm funktioniert nicht. Seine drei Kollegen saugen eifrig Sangría aus dem Eimer. Zwischendurch holen sie Luft und singen Fußballlieder.

21.00 Uhr: Anpfiff. Der Mega-Park ist ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer.

21.03 Uhr: In der Lobby des Drei-Sterne-Hotels Ipanema in Arenal bricht Unruhe aus. Zwei Dutzend polnische Gäste warten vergebens darauf, dass der spanische TV-Sender La Sexta das Spiel zeigt. Hektisch zappt jemand alle Programme durch. Der Kick ist nicht zu empfangen.

21.05 Uhr: Hektisch stürmen die polnischen Hotelgäste auf die Straße, auf der Suche nach einem Lokal, in dem das Spiel zu sehen ist.

21.09 Uhr: In der ersten Hotelbar in Arenal ist kein Platz mehr, und der Fernseher ist winzig. Endlich findet sich um die Ecke eine kleine spanische Bar. Spanisch-kommentiert läuft auf Digital Plus das Spiel. Polen-Deutschland 0:0, Schuss, Torwart Kusczak hält. Applaus. Vier Bier werden bestellt.

21.14 Uhr: Dieter aus Hamburg fängt wieder an zu rauchen. „Eigentlich habe ich damit aufgehört”, sagt er und steckt sich eine Zigarette an. Dieter steht am Sandstrand und hat einen Panaromablick auf die Riesen-Videowand vor dem Mega-Park. In dem Feier-Tempel sind die Schlachtgesänge verstummt. Das Spiel plätschert vor sich hin. Der Boden ist klebrig.

21.17 Uhr: Sechs junge Polen starren gebannt auf den Schirm. Der Deckenventilator verquirlt die Hitze. Der Wirt wischt sich mit dem Handtuch den Schweiß von Kinn, Stirn und Nase. Freistoß für Polen. Kollektives „Aaaaaahhh”. Wieder nix.

21.30 Uhr: Inge, Birgit, Erika und Marina haben Spaß. Die vier Damen haben sich in volle Fanmontur geschmissen und sind bester Laune. „WM auf Mallorca ist viel besser als in Deutschland”, sagt Inge: „Hier ist nämlich live.” Das Quartett schlürft ein Likör-Milch-Gemisch und genießt das Gedränge.

21.34 Uhr: Eine Fliege setzt sich auf den Bildschirm in der kleinen Bar. Ein alter Spanier schiebt sich an den Tresen. „Buenas tardes, Juan”, begrüßt er den Wirt. „Wer spielt da, Deutschland-Frankreich?” „Nein, Deutschland-Polen”. „Ach so, Polen”.

21.46 Uhr: Halbzeit. Marcin Kikut, 22, selbst Profispieler bei Erstligist Lech Poznan, gönnt sich ein Eiswasser. Eine Woche Urlaub in Arenal hat er hinter sich. „Mallorca ist phantastisch.” Noch in der Nacht geht es zurück nach Polen. Es war sein erster Spanien-Besuch. Gerne würde er hier berufsmäßig kicken.

21.59 Uhr: „Ihr könnt nach Hause fahr'n” – der Optimismus der deutschen Fans ist zur Pause ungebrochen. Aus den Boxen dröhnt Party-Musik.

22.10 Uhr: Klinsmanns Team wird immer stärker. In der Bar machen sich die Polen singend Mut: „Polska top, Polska top”.

22.14 Uhr: Gelb für Ballack: Jubel bei Polen und Spaniern in der Bar. „A la calle” (Hinaus mit ihm), fordert ein Mann. Schrilles Pfeifkonzert im Mega-Park.

22.31 Uhr: Odonkor, Metzelder – die gelben Karten häufen sich für die deutschen Spieler. Plötzlich Rot für Polens Sobolewski. Blankes Entsetzen in den Augen der jungen Polen. Jubel an der Playa.

22.36 Uhr: Schlussphase. Ein deutsches Fernsehteam interviewt Fans am Ballermann. Auf dem Rasen ackern zehn Polen gegen elf anstürmende Deutsche. Eine eine junge Polin verkrallt ihre lackierten Fingernägel ineinander.

22.47 Uhr: Zweimal trifft der Ball die polnische Latte. Landet im Tor. Umarmungen am Strand. Heilloses Schreien in der Bar. Abseits. Das Tor zählt nicht. Jubel bei den Polen: Es wird unentschieden ausgehen.

22.48 Uhr: Die deutschen Fans schicken ihre Anfeuerungen in die mallorquinische Nacht. Bloß nicht nachlassen.

22.49 Uhr: Tor für Deutschland in der Nachspielzeit. Bier spritzt, die Masse tobt. Fassungslosigkeit in der Bar. Dann rennt ein junger Pole fluchend davon. Seine Freundin ist wie versteinert.

22.51 Uhr: Abfiff. Zerknirscht verlassen die Polen die Bar. Niemanden hält es am Ort der Niederlage. „Puta Alemania”, presst der Wirt zwischen den Zähnen hervor.

23.15 Uhr: Bei den deutschen Fans denkt niemand daran, nach Hause zu gehen. „Wir machen heute richtig einen drauf”, sagt Christian aus Dessau. Fans tanzen auf den Tischen. Eine Frau mit Besen kehrt Glasscherben zusammen. „Keine Zwischenfälle”, sagt der Polizist auf Streife. „Benehmen sich sehr gut, die Deutschen.”

Protokoll: Jonas Martiny (Deutschland), Alexander Sepasgosarian (Polen)