Sie gibt den Opfern des Bürgerkrieges, den Ermordeten und und
Hingerichteten, eine Stimme. Seit über zwei Jahren veröffentlicht
die Journalistin Margalida Capellà im Sonntagsteil der spanischen
Tageszeitung „Ultima Hora” Interviews mit den Angehörigen und
Hinterbliebenen. Die Antworten der Menschen, meist schon biblischen
Alters, lassen jede Woche aufs neue erkennen: Auch fast 70 Jahre
nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939), den Franco
und seine Generalskollegen losgetreten hatten, ist der Schmerz über
den Verlust von geliebten Menschen nicht vergangen.
Alte Damen berichten zaghaft, wie ihre Männer oder Verlobten
nach der Festnahme für immer spurlos verschwanden. Senioren
erzählen, wie sie als Kind mitansehen mussten, wie ihre Väter teils
von den eigenen Nachbarn abgeführt wurden, wie sie Essen ins
Gefängnis trugen, bis die Väter erschossen waren. Meist ist es das
erste Mal, dass die Angehörigen ihr Schweigen brechen. „Es sind
teils so schockierende Erlebnisse, dass sie schlicht irreal
erscheinen”, sagt Margalida Capellà, deren Vater selbst inhaftiert
gewesen war.
Genaue Angaben über die Getöteten gibt es bis heute kaum.
Historiker schätzen die Zahl allein auf Mallorca auf 2000 bis 3000.
Exekutiert, meist ohne Gerichtsverfahren, wurden Politiker,
Gewerkschafter, Freidenker, Lehrer, die Bürgermeister in den
Gemeinden der Insel. Ein jeder, der den neuen Machthabern nicht
genehm war, hatte den Tod zu fürchten.
Wie schwer der Umgang mit der Vergangenheit auf Mallorca ist,
zeigt sich beispielhaft daran, dass in Manacor, wo sehr viele
Hinrichtungen stattfanden, der Stadtrat sich in all den Jahren
nicht bereitfand, den Opfern ein Denkmal zu setzen. Vergeblich
hatte der mittlerweile verstorbene Alt-Republikaner aus Manacor,
Andreu Pascual, immer wieder versucht, das Rathaus für ein von ihm
geschaffenes Kunstwerk zu erwärmen. Vor zwei Jahren wurde es
schließlich unweit der Kläranlage – in Calvià – aufgestellt. Dort
wurde das schlichte Eisen-Mahnmal wiederholt zum Ziel von
Anschlägen.
Vor einigen Monaten beschloss der Stadtrat von Manacor nun, die
franquistische Siegelsäule von Porto Cristo abtragen zu lassen. (An
der Stelle hatte das einzige nennenswerte Gefecht während des
Bürgerkrieges auf der Insel stattgefunden). Mit dem Abriss, so
scheint es, will das Rathaus von Manacor die Vergangenheit eher
ausradieren als aufarbeiten.
In anderen Gemeinden Mallorcas wie Palma, Pollença und Costitx
wurden die hingerichteten Bürgermeister der Republik in schlichten
Zeremonien posthum zu Ehrenbürgern ernannt.
Der deutsch-spanische Historiker Carlos Collado Seidel, der
derzeit ein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg schreibt
(erscheint im Frühjar 2006 bei Beck), hat landesweit eine
„Erinnerungskultur”, eine Tendenz zur Aufarbeitung registriert.
„Die Beschäftigung mit den tabuisierten Themen nimmt zu. Das ist
ein Zeichen von Reife.” Carlos Collado zerpflückt in seinen Werken
unter anderem die Legende von der „weichen” Diktatur Francos. „Es
gab bis zum Ende Repressionen, polizeistaatliche Überwachung und
Hinrichtungen. Das war bis zum Schluss eine harte Diktatur.”
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