Standing ovations, habe sein alter „Lieblingsfeind” Max Greger
mal gesagt, seien nicht lebensnotwendig: „Aber sie tun so gut!” Die
Freude über das gelungene Konzert seines Jazz-Trios in Son Bauló in
Lloret de Vistalegre am vergangenen Samstag steht Paul Kuhn im
Gesicht geschrieben. Nach gut zwei Stunden bestem Jazz-Sound und
drei Zugaben klatschen rund 180 Gäste begeistert Beifall. Noch ein
letzter Abschiedssong, „Prelude to a kiss” von Duke Ellington, dann
verlässt der kleine Mann im cremefarbenen Anzug endgültig die
Bühne.
Auf Mallorca ist Paul Kuhn, kaum zu glauben, zum ersten Mal,
doch nach dem Konzert steht für ihn wie für seine Frau Ute fest: Es
war bestimmt nicht das letzte Mal. Zu gut gefällt den beiden auf
Anhieb die Insel und ihre gastfreundlichen Menschen: „Wir sind hier
sehr herzlich aufgenommen worden.” Vom Besucheransturm wurde
Son-Bauló-Inhaber Will Kaufmann selbst überrascht. In Deutschland
spielt Paul Kuhns Jazz-Trio mit dem Drummer Willy Ketzer und dem
Bassisten Paul G. Ulrich bzw. Jens Folty, der diesmal aus
Termingründen kurzfristig einsprang, in ausverkauften Häusern.
Wenigstens zwei Monate im Jahr hält Paul Kuhn nichts mehr in
seinem Heimatort Lenzer Heide, einem bekannten Schweizer Skigebiet.
Dann geht der 77jährige mit der SWR Big Band on tour und mischt
gemeinsam mit zwei weiteren jung gebliebenen Bandleadern, dem
Tenorsaxophonisten Max Greger (78) und dem Klarinettisten Hugo
Strasser (82) das Publikum auf. Swing-Legenden-Revivals allein
reichen ihm aber nicht. Paul Kuhn liebt, wie er im MM-Gespräch
erzählt, die „Wechselwirkung” zwischen den verschiedenen
Konzertformen: „Nach der Big Band freue ich mich wieder auf ein
Jazz-Trio, wo man kammermusikalisch spielen kann.”
Von dieser Freude wie auch dem perfekten Zusammenspiel der drei
Musiker konnten sich die Besucher in Son Bauló Samstag persönlich
überzeugen. Ob romantisch wie Charles Trenets „I wish you love”,
beschwingt verswingt bei Wave und Bossa Nova, ob zurück in die 40er
Jahre zu Charlie Parkers „Antholgy”, wunderbar pur beim Klaviersolo
„Over the rainbow” oder in seiner „Hommage” an Ehefrau Ute, die am
Vortag Geburtstag hatte („How deep is the ocean?”) – da sind
Vollprofis am Werk.
Der Mann am Klavier ist nicht nur Sänger, Pianist und
Band-Leader, er komponiert und arrangiert auch, und auf nichts
davon möchte er verzichten. Wobei, wie er sagt, er keinem Musiker
mehr zu dem Beruf raten könne, weil es „mit der Musik in
Deutschland den Bach runtergeht”: „Was heute produziert wird, ist
kalte Musik – am PC entstanden, von Jungs und Mädels, sogenannten
„Superstars”, vorgetragen und von Flaschen kommentiert, die davor
stehen und sagen: „Du siehst heute Scheiße aus.”
Die Zeiten haben sich halt geändert, seit Paul Kuhn als
Sechsjähriger von seinem Patenonkel ein Akkordeon geschenkt bekam,
in die Tasten griff und „sofort wusste, wo die Töne sitzen.” So
fing alles an, und einen Traum hätte er vielleicht noch: „Eine
Aufnahme mit einem großen Streich-Orchester.” Ansonsten müsse er
sich nichts mehr beweisen. Ein Motto hat er nicht, sein Leben ist
die Musik: „Ich habe mit ihr gelebt, von ihr, durch sie. Sie hat
mich nie belogen und nie betrogen,” sagt er. „Es endet immer alles
bei der Musik.”
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