Nach Jahren des Stillstands ist in diesem Tagen erstmals wieder
Bewegung in den Fall der Ermordung des Wirts Manfred Meisel, seines
Sohnes Patrick und der Angestellten Claudia Leisten gekommen. Die
Bluttat hat 1997 mit der Schlagzeile „Massaker am Ballermann” für
großes Aufsehen gesorgt. Erstmals hat jetzt Daiana Ritter, die
Lebensgefährtin Meisels und Mutter des gemeinsamen Sohnes Patrick,
mit MM über ihr Leben nach dem Verbrechen gesprochen.
Auslöser für die neuen Meldungen war ein Raub wertvoller Vögel
auf der Finca des Opfers, die sich nach wie vor im Besitz Daiana
Ritters befindet (siehe nebenstehenden Bericht). Daraufhin
recherchierte Pep Matas, Polizeireporter bei MM-Schwesterzeitung
„Ultima Hora” – und zapfte eine alte Quelle an.
Nach diesen Informationen sucht die Polizei über Interpol
Personen, die sie als Täter verdächtigt. Offiziell handelt es sich
um eine „Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung” Bislang hieß es
immer, dass es keine konkrete Spur gebe. Offiziell bleiben die
Behörden in Deutschland und Spanien bei dieser Version,
möglicherweise, um die Fahndung nicht zu gefährden. Deswegen wird
auch die Identität der Gesuchten nicht bekanntgegeben.
Laut „Ultima Hora” spielte sich der dreifache Mord in der Nacht
vom 11. auf den 12. November 1997 ab wie folgt: Die Täter drangen
auf das Grundstück in S'Aranjasse ein und gelangten durch ein
Fenster in das Haus. Sie wollten „nur” Bargeld rauben, das, wie
viele Menschen wussten, in großen Mengen in dem Haus aufbewahrt
wurde.
Der damals achtjährige Patrick hat sie anscheinend gehört und
wurde mit zwei Kopfschüssen getötet. Anschließend fesselten sie
Meisel, der auf dem Sofa im Wohnzimmer eingeschlafen war, und die
Angestellte Leisten, die sich in einem Nachbargebäude aufhielt,
anschließend töteten sie auch die beiden Erwachsenen mit
Kopfschüssen. Dann flohen sie in Panik, ohne ihre Raubpläne
durchzuführen.
Es handelte sich also weder um ein Verbrechen der Mafia noch um
einen Racheakt. Daiana Ritter und Sven Massinger, damals
Geschäftsführer im Bierkönig, sehen dadurch ihre Meinung bestätigt.
„Ich habe schon immer bezweifelt, dass es die Mafia war, weil wir
nie bedroht wurden”. Die jetzt veröffentlichte Geschichte „passt zu
unseren Eindrücken”. Die großen Mengen Bargeld, die zurückgelassen
wurden, verwundern Sven Massinger nicht: „Das meiste lag im Safe,
den hat auch die Polizei erst gefunden, als ich ihn ihr
zeigte.”
Alle diesbezüglichen Aussagen seien von Leuten gekommen, die
Meisel kaum gekannt hätten – ob Wurstfabrikant Horst Abel,
Autovermieter Hasso Schützendorf oder alle anderen, die von
Schutzgelderpressung oder Drohungen gesprochen hätten, so Ritter.
„Alle, die es nötig hatten, redeten mit der Presse”, so Ritter.
Vier Jahre hatten Daiana und Sven nichts neues über den Fall
gehört. Als Massinger telefonisch davon erfährt, ist er „wie
festgefroren, mir liefen die Tränen”. Beide hoffen, dass der oder
die Täter gefasst werden.
Immerhin zermartert sich Daiana nicht mehr ständig den Kopf.
„Die ersten zwei, drei Jahre habe ich ununterbrochen über das Wer,
Wie und Warum Gedanken nachgedacht”. Schließlich „habe ich damals
alles verloren: Meinen Mann, mein Kind, meine Arbeit”. 13 Jahre war
sie mit Manfred zusammen, in Frankfurt hatten sie sich
kennengelernt, 1990 gemeinsam nach Mallorca gezogen.
Jetzt ist ein bisschen Frieden eingekehrt. Aber keine Ruhe: Die
beiden Kinder toben durch die Wohnung, spielen mit Hund und Katze,
aus einem Zimmer krächzen Papageien. Zu den Jahrestagen – den
Geburtstagen, dem Todestag – kommt alles wieder hoch, auch
ansonsten vergeht kein einziger Tag, an dem sie nicht an ihren Sohn
oder Lebensgefährten denkt.
Das liegt auch an Florian. Mit dem Sohn war sie im fünften Monat
schwanger, als die Tat geschah. Heute ist er anderthalb Jahre
jünger als Patrick, als er ums Leben kam. Und sieht ihm von Tag zu
Tag ähnlicher. „Wahnsinn” sagt Daiana dazu nur. Noch weiß der
aufgeweckte Junge nichts vom Schicksal seines Vaters und Bruders.
Vor zwei Montaten hat ihm die Mama immmerhin erklärt, dass sein
leiblicher Papa bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.
Sven Massinger und sie haben noch eine gemeinsame Tochter, doch
ein Paar sind sie nicht mehr: „Schon seit drei Jahren sind wir
getrennt”, so Massinger, „das kann man bei der Gelegenheit auch mal
klarstellen”. Nach wie vor sind sie Geschäftspartner, betreiben
gemeinsam eine Gaststätte.
Nach einem bitteren Streit mit Meisels erwachsenen Töchtern
konnte Daiana das Erbe für ihren gemeinsamen Sohn sichern. Dennoch
arbeitet sie, „weil ich mich ablenken muss. Wenn ich den ganzen Tag
zu Hause sitze, denke ich nur nach”, erklärt sie.
Die Finca, auf der die Tat geschah, gehört hier noch. „Lange
konnte ich mich davon nicht trennen”, sagt sie, „mittlerweile bin
ich so weit, sie zu verkaufen”. Auf dem Grundstück verfällt alles,
der Unterhalt ist ihr zu teuer. Sie mag dort auch nicht sein,
„schon wenn ich durch das Tor fahre, bekomme ich Beklemmungen”.
Auf Mallorca bleibt sie trotz aller Erinnerungen. Sie hat
versucht, die Insel zu verlassen. „Aber ich konnte nicht, das graue
Novemberwetter habe ich nicht ausgehalten.”
Sie führt einen Haushalt mit fröhlichen Kindern. Und mit einem
Schatten, von dem sie hofft, dass er irgendwann verschwindet.
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