Insel-Hotelier greift nach Reise-Riesen”, so lautete die
MM-Schlagzeile am 20. August. Die Geschichte: Barceló wolle von der
Westdeutschen Landesbank die TUI-Anteile übernehmen. Um diese nicht
gerade freundliche Übernahme zu verhindern, war TUI-Vorstandschef
Michael Frenzel zu einem Blitzbesuch auf die Insel gekommen, um mit
Hotelpartner RIU die Verteidigungsstrategie abzusprechen.
Die Überlegungen waren erfolgreich, denn am Mittwoch morgen
wurde bekannt, dass die Geschwister Luis und Carmen Riu über eine
private Gesellschaft 9'9 Prozent an der TUI AG übernehmen. Die
West-LB hatte zuvor ihr 31'3-Prozent-Paket an dem Urlaubs-Multi in
zwei Teilen an die Deutsche Bank abgegeben. Das Geldhaus hat dann
17'3 Prozent an eine Gruppe um die Riu-Familie weitergegeben. Dazu
gehören die Bank Caja de Ahorros de Mediterráneo (CAM) sowie Grupo
de Empresas Matutes. Letzteres ist das Firmenimperium des
ehemaligen spanischen Außenministers, dem Ibicenco Abel Matutes, zu
dem unter anderem Fiesta Hotels & Resorts gehört.
Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, heißt es in
diversen Mitteilungen. Doch die CAM erklärt, 155 Millionen Euro für
4'9 Prozent an die Deutsche Bank gezahlt zu haben. Daraus lässt
sich schließen, dass die Rius etwa 310 Millionen und Matutes zirka
75'5 Millionen Euro berappt haben müssen.
Auf Mallorca haben sich sowohl Politiker als auch Unternehmer
sehr zufrieden mit der Übernahme gezeigt (siehe Kasten). Die aus
dem Rennen geschlagenen kanarischen Hotelgruppen Lopesan und
Satocán hatten vor, die Strategie der TUI mitzubestimmen und mehr
Touristen nach Spanien zu senden. Auch Barceló war mit diesem Plan
an eine Übernahme herangetreten, hatte dann aber die Segel
gestrichen.
Luis und Carmen Riu sind mit ihrem Zehn-Prozent-Anteil jetzt die
größten Einzelaktionäre bei der TUI. Inwieweit sie ihren Einfluss
geltend machen werden, bleibt abzuwarten. Carmen Riu sagt bislang
nur, dass sie, „wenn gewünscht”, einen Vertreter in den
Aufsichtsrat entsenden werde.
Spanische Vertreter im Aufsichtsrat – das wird für die deutschen
Touristiker so oder so eine neue Erfahrung. Zumal die TUI AG vor
wenigen Jahren noch Preussag hieß und als Mischkonzern deutsche
Industrie-Tradition par excellence verkörperte.
Durch die Einschaltung der Deutschen Bank als Zwischenhändler
und die Splittung des Aktienpakets in zwei Teile haben West LB und
die Rius vermieden, den restlichen Aktionären ein Pflichtangebot zu
machen, das nach deutschem Recht bei einem Anteil von mehr als 30
Prozent vorgeschrieben ist. Die verbleibenden 14 Prozent der
Anteile hat die Deutsche Bank in einem Bieterverfahren an
institutionelle Anleger verkauft; gut für die TUI AG ist hier die
Tatsache, dass diese Aktien künftig für die Berechnung des
DAX-Werts der TUI hinzugezogen werden und der Verbleib in diesem
wichtigen Börsenindex so viel leichter fällt.
Was Michael Frenzel wohl am meisten zupass kommen würde: Alles
bleibt so, wie es war. Mit den Rius bekommt er immerhin einen
Partner, auf den er sich verlassen kann. Die enge Zusammenarbeit
der Hoteliersfamilie mit der TUI geht auf das Jahr 1993 zurück, als
eine gemeinsame Betreibergesellschaft gegründet wurde. Gründer Luis
Riu Sr. hat mit Dr. Tigges Reisen, die später in der TUI aufgingen,
in den 50er Jahren den Charter– und Pauschaltourismus auf Mallorca
als Pionier mitentwickelt.
Die CAM verfügt über 900 Filialen, hat 5700 Angestellte und ist
bereits in der Touristik engagiert: Sie hält Anteile an der
Hotelkette Sol Meliá, der Fährreederei Trasmediterránea und dem
Themenpark Terra Mítica. Grupo Matutes' bekannteste Marke ist
Fiesta Hotels (40 Häuser), außerdem ist man an der Reederei
Balneária beteiligt, der Baufirma Suministros Ibiza und der
Fischzucht Cupimar. RIU betreibt 110 Hotels und wird 2004 etwa 900
Millionen Euro umsetzen.
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