Szene I: Unweit von Binissalem taucht plötzlich ein idyllischer
Teich auf. An seinem Ufer wachsen Schilfrohr und Binsen, auf der
Wasserfläche ziehen Enten ihre Runden. Der Süßwassertümpel zwischen
den alten Mandelplantagen – so gesehen im Juni 2004 – ist ein
gänzlich ungewohnter Anblick auf Mallorca.
Szene II: Unweit der Gesa-Zentrale verfärbt sich das blaue
Wasser an Palmas Stadtstrand in eine braune, stinkende Brühe.
Aufgrund einer Havarie gelangen rund 2500 Tonnen ungeklärtes
Abwasser ins Meer – so geschehen im April 2003. Der Vorfall brachte
Palmas Stadtwerken Emaya seitens der oppositionellen PSM eine
Anzeige ein. Das Justizverfahren ist bis heute nicht
abgeschlossen.
Die zwei Einstiegsszenen haben eines gemeinsam. In beiden Fällen
dreht sich alles um den Umgang mit Abwasser auf der Insel. Ein
weites Feld mit vielen Problemen, Chancen, Umwelt– und
Gesundheitsaspekten sowie politischen Vorgaben. Die derzeitige
Marschrichtung gibt seit gut einem Jahr der balearische
Umweltminister Jaume Font (PP) vor. Das Ziel ist hochgesteckt:
„Nicht ein einziger Tropfen von geklärtem Abwasser soll das Meer
erreichen, ohne die tertiäre Behandlungsstufe durchlaufen zu
haben.”
Um das ehrgeizige Vorhaben zu verwirklichen, will die
Balearen-Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahre 2007
sämtliche Kläranlagen der Insel mit der dritten Reinigungsstufe
ausgestattet wissen. Allein für die Jahre 2004/05 sind für neue
Anlagen oder Erweiterungen 57 Millionen Euro vorgesehen. Die
verbesserte Qualität der geklärten Abwässer soll künftig auch den
Grundwasserständen zugute kommen. „Ohne tertiäre Behandlung darf
kein Klärwasser mehr in die unterirdischen Speicher eingeleitet
werden”, legte der Umweltminister bereits Ende vergangenen Jahres
fest.
Hinter dem Zauberwort „tertiäre” oder dritte Reinigungsstufe
verbergen sich diverse biologische oder chemische Verfahren, die,
je nach Anforderung an das aufbereitete Wasser unterschiedlich sein
können. Nach EU-Norm muss etwa Gießwasser für Salatfelder deutlich
höhere Reinheitsansprüche erfüllen als bei der Bewässerung von
Mandelbäumen.
Im Allgemeinen verstehen die Umweltexperten unter der ersten
Reinigungsstufe die mechanische Klärung von völlig unbehandeltem
Abwasser. Mit Hilfe von Rechen, Sandfiltern oder Ölabscheidern
werden Fest– und Grobstoffe wie etwa Plastikmüll, Toilettenpapier,
Haare und Küchenabfälle aus dem Wasser herausgefischt. Die zweite
Stufe ist eine biologische Reinigung mit Hilfe von Bakterien. Diese
wandeln die organische Belastung des Wassers um in anorganische
Stoffe wie Phosphat (stammt aus Waschmitteln) oder
Stickstoffverbindungen (aus dem Urin). Hier setzt die dritte Stufe
an. Ziel ist es, von diesen im Abwasser verbliebenen Materialien
noch so viel wie möglich abzubauen.
Beim Teich von Binissalem handelt es sich um eine solche
tertiäre Reinigung. Gespeist wird der Tümpel mit dem zweistufig
gereinigtem Wasser aus der Kläranlage. Im Teich selbst bauen Algen
die nährstoffreichen Stickstoffe ab, das UV-Licht der Sonne wirkt
in dem 1'20 Meter flachen Wasser ebenfalls reinigend. Einziger
Nachteil: Das gereinigte Wasser wird kaum genutzt.
Anders sieht es in anderen Kläranlagen aus: Dort kommt Wasser
der dritten Reinigungsstufe zum Bewässern von Golfplätzen oder
städtischen Grünanlagen zum Einsatz. In der Kläranlage von Palma
durchlaufen rund 20 Prozent der anfallenden Abwässer die tertiäre
Reinigungsstufe. „Das ist für Spanien sehr viel. Wir sind führend”,
sagt Emaya-Pressesprecher Juan Luís Crispín.
Auf Mallorca unterhalten Palma, Calvià und Alcúdia eigene
Kläranlagen. Alle anderen 54 Kläranlagen der Insel unterstehen
dagegen dem balearischen Institut für Wasseraufbereitung, Ibasan.
Sie klären etwa ein Drittel des Abwassers auf Mallorca.
Behörden-Chefin Bárbara Mestre schätzt, dass derzeit 40 bis 50
Prozent der anströmenden Abwassermengen die dritte Reinigungsstufe
durchlaufen. „Bis 2007 sollen es 100 Prozent sein.”
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