Irgendwie sehen sie immer noch so aus, als ob sie in einer
Rockband spielen und sich in Sachen Rotwein vor allem auf das
Trinken verstehen. Aber weit gefehlt: Francesc Grimalt war zwar
früher bekennender Punkrock-Fan, doch die wahre Berufung haben er
und seine beiden Freunde, Miquel Àngel Cerdà und Pere Ignasi
Obrador, in der Herstellung von Edelrebsaft gefunden. 1994
produzierte das Trio – quasi aus einer Schnapsidee heraus – 500
Flaschen Wein aus den Trauben ihrer heimischen Rebstöcke bei
Felanitx. Knapp ein Jahrzehnt später gilt ihr Ànima Negra als eines
der ungewöhnlichsten Spitzenprodukte im traditionsreichen Weinland
Spanien – und darüber hinaus: Der Tinto, dessen tiefroter Farbton
tatsächlich weit an die Seelenschwärze seines Namens heranreicht,
ist auch in Deutschland, Japan und USA in aller Munde.
Seit drei Jahren wird Ànima Negra von Weinexperten und
Fachkreisen mit nahezu gebetsmühlenartiger Regelmäßigkeit unter die
jeweils besten der spanischen Bestweine gelobt. Im Jahre 2000 etwa
wählte ihn die Tageszeitung „El Mundo” zum besten in Spanien
erzeugten Rotwein, im Jahr darauf erklären ihn die 50
renommiertesten Önologen Spaniens auf ihrem Enoforum nach einer
Blindverkostung zum viertbesten von ganz España.
2002 findet die Schwarze Seele ihren Eintrag im Wein-Jahrbuch
der Tageszeitung „El País” als drittbester spanischer Rotwein,
gemessen am Preis-Leistungsverhältnis. Kurz drauf erhält der
Tropfen im Weinführer „Guía de Oro de los vinos de España” Silber,
vor wenigen Wochen wählt der Feinschmeckerführer „Guía de vinos
Gourmets” den 2000er Ànima Negra der Jungwinzer aus Felantix zur
besten Crianza Spaniens.
Die Erfolgsgeschichte der Drei von der Rotwein-Tankstelle im
Inselosten ist das herausragendste Beispiel für den Weinboom, mit
dem Mallorca seit einigen Jahren von sich reden macht. Die
Entwicklung der vergangenen 15 Jahre ist atemberaubend. Mit einer
gehaltvollen Qualitätsoffensive, mit viel Liebe zu Innovation und
kreativer Phantasie haben eine Hand voll Winzer die Insel als
Anbauregion quasi über Nacht aus dem Dornröschenschlaf geküsst. Sie
wurden anfangs als die „Joves Folls” beschimpft, die mit ihren
neumodischen Methoden scheinbar nur Unsinn im Kopf hatten.
Doch die ,jungen Verrückten' beendeten den Ruf, der Mallorcas
Weine seit dem Abklingen der Reblausplage um das Jahr 1900
anhaftete. Nahezu das ganze 20. Jahrhundert hindurch galten die
Inselweine als Schädelspalter, und manche ihrer Rebsorten wie der
Fogoneu wurde als so sauer beschrieben, dass sie sich einzig zum
Vertreiben von Drachen eignete.
Als Vorreiter in Sachen Erneuerung pflanzte der Winzer Jaume
Mesquida aus Porreres in den 80er Jahren erstmals französische
Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Chardonnay an und
kreierte darüber hinaus den ersten Mallorca-Sekt.
Als ausgewiesene Wein-Enthusiasten sind die beiden
Gelabert-Brüder aus Manacor zu nennen. Miquel Gelabert heimste erst
im Vorjahr auf dem Internationalen Weinsalon in Madrid für seinen
99er Gran Vinya de Son Caules per Blindverkostung die Goldmdaille
für den besten spanischen Roten ein. Bruder Toni Gelabert
orientiert sich auf seinem Weingut streng nach Mondphasen. Er und
der Ökowinzer Andreu Oliver von Can Majoral in Algaida gelten auch
als die ersten Bodega-Betreiber der Insel, die die Etiketten ihrer
Weine mit den Kunstwerken befreundeter Maler bereicherten.
Die Aufwertung von Qualität und Ästhetik ging zum Teil einher
mit einer Rückbesinnung auf Originalität. Vor allem im Raum
Binissalem, das 1991 zur anerkannten Anbauregion mit garantiertem
Herkunfts– und Gütesiegel „Denominació d'Origen” (DO) avancierte,
setzten sich die Weingüter für die einheimischen Rebsorten Manto
Negro und Callet ein. Einer der Verfechter der Inselreben ist Pere
Calafat.
Anfang der 90er übernahm er das väterliche Weingut, in dem bis
dahin traditionsgemäß der Wein am offenem Fass, „a granel”,
verkauft wurde. 1994 rüstete er auf ökologische Weinerzeugung um.
Die Ökowinzer sehen sich im Aufwind. In diesen Tagen hat der
balearische Rat für die Erzeugung von ökologischen Agrarprodukten
(CAE) eine dritte Bodega in Petra anerkannt. Das bereits erwähnte
Weingut Can Majoral heimste unterdessen am vergangenen Samstag auf
der Ökowein-Messe im andalusischen Córdoba zwei Silber– und eine
Bronzemedaillen ein.
Eine andere mallorquinische Weintradition belebt unterdessen der
Winzer Miquel Nadal von Vins Nadal in Binissalem. Seit 1998 hegt
und pflegt er in Banyalbufar die legendären Malvasier-Reben. Von
ihnen war einst nur noch ein betagter Weinstock erhalten geblieben.
Aus seinen Ablegern wird heute wieder der Wein der aragonesischen
Könige gekeltert. Nadals Nichte Esperanza Nadal wiederum kreiert
seit 2000 einen reinrassigen Merlot. Mit dieser auch „Frauenwein”
genannten Rebsorte hat noch eine andere Winzerin auf Mallorca
Erfolg: Für ihren sortenreinen Aía erhielt Pilar Oliver von Bodegas
Miquel Oliver in Petra im Vorjahr auf dem Internationalen Weinsalon
in Madrid die Silbermedaille.
Aber kaum ein Wein der Insel hat sich im Ausland zu einem
solchen Kultobjekt entwickelt wie Ànima Negra. Das Geheimnis ihres
Erfolges führen die drei Winzer einzig auf ihren Wein zurück und
verweisen auf die Tatsache, dass die Auszeichnungen bei
Blindverkostungen errungen wurden, die Tester also nicht wussten,
welchen Tropfen sie im Glas hatten. Die Jungwinzer setzen auf die
Callet-Rebe, eine Sorte, die in der Welt fast nur auf Mallorca
angebaut wird. Der Önologe Francesc Grimalt und seine Partner
bevorzugen alte Stöcke, die 40 bis 60 Jahre Wachstum hinter sich
haben.
Und das auf ausgesucht armen Böden, wo sich die Reben zusätzlich
mit anderen Pflanzen wie Aprikosenbäumen um die wenigen Nährstoffe
streiten müssen. „Dadurch stecken die Stöcke ihre ganze Kraft in
nur wenige Trauben. Diese sind aber umso besser.” Bei jüngeren
Stöcken dünnen die Winzer aus, schneiden nahezu jeden zweite Rebe
ab. „Die Besitzer der Weinstöcke hielten uns für verrückt und
wollten uns vom Hof jagen”, erinnert sich Grimalt.
Auch im Keller achten die drei auf beste Qualität, verwenden nur
neue Fässer aus französischer Eiche. Ihr Top-Produkt, „Ànima Negra
Son Negre” mit kunstvoll gestaltetem Etikett umfasst im Jahr nicht
mehr als 1000 bis 3000 Flaschen mit Wein ausschließlich der Lagen
Son Negre/Cas Concos (Preis: um die 50 Euro). Von den übrigen
Callet-Stöcken im 20-Kilometer-Umkreis von Felanitx stammt der
Ànima Negra, der auf schwarzem Etikett das geschwungene rote
Buchstabenpaar „AN” trägt (26 Euro). Vom Jahrgang 2001 werden etwa
26.000 Flaschen abgefüllt. Neben der so genannten ersten Linie
präsentierte die Bodega seit zwei Jahren eine „segunda Línea”, den
„ÀN/2” mit rotem Etikett. Diese Cuvée (rund 20.000 Flaschen)
enthält neben Callet auch einen hohen Anteil an Cabernet, Merlot
und Syrah. Mit neun Euro ist er deutlich preisgünstiger.
Ein weiterer Grund für den Erfolg von Ànima Negra liegt sicher
im Exklusivvertrieb durch die Weinhandlung La Vinoteca in Palma.
Der Inhaber Juan Luis Pérez de Eulate verstand es über die Jahre,
die Qualität der Kreation aus Felanitx international bekannt zu
machen. Dabei sah er sich mitunter zu ungewöhnlichen Kniffen
veranlasst. Da die US-Einfuhrbehörden das von dem Kult-Künstler
Miquel Barceló entworfene Etikett als zu obszön zu beanstanden
drohten, reduzierte Pérez das Gemächt des Fabelwesens am Computer
ein wenig. Die Vorlage passierte daraufhin den US-Zoll unbeschadet.
Der Felanitxer Barceló, der von klein auf mit den Winzern
befreundet ist, soll über die Posse herzlich gelacht haben.
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