Für die einen ist es ein Greuel, sich in der Gruppe durch das
Ausland fortzubewegen, für die anderen ist es eine besonders gute
Gelegenheit, fremde Länder und Kulturen intensiv kennen zu lernen.
Studienreisen haben ihre Verunglimpfer und ihre glühenden
Befürworter. Letztere sind davon überzeugt, dass sie ohne das
Fenster, das ihnen ihr gut geschulter Reiseleiter mit seinem Wissen
aufstieß, interessante Einblicke verpasst hätten.
Wer bei Studienreisen an die Pyramiden Ägyptens, Maya-Tempel in
Mexiko oder Kultstätten in Kambodscha denkt, blickt sicherlich über
den Tellerrand zu weit hinaus. Auch Mallorca ist im Programm der
Anbieter durchaus vertreten. „Studienreisen sind zwar nur ein
schmaler Ausschnitt vom gesamten Reiseaufkommen. Sie haben aber
zugenommen”, sagt der Sprecher des Deutschen Reisebüro– und
Reiseveranstalterverbandes (DRV), Christian Boergen. Mallorca sei
ein häufiges Ziel. „Die Studienreise zählt nicht zur aussterbenden
Gattung.”
Der langjährigste Anbieter von Studienreisen auf die Insel ist
das zur TUI zählende Unternehmen Dr. Tigges, das in diesem Jahr
sein 75-jähriges Bestehen feiert. Bereits 1934 nahm der
Unternehmerpionier Hubert Tigges Mallorca im Rahmen einer
Spanienrundreise erstmals ins Programm. Damals hießen sie noch
Gruppenfahrten. Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte Tigges, der
seine Wurzeln in der Wandervogel-Bewegung hatte, an alte Erfolge
an. 1953 findet die erste Nachkriegsreise nach Mallorca statt. Mit
dem Zug ging es von Köln über Paris nach Barcelona, wo die
Reisegruppe mit dem Flugzeug nach Palma startete. Allein für die
Anreise waren sechs Tage vonnöten.
Auch im Jubiläumsjahr bietet Dr. Tigges seine bewährten
Studienreisen nach Mallorca an. Der Vorspann im Katalog stellt
klar, was zu erwarten ist: „Vergessen Sie den ,Ballermann'. Wir
zeigen Ihnen das andere Mallorca. Malerische Dörfer mit
verwinkelten Gässchen, wilde Berglandschaften und Liebesgeschichten
im Kloster Valldemossa säumen Ihren Weg.” Die achttägige Reise
bringt den Besuchern nahezu jeden interessanten Winkel der Insel
nahe und kostet je nach Saison 1195 bis 1275 Euro. Neben der
klassischen Rundreise bietet Tigges darüber hinaus spezielle
Studienreisen für Menschen mit einem Faible für Archäologie, Vor–
und Frühgeschichte.
Die anderen deutschen Anbieter von Studienreisen zielen auf
Kunden ab, die sich neben Kultur und Geschichte besonders für die
Natur der Insel interessieren. Hier heißt das Zauberwort
Wanderstudienreise, „wobei der Schwerpunkt sowohl auf ,Wandern' als
auch auf ,Studien' liegt, sagt der Pressereferent von Studiosus
Reisen, Volker Kienast. Das Münchner Unternehmen ist mit 800 Routen
in mehr als 100 Ländern Europas Marktführer in Sachen
Studienreise.
Auf Mallorca sind drei Routen im Angebot. „Nur weil die Insel
klein ist, heißt das nicht, dass sie für uns unwichtig ist”, sagt
Kienast. Die Gruppen von je zwölf bis maximal 25 Teilnehmern werden
von Reiseleitern geführt, „die die Insel wie ihre Westentasche
kennen”. Alle Führer haben eine interne Ausbildung durchlaufen,
„und wissen, wie sie ihre Kenntnisse vermitteln können”. Ein
weiterer Vorteil Mallorcas: Der Wandertrip lasse sich gut mit einem
Badeurlaub kombinieren.
Auf Wanderstudienreisen setzt auch Hauser Exkursionen in
München. Spezialisiert auf Bergregionen wie Nepal, bieten sie auf
Mallorca unter anderem eine Trans-Tramuntana-Route längs der
gesamten Küste an. An sechs Tagen mit bis zu sieben Gehstunden wird
den Besuchern nicht nur die Bergwelt mit ihren Pflanzen und
archaischen Stätten nahe gebracht, sondern auch Einblicke in die
traditionelle mallorquinische Kultur gegeben. „Mallorca bietet eine
super Gelegenheit für Leute zum Hineinschnuppern ins
Trekking-Feeling”, bevor es in die Anden oder den Himalaya geht,
sagt der Marketingchef Michael Schott.
Sein Angebot in Sachen „Naturstudienreisen” beziehungsweise
„Kulturwanderreisen” will auch der Münchner Reiseveranstalter DAV
Summit Club auf Mallorca erweitern. Ab Herbst sollen Kunden nach
einem Twin-Konzept täglich zwischen einer langen und einer kürzeren
Bergtour wählen können, sagt der Geschäftsführer Günter Sturm.
Neben Wandern setzt Wikinger Reisen aus Hagen auch auf
Radwanderer. Generell wünschen Teilnehmer von Studienreisen mehr
Aktivitäten als früher. Gefragt seien zusätzliche Bewegungsangebote
wie eben Wandern, Tennis oder ,Walken', sagt die Pressesprecherin
Eva Machill-Linnenberg. „Es ist die Mischung, die es macht.”
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