Manager sind auch nur Menschen. Deswegen hoffen die Macher der
Tourismus-Branche im Sinne des Geschäfts darauf, dass sich der
Krieg im Irak noch vermeiden lässt. „Denn während der Konflikt
läuft, verreisen die Menschen nicht”, weiß Christian Boergen,
Leiter Kommunikation beim Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter
Verband DRV. Das zeigt ein Blick zurück: Als 1991 Vater Bush gegen
Saddam Hussein in den Kampf zog, blieben die Menschen während des
zwei Monate dauernden Waffenganges daheim.
Für Mario Köpers, Sprecher der TUI Deutschland, sind Beginn und
Dauer eines möglichen Konflikts entscheidend. „Geht es in nächster
Zeit los, ginge es noch, weil in den Reisezielen im östlichen
Mittelmeer nicht viel los ist.” Je später im Jahr der Feldzug
beginnt, desto schädlicher wäre er für das Geschäft. Der Alptraum
der Reisebranche: Der bewaffnete Konflikt wird in der Hauptsaison
ausgetragen. Aber das halten die meisten für wenig wahrscheinlich,
weil die Wüstenhitze am Golf die Sommermonate für eine Kampagne
praktisch unmöglich macht.
Mallorca wäre von dem Krieg in der Ferne ebenfalls betroffen.
Wenn keiner reist, dann auch nicht nach Mallorca. Keiner will sich
zitieren lassen mit einer Beurteilung, wie stark die Einbrüche
werden könnten. In einer Branche, in der es um den Verkauf von
Urlaubsträumen geht, sollen die Kunden gar nicht erst auf die Idee
gebracht werden, wie sich der Alptraum im Falle eines Krieges
darstellen könnte.
Für Christian Boergen jedoch ist klar: Nach einer gewissen Zeit
werden die Menschen wieder verreisen, allerdings nur dorthin, wo
sie sich sicher fühlen. „Das einzige, was Mallorca droht, sind mehr
Kunden”, ist er überzeugt, denn Spanien gilt insgesamt als
ungefährdetes Ziel.
Die Reiseveranstalter wollen diese Möglichkeit nicht
ausschließen. Boris Ogursky, Sprecher von Thomas Cook, bestätigt
die Existenz von verschiedenen Plänen, die je nach Situation aus
der Schublade gezogen werden können. Wie die jedoch genau aussehen,
„diskutieren wir nicht in der Öffentlichkeit”. Auch bei den
Wettbewerbern ist die Angst groß, es könnte den Anschein haben,
dass man nur daran denkt, wie man an einem Krieg verdienen
könnte.
Doch lässt sich in Erfahrung bringen, dass ein verbreitetes
Szenario ist, dass die Urlauberströme vom östlichen ins westliche
Mittelmeer umgeleitet werden. Das war schon nach dem ersten
Irak-Krieg, vor allem aber in den späten 90er Jahren der Fall, als
wegen des Krieges auf dem Balkan, der Krise in der Türkei und der
Terror-Anschläge in Ägypten diese Reiseziele am Boden lagen und
Spanien, hier in erster Linie Mallorca, einen ungeahnten Boom
erlebte.
Wenn also die Menschen grundsätzlich bereit sind, in den Urlaub
zu fahren, sich aber in islamische Länder aus Furcht vor Terror und
Krieg nicht trauen, werden Ziele, die man mit dem Auto erreichen
kann, die größten Gewinner sein. Das ist ein Phänomen, dass nach
den Terroranschlägen vom 11. September zu beobachten war. Diese
Attacken hatten auch deshalb so starke Auswirkungen auf die
Reisebranche, weil kommerzielle Linienflugzeuge dabei gekapert
wurden, das Fliegen mithin als echte Gefahrenquelle wahrgenommen
wird.
Nicht alle haben aber das Vertrauen in den Luftverkehr komplett
verloren, sondern vermeiden in einem Krisenfall lediglich Flüge in
gefährdete Länder oder über lange Strecken. Für den Flug in die
Sonne bleiben dann praktisch nur noch Länder wie Italien,
Frankreich, Portugal und vor allem Spanien übrig.
Das Umleiten von Urlauberströmen sähe dann folgendermaßen aus:
Der Kunde bucht im Reisebüro nicht Türkei, sondern Mallorca. Wenn
mehr Menschen als geplant auf die Insel, aber viel weniger als
geplant in die Türkei wollen, werden zunächst die Charterflugzeuge
umdisponiert. Das hört sich einfacher an als es ist. Denn der
gesamte Ablauf kommt in einem solchen Fall durcheinander. Um
wirtschaftlich zu arbeiten, müssen Fluggesellschaften dafür sorgen,
dass ihre Flugzeuge so viel wie möglich in der Luft sind. Deswegen
müssen im Falle von Änderungen im Flugplan die gesamten so
genannten Flugketten neu aufgelegt werden. Außerdem müssen auf den
Flughäfen, die verstärkt angeflogen werden, Start– und Landezeiten,
die im Fachjargon Slots heißen, beantragt werden.
Das Notfall-Szenario „Umleitung der Urlauber-Ströme in das
westliche Mittelmeer” enthält genau diese Planungen, sodass im
Falle eines Falles die Manager nur noch das entsprechende Papier
aus der Schublade ziehen müssen. Auch die Slots sind vorsorglich
schon beantragt.
Es wäre also problemlos, Urlauber statt in die Türkei oder nach
Ägypten nach Mallorca zu fliegen. Außerdem steht wegen der
anhaltenden Krise in der Luftfahrt ausreichend Fluggerät auf dem
Hof, das sich gegebenenfalls schnell aus der Mottenkiste holen
ließe.
So wäre selbst dann genug Kapazität am Markt, wenn die Türkei,
wie Christian Boergen berichtet, darauf kommen sollte, aus der
Staatskasse die Fluggesellschaften dafür zu bezahlen, die geplanten
Verbindungen auch mit leeren Maschinen abzufliegen, um für den
Zeitpunkt gewappnet zu sein, wenn die Nachfrage wieder anzieht. Das
habe Ägypten nach den Anschlägen im tunesischen Djerba
praktiziert.
Die Kreuzschifffahrt zeigt sich ebenfalls vorbereitet. Von der
„Aida”-Flotte sind im Sommer zwei Schiffe im östlichen Mittelmeer
unterwegs: „Sollten unsere Gäste gefährdet sein, können wir
problemlos umdisponieren. Dann ginge es mit einem Schiff ins
westliche Mittelmeer, mit einem auf die Kanaren”, sagt Sprecherin
Heidi Teßner. 1999 hat das Unternehmen vorgemacht, wie schnell eine
solche Umroutung nach Mallorca funktioniert.
Während diese Szenarien der Versuch sind, die Zukunft
vorherzusagen, gibt es schon jetzt konkrete Auswirkungen auf die
Reisebranche. „Der Krieg hängt wie ein Damoklesschwert über uns”,
so Mario Köpers von der TUI, „und bremst schon jetzt die
Buchungen.” Denn keiner will in seinem Urlaubshotel festsitzen,
wenn der Krieg wirklich ausbricht. Dazu kommen die schwierige
Wirtschaftslage in Deutschland und die Unsicherheit, wie schlimm
die Krise im Falle eines Krieges noch werden könnte.
Eine Auswirkung auf den Geldbeutel hat sie jedenfalls schon.
Durch die gestiegenen Rohöl-Preise (noch verschlimmert durch die
Venezuela-Krise) verteuert sich auch das Flugbenzin. „Im Falle
eines Krieges dürfte das Öl noch teurer werden”, glaubt
Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel, auch wenn die Produktion des
Irak schon jetzt kaum in die Kalkulation einfließt. Trotz aller
Vorsorge, die die Fluggesellschaften für ihre Kerosin-Bestände
getroffen haben, bedeutet ein steigender Ölpreis teureres
Flugbenzin und damit teurere Tickets.
Für einen mallorquinischen Hotelmanager zeigt sich ein anderes
Problem. „So ziemlich das Schlimmste, was Mallorca passieren
könnte, wäre ein durch den Krieg ausgelöster Boom.” Was zunächst
paradox klingt, erklärt er so: Wenn es wieder gut läuft, könnten
die hiesigen Unternehmer und Politiker auf die fatale Idee kommen,
es sei alles in Ordnung. Und notwendige Maßnahmen unterlassen, zum
Beispiel in Sachen Infrastruktur, Preisgestaltung oder Service.
Länder, die von der Krise direkt betroffen wären, würden ihre
Anstrengungen, den Markt zu beleben, verdoppeln. Wenn die durch den
Krieg ausgelöste „Umleitung von Urlauberströmen” dann vorbei ist,
sähe die Reise-Welt so aus, dass Destinationen im östlichen
Mittelmeer ihr Angebot so verbessert hätten, dass sie im Vergleich
zu Mallorca viel besser dastünden. Ein Phänomen, dass die
Kundschaft schon in den zwei vergangenen Jahren mit rasanten
Steigerungsraten dort und Buchungsrückgängen hier quittierte, wäre
dann deutlich verstärkt. „Natürlich würde die mallorquinischen
Hoteliers niemand daran hindern, ihr Angebot zu verbessern, wenn es
gut läuft. Es wäre sogar viel leichter, wenn mehr Geld in die Kasse
kommt. Aber so wie ich meine Pappenheimer kenne, werden sich viele
entspannt zurücklehnen und sagen: ,Es läuft doch.*”
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