Im Wein liegt Wahrheit. In diesem Jahr erfahren das Mallorcas
Winzer auf völlig unerwartete Weise. Denn nach Jahren sehr guter
bis herausragender Jahrgänge müssen sie 2002 mit einer besonders
schwierigen Lese klarkommen. „So etwas habe ich noch nie erlebt”,
sagen etwa Winzer Miquel Gelabert und der Önologe Joan Mora
unisono. Vor allem der Regen hat ihnen ein Strich durch die
Rechnung gemacht, „die Trauben waren acht Wochen praktisch
ununterbrochen nass”, wie Toni Gelabert, ebenso wie sein Bruder
Winzer, berichtet.
Die feuchten Trauben waren anfällig für alle möglichen
Krankheiten. Besonders Mehltau und Botrytis haben in diesem Jahr
hart zugeschlagen. „Das bedeutet vor allem, dass der Weinbauer viel
mehr arbeiten muss”, erklärt José Carretero de Oleza, Sekretär des
Kontrollrats der anerkannten Weinbauregion Binissalem. „Wir müssen
sehr viel aussortieren”, berichtet Miquel Gelabert, „in einem
Syrah-Weinberg, den ich voriges Jahr in zwei Stunden lesen konnte,
waren wir dieses Jahr anderthalb Tage beschäftigt”.
Außerdem sind die Kosten viel höher. Wegen der unablässig
notwendigen Behandlungen haben die Weinbauern drei- bis viermal so
viel wie in normalen Jahren investieren müssen, so Arnau Galmés,
Präsident des Kontrollrats der Weinbauregion Pla i Llevant.
Grundsätzlich seien vor allem die weißen Sorten wie Cabernet oder
Macabeu betroffen, auch die roten wie Tempranillo oder die
einheimischen Callet und Manto Negro bereiteten reichlich
Probleme.
Bauern, die ständig auf der Hut waren, ihren Trauben durch
regelmäßigen Nachschnitt Luft verpassten, ernten jetzt die Früchte
ihrer Mühen und müssen weniger wegschmeißen. „Ich habe auch Felder
gesehen, wo keine einzige Traube in die Kelter kommen kann”, so
Toni Gelabert. Das ist besonders dann bitter, wenn es sich um eine
Botrytis-Infektion handelt. Denn dann müssen die Trauben trotz
Null-Ertrages auf jeden Fall geschnitten werden, um den Befall
nicht ins kommende Jahr zu schleppen.
In der Anbauregion Pla i Llevant rechnet Galmés mit einem
Ertragsrückgang von 20 bis 70 Prozent je nach Sorte. 2001 wurden
noch 1'5 Millionen Kilogramm gelesen. Für Binissalem erwartet
Carretero einenm um 30 bis 40 Prozent niedrigeren Ertrag.
Was für die Winzer und Weinbauern schlimm genug ist, wird für
Liebhaber mallorquinischer Weine kein größeres Problem werden. „Die
Qualität wird dennoch gut”, sind sich die von MM befragten
Experten einig. „Jetzt kommt es umso mehr auf die gute Arbeit der
Önologen an”, sagt Önologe Joan Mora selbstbewusst. Wegen des
Ertragsausfalles dürften besonders die einjährigen Weißweine rar
werden. Bei den Tintos dürften keine Spitzenerzeugnisse
herauskommen, auch wenn Arnau Galmés von der D.O. Pla i Llevant
meint, dass der eine oder andere Crianza besonders gut wird, weil
die Menge für eine Reserva oder gar Gran Reserva nicht mehr
gereicht hat. Unter dem Strich wird die Qualität „korrekt”, glaubt
José Carretero, Sekretär der D.O. Binissalem. Oder wie Winzer
Miquel Gelabert sagt: „Trinken und vergessen.”
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