Beim Gedanken an Wildlachs aus Irland, Trüffeln oder
Walderdbeeren läuft Claudio Marini, Direktor des Gourmettempels
„Tristán” in Puerto Portals, das Wasser im Munde zusammen. „Der
Inbegriff der Delikatesse ist für mich das, was ich mental stark
begehre, aber nur sehr selten zu mir nehmen kann.” Wahrhaft feine
Speisen „sind im Geschmack so großartig, dass das Essen ein
Glücksgefühl bereitet.” Würde er dieselben Köstlichkeiten jeden Tag
serviert bekommen, verlören sie allerdings ihren Reiz.
Eine hervorragende Qualität aller Zutaten ist für einen
Sternekoch wie Gerhard Schwaiger vom „Tristán” absolutes Muss. Um
die aufzutreiben, war früher keine Anstrengung zu groß: Man suchte
sich die Produkte, aus denen der Küchenchef seine Gaumenfreuden
bastelt, bei verschiedenen Händlern in Deutschland und auf dem
spanischen Festland zusammen: „Da hatten wir unsere Mühe”, sagt
Claudio Marini.
Heute sei die Beschaffung von Feinkost und Delikatessen längst
nicht mehr so schwierig. Seit wenigen Jahren erleichtere „ein
international operierendes Handelsunternehmen” die Arbeit ungemein.
Seither kann Marini einen Großteil der Feinkostware aus einer Hand
erhalten. „Vielleicht zehn Prozent dieser Produkte suchen wir uns
im Internet möglichst ab Hersteller oder Ersthändler zusammen.”
Manches, was Spitzenrestaurants erarbeiten, wäre auch bei
Feinkosthandlungen auf der Insel zu haben: „Doch irgendwann wird
preislich eine Schmerzgrenze erreicht, die man den Gästen nicht
mehr zumuten kann.” Aus Mallorca selbst stamme ein Teil des
Gemüsebedarfs.
Generell gebe es nichts noch so Ausgefallenes, was es nicht
frisch zu kaufen gäbe: „Alles eine Frage des Geldes”, sagt Claudio
Marini. Ein Beispiel: Abalone-Muscheln aus Fernost, die von
Apnoetauchern vom Riff geerntet werden, kosten pro Kilogramm 150
bis 200 Euro. „Da müssten wir für eine Suppe 120 Euro verlangen.
Und dennoch gibt es gewisse Gäste, die so etwas verlangen.”
Das „Tristán” gehört laut Michael Neretljak, Verkaufsleiter von
Rungis Express auf Mallorca, zu den Kunden mit den ausgefallensten
Bestellungen. Aber auch sonst habe sich in den vergangenen Jahren
seit Gründung der Zweigstelle des Lebensmittel-Handelsunternehmens
auf der Insel „eine Klientel gebildet, die einen gewissen Standard
fordert. Rungis Express beliefert fast nur gastronomische Betriebe
und ein paar wenige Großyachten wie etwa die „Lady Moura” mit
Produkten aus der ganzen Welt.
Zu 50 Prozent kommen die Bestellungen von deutschen Köchen oder
von Deutschen geleiteten Unternehmen wie etwa das Hotel
„Valparaiso”, das „Ofra Resort Hotel”, das „Top Sushi” oder das
„Colon”. Zu 25 Prozent sind Spanier die Kunden, zu ihnen gehören
das „Bens d'Avall” und das „Es Baluard”.
Rungis Express handelt nur mit frischen Produkten, was eine
logistische Meisterleistung erfordert. Zweimal pro Woche sind die
drei Laster der Firma auf Mallorca unterwegs, um die bis jeweils
zwei Tage vorher georderten Produkte auszuliefern. So könne es
sein, dass ein Fischer auf Bali am Montagmorgen einen Thunfisch aus
dem Meer zieht, der am Mittwochabend in einem Lokal auf Mallorca
auf dem Teller landet. Thunfische gibt es zwar auch anderswo,
weniger weit entfernt, doch am besten sei das Fleisch von besonders
großen Exemplaren, sagt Michael Neretljak. Daher die Bestellung auf
Bali.
Rungis, das 7000 bis 8000 Produkte im Sortiment habe, kann
diesen Service nur leisten, weil es im großen Stil mit Feinkost
dealt: Zweimal wöchentlich werden von den beiden Lagern in
Meckenheim und bei Stuttgart 400 Tonnen Lebensmittel auf den Weg
geschickt. Die 3000 Kunden sitzen in acht Ländern, werden mit einer
eigenen Lkw-Flotte angefahren oder angeflogen. Von Palma aus werden
die rund 140 Kunden in Spanien bedient: auf Mallorca, in Barcelona,
Alicante und Marbella. Sechs bis acht Tonnen Lebensmittel werden
laut Rungis Express im Sommer jede Woche auf Mallorca geordert.
Auch andere Feinkosthändler bedienen die Gastronomie auf der
Insel, können aber nicht mit derselben Sortimentsbreite aufwarten.
In eine Nische zu stoßen hoffen Oliver Wienrich und Silvio Poëll
(Inhaber des Restaurants Sazón), die derzeit auf der Insel einen
Handel mit „Fleisch-Edelstücken” aufbauen. „Crown Cuisine” liefert
an Restaurants kochfertige Milchkalbsmedaillons, Filetspitzen,
Perlhuhnbrust und andere Fleisch- und Fischsorten, die sie vom
Hanos Gastro-Großhandel in Holland beziehen.
Sie bieten ihren Kunden ausschließlich Tiefkühlware an, wohl
wissend, dass es in der Öffentlichkeit Vorbehalte gegen Gefrorenes
gibt: „Es herrscht eine Diskrepanz zwischen dem, was die Leute
wissen wollen, und der Wirklichkeit”, sagt Oliver Wienrich. Denn
Tiefkühlware müsse keineswegs schlechter sein als Frischware, wenn
das Ausgangsprodukt einwandfrei ist, wenn es fachmännisch zerlegt
und verpackt und die Kühlkette streng eingehalten wurde.
„Der Vorteil unserer Produkte ist, dass der Koch weniger Arbeit
und keinen Abfall mehr hat”, sagt Silvio Poëll. Außerdem könne das
Lokal Wareneinsatz und Preise besser kontrollieren. Neben Fleisch
und Fisch hat „Crown Cuisine” auch vorgefertigte Desserts im
Programm: „manuell gefertigt”, wie die Partner betonnen.
Bei Rungis Express denkt man laut Michael Neretljak darüber
nach, künftig auch Privatleute zu bedienen. Die finden bislang
immerhin einige Feinkostgeschäfte auf der Insel. Das bekannteste
dürfte der „Gourmet Club” im Kaufhaus El Corte Inglés in Palma
sein. Dort wacht Luis Molina Alonso über ein stattliches Sortiment
an teuren Weinen, ausgefallenen Schokolade-Sorten, exotischen
Früchten, italienischer Pasta, hochwertigen Ölen, Wurst– und
Käsesorten und vielen anderen Leckereien. „Wie bieten 4500 Produkte
an, davon sind vielleicht 100 auch in unserem Supermarkt zu
finden.” Etwa 700 Gourmets zähle er zu seinem festen Kundenstamm.
Für sie werden auch Aktivitäten wie Kochkurse oder Weinproben
organisiert.
Der Feinschmeckerclub, der bezeichnenderweise in der
Herrenabteilung des Kaufhauses untergebracht ist, bekommt die Ware
aus der Zentrale in Madrid. Neben den exklusiven Produkten
namhafter Produzenten, wie etwa im Weinund Champagnerbereich, sind
es auch die Raritäten, die gefragt sind. Dazu müssen die Einkäufer
nicht immer bis ans andere Ende der Welt reisen. Manchmal sind es
die regionalen Spezialitäten, die das Herz der verwöhnten Esser
höher schlagen lassen: das Gebäck aus einem spanischen Kloster etwa
oder der mit Mandeln angereicherte Honig von Mallorca. „Wir
versuchen immer, auch die Besonderheiten vor Ort mit
einzubeziehen”, sagt Luis Molina.
Wer die spanischen und mallorquinischen Spezialitäten kosten
will, ist auch beim Feinkostgeschäft „Lledó i Monfort” in der Calle
Andrea Doria in Palma richtig. Viele gehen dort wegen des
iberischen Schinkens hin, den die Familie ab Fabrik kauft. Den gibt
es in vergleichbarer Qualität vielleicht auch anderswo, aber kaum
einer schneidet ihn so gekonnt wie David Lledó Monfort, der in
dieser Disziplin den Titel des spanischen Vizemeisters errungen
hat.
Eine gute Adresse für Feinkost aller Art ist auch die Markthalle
Santa Catalina in Palma. Am Stand von Salvador, Dani und Tochter
Carina (und anderen Kollegen) gibt es Früchte und Gemüsesorten, die
so exotisch sind, dass kaum einer ihren Namen kennt. „Schwer in
Mode ist derzeit Mini-Gemüse”, sagt Salvador. Die
Puppenstuben-Produkte stammen aus Frankreich, spezielle Züchtungen
für diejenigen, die vor allem mit dem Auge essen.
Auch am Feinkoststand von Maria und Virgilio Izquierdo im
Santa-Catalina-Markt gibt es vom weißen Trüffel bis zur Konserve
mit kuriosen Inhalten ziemlich viel. „Es ist schon vorgekommen,
dass ein Yachtbesitzer ein paar Kilo Kaviar haben will. Auf
Vorbestellung ist das machbar.” Wenn das Delikatessen-Essen
tatsächlich glücklich macht, dann hatte dieser großzügige Genießer
sicher strahlende Gäste. Und nebenher auch dem Händler eine Freude
bereitet.
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