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Wir alle haben mit dem deutschen Team gezittert, und es ist wieder einmal gut gegangen. Erstaunlicherweise stand die „10” der zweiten Halbzeit sicherer und kompakter als die „11” der ersten.

Bis zur 45. Minute mussten wir bei drei Situationen tief durchatmen und uns bei Oliver Kahn bedanken, dass wir nicht in Rückstand gerieten. Bedingt durch die rote Karte von Carsten Ramelow stellte Rudi Völler sein Team in der Halbzeit auf die Viererkette um. Wegen dieser taktischen Umstellung und der glücklichen Einwechselung von Marco Bode muss man Rudi ein riesiges Kompliment machen und ihn als Vater dieses Sieges bezeichnen.

Miroslav Klose hat in dem Spiel gegen Kamerun erneut seine Extraklasse bewiesen. Er konnte sich nicht nur in die Herzen der deutschen Fußballfans spielen, sondern auch an die Spitze der Topscorer bei dieser WM. In den Wettbüros gelang ihm der Sprung an die Spitze vor so namhafte Goalgetter wie Vieri, Ronaldo oder Raúl. Schon wird Klose als der kommende Torschützenkönig dieser WM gehandelt, doch bis dahin ist es noch ein langer und beschwerlicher Weg.

Mit dem Erreichen des Achtelfinales hat die deutsche Nationalmannschaft das Minimalziel geschafft. Gegen Paraguay steht man nun vor einer lösbaren Aufgabe. Es handelt sich um eine Mannschaft, die den etwas rustikaleren Fußball bevorzugt, die Abwehr ist der schwächere Mannschaftsteil. Torhüter Chilavert ist über seinen Zenit hinaus. Es könnte durchaus den Ausschlag geben, dass wir mit Kahn den Weltklassetorwart haben und Chilavert seine besten Zeiten hinter sich hat.

Zwar wirft der Ausfall von Ramelow, Ziege und vor allem von Didi Hamann am Samstag personelle Probleme auf. Doch Spieler wie Bode, Rehmer und Jeremies sollten diese Lücken schließen können.

Spanien durfte sich nach der vorzeitigen Qualifikation sogar den Luxus leisten, in der für sie bedeutungslosen Partie gegen Südafrika auf einige Stammkräfte zu verzichten. Das Team hat sich auf der Wettskala für die möglichen WM–Sieger auf den dritten Platz nach Brasilien und Italien vorgearbeitet. Diese Vorschusslorbeeren sollten bei den Spaniern zusätzliche Kräfte freisetzen, um die Iren im Achtelfinale auszuschalten.

Trainer Camacho hat es ausgezeichnet verstanden, aus seinen ballverliebten Individualisten eine homogene Mannschaft zu formen. Selbst nach einem Rückstand beweisen die Spanier, dass sie ein Spiel drehen können und eine wirklich gefestigte Einheit sind. Von diesem Team sind noch sehenswerte Partien zu erwarten. Und warum soll nicht der zukünftige Weltmeister zum ersten Mal von der iberischen Halbinsel kommen?

Diese WM hat uns schon einige faustdicke Überraschungen geliefert. Wohl niemand hatte mit einem Scheitern der favorisierten Franzosen in den Gruppenspielen gerechnet. Leider musste die Equipe Tricolore ohne Tor und Sieg enttäuscht die Heimreise antreten. Ebenfalls überraschend raus ist Mitfavorit Argentinien. Die Argentinier sind vor allem an ihrem Torhüter gescheitert. In einem Spiel wie dem gegen Schweden kommt es auf Kleinigkeiten an. Wenn man dann einen Torwart wie Kahn hat, gibt das schon mal Sicherheit.

Wirklich begeistern konnten die Veranstalter Japan und Südkorea. Während Japan schon im Achtelfinale steht, müssen die Südkoreaner am Freitag mit einem Punktgewinn gegen Portugal den Einzug sicherstellen. Nicht zuletzt dank der Euphorie der Zuschauer und dem bisher gezeigten beeindruckenden Engagement sollten die Asiaten auch weiterhin für Furore sorgen.

Auf leisen Sohlen hat sich Dänemark in der Weltspitze zurück gemeldet. Morton Olsen ist es gelungen, eine auf allen Positionen ausgeglichene Mannschaft zu formen, die nach eigenen Aussagen keinen Star aufweist. Doch die überragenden Leistungen von Tomasson haben nach der Ära Laudrup wieder einen neuen Stern am dänischen Fußballhimmel aufgehen lassen. Für mich haben die Dänen mehr als nur eine Außenseiterchance.

Etwas enttäuscht bin ich von meinen türkischen Freunden, obwohl sie am Donnerstag doch noch weitergekommen sind. Sie hätten diese Druck-Situation vermeiden und schon gegen Costa Rica alles klarmachen können.

Das einzig Beständige an dem bisherigen Turnier ist die Unberechenbarkeit. Keine Mannschaft hat sich als klarer Favorit heraus kristallisiert, und somit dürfen wir mit weiteren Überraschungen und viel Spannung rechnen. Den Zuschauern kann das nur recht sein.