Mit dem letzten Tropfen Benzin rollt das Auto von Rainer P.
gerade noch bis vor das deutsche Konsulat in Palma. Frau, Kind und
die gepackten Koffer im Schlepptau, der Traum vom besseren Leben
unter Palmen dem Wunsch gewichen: Nix wie weg. „Menschen, die mit
falschen Vorstellungen auf die Insel kommen und dann scheitern”
erlebt Konsul Peter-Christian Haucke täglich. Oft bleibt den
Gestrandeten nur noch der Rückweg nach Deutschland, wo das
Sozialsystem seine schützende Arme ausbreitet. Doch nicht alle der
„Heimkehrer” müssen die Insel aus finanziellen Gründen verlassen:
Mancher erkennt nach ein paar Jahren, dass das Klima und der hohe
Freizeitwert auf Dauer nicht alleine glücklich machen – und dass
die Inselgrenzen auch Beschränkungen in der persönlichen oder
beruflichen Weiterentwicklung darstellen können.
Auf der Suche nach einem anderen, besseren Leben, angezogen vom
lieblichen Wetter und der schönen Landschaft, sind die meisten der
vielleicht 60.000 deutschen Residenten nach Mallorca gekommen. Rund
80.000 Deutsche, so Konsul Haucke, sind nach Schätzungen im Besitz
einer Immobilie. Und auch wenn viele irgendwann wieder die Koffer
packen, ist Mallorca nach wie vor attraktiv für Investoren und
Menschen, die „Ausland light” suchen.
Die Deutschen sind mit Abstand die stärkte Ausländergruppe auf
den Balearen. Doch seit mehr als einem halben Jahr, spürbar stärker
seit dem 11. September, so die Auskunft mehrerer Umzugsfirmen, habe
der Zustrom von Deutschen nach Mallorca nachgelassen. Einer hat
beobachtet, dass derzeit eher das spanische Festland als Mallorca
gefragt ist. Ein anderer hat bei seiner Kundschaft klar den Trend
„weg von der Insel” festgestellt. Andere sprechen von
unregelmäßigen Schwankungen wie sie schon immer aufgetreten
seien.
Genaue Zahlen über die Zu- und Abwanderung der Deutschen sind
nicht zu bekommen: Nur ein Bruchteil derjenigen, die permanent oder
meistens auf Mallorca leben, lassen sich offiziell in den
Einwohnermeldeämtern registrieren. Klar ist immerhin, dass die
Fluktuation mit der Zahl der Einwanderer wächst. „Konstant
zunehmend” sind laut Konsul Haucke die Fälle von älteren Menschen,
die mit ihrer Rente auf Mallorca nicht hinkommen und denen nichts
anderes übrig bleibt, als nach Deutschland zurück zu gehen, obwohl
sie das gar nicht wollen. Und als „dramatisch” bezeichnet der
Konsul die Situation der Gescheiterten: Jedes Jahr ersuchen 1000
bis 1300 Menschen, die aus eigener Kraft nicht einmal mehr ein
Flugticket aufbringen können, die Behörde um Hilfe. Neben den Alten
seien darunter ganz junge Menschen, „die blauäugig herkommen”, und
Familien, „die sich nicht richtig vorbereiten”.
Haucke hat beobachtet, dass der Rückgang der Bauwirtschaft auf
Mallorca manchem kleineren deutschen Handwerksbetrieb das Genick
bricht. „Die Leute sollten erkennen, dass es auf Mallorca nicht
mehr so einfach ist wie vor 30 Jahren, sich selbstständig zu
machen”, so Haucke. Denn die Konkurrenz werde immer größer und
immer besser.
Mancher, der nach kurzer Zeit das Handtuch werfen muss, schäme
sich, zu seinem alten Wohn- und Arbeitsplatz zurückzukehren. Doch
nicht jeder, der von Mallorca den Rückzug antritt, empfindet das
auch als Rückschritt. „Ich habe Sehnsucht nach Deutschland und nach
der Familie”, sagt Annette Ewiak (30), die im November 2000 auf
Wunsch ihres Mannes nach Mallorca gezogen war. Im Sommer will sie
in ihren Heimatort zurückkehren. Die Schulsituation ist ein
weiterer Grund, warum sie ihre beiden Kinder lieber in Deutschland
aufwachsen sehen will. Außerdem findet sie es „sehr schwierig, hier
Freunde zu finden”. Zu den Mallorquinern habe sie wenig
Zugangsmöglichkeiten, weil sie noch nicht so gut Spanisch spricht
und weil ihr Wohnort Palmanova wenig Kontaktmöglichkeiten biete.
Das Klima ist für Annette Ewiak jedenfalls kein Grund, um hier zu
bleiben: „Im Sommer ist es zu heiß und im Winter zu kalt.”
„Beruflich verbessert” hat sich Julia Huwe (25), die im April
2000 nach zwei Jahren Mallorca nach Deutschland zurückgekehrt ist.
„Auf Mallorca ist der berufliche Horizont einfach begrenzt”, sagt
sie. Eine Zeit lang habe sie sich mehr auf ihre Freizeitgestaltung
konzentriert – an Freunden und Abwechslung hat es ihr auf Mallorca
nie gefehlt – , jetzt steht für sie eher die Karriere im
Vordergrund. Heute besucht sie Mallorca hin und wieder im Urlaub,
die Kontakte zu den alten Bekannten hält sie aufrecht. Denn eins
ist für sie klar: Wenn sie auf Mallorca einen interessanten Job
finden würde, käme sie gerne wieder.
Auch für Rosa Murmann (28) hat die Insel nichts an Attraktivität
verloren: „Mallorca ist total schön”, schwärmt sie. Zwei Jahre
lebte sie hier, finanzielle Probleme hatte sie nicht. Zuletzt
leitete sie einen Frisörsalon im Hotel Valparaiso. „Doch irgendwann
habe ich mir gesagt, das kann's doch nicht gewesen sein. Ich wollte
mich weiterbilden und ging deshalb im Dezember zurück nach
München”, wo sie derzeit eine Ausbildung als Make-up-Artist
macht.
Bessere berufliche Möglichkeiten haben auch Kurt Schulzke
bewogen, nach sieben Jahren nach Deutschland zurück zu kehren. „Der
Markt auf Mallorca wird von außen oft überschätzt”, glaubt er. Als
Selbstständiger habe er auch unter der mangelnden Zahlungsmoral
seiner Kunden gelitten. Heute managt er in Deutschland „Big
Brother”-Harry und wird bei dessen Promotiontour in diesem Jahr
auch Mallorca besuchen. „Als ich auf der Insel gelebt habe, habe
ich irgendwann den Blick für das Schöne verloren. Heute kann ich
die Vorzüge Mallorcas wieder genießen.”
Nicht zurück nach Deutschland, sondern nach Ibiza hat Tierarzt
Olaf Thamm seinen Lebensschwerpunkt nach neun Jahren auf Mallorca
verlagert. „Für junge Leute zu einsam” sei ihm die Insel geworden.
„Was dort fehlt, ist Kultur im Kleinen. Gemütliche Kneipen,
Treffpunkte, Frühstückslokale, witzige Restaurants.” All das findet
er auf Ibiza eher, wo „die Leute mehr Phantasie haben” und das
Ambiente internationaler und kommunikativer sei. Er hat dort eine
kleine Praxis eröffnet, den Standort Mallorca aber gleichzeitig
beibehalten, wo er alle zwei Wochen für ein paar Tage ist. Generell
seien die beruflichen Bedingungen auf der kleineren Baleareninsel
allerdings noch schwieriger als auf Mallorca.
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