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Die Verkäuferin im Supermarkt schaut völlig ungläubig drein, als die Kundin an der Kasse freundlich abwinkt: „Nein, bitte keine Plastiktüten. Ich habe meine eigene Tasche dabei.” Müllvermeidung: Für die meisten Menschen auf der Inseln noch ein Fremdwort. Und unter Mülltrennung verstand man bislang – im besten Fall – lediglich die Entsorgung von Altglas und Papier.

Ungeniert darf auf Mallorca der komplette Hausmüll in einen Topf geworfen werden. Der große Sammelcontainer an der Straße schluckt klaglos Essensreste, Plastik, Gartenabfälle, kleine und große Möbelstücke. Die alte Autobatterie wird einfach daneben gestellt. Zu guter Letzt landet alles in Son Reus bei Palma. Dort wächst und wächst der Müllberg, weil die zwei Verbrennungsöfen schon seit Jahren nicht mehr ausreichen, um die jährlich wachsende Abfallmenge zu beseitigen.

Nach Informationen des balearischen Umweltministeriums steigt die Müllproduktion auf den Inseln Jahr für Jahr um sechs Prozent. 620.000 Tonnen Abfall fielen 1999 an, davon 470.000 Tonnen auf Mallorca. 300.000 Tonnen Abfall können die Verbrennungsöfen pro Jahr beseitigen, der Rest – 170.000 Tonnen – landet auf der Deponie, deren Kapazität allerdings begrenzt ist.

Im Februar 2000 hat Mallorcas Inselrat in einem Generalplan für die Müllentsorgung beschlossen, das Wachstum des Aufkommens zu stoppen. Erklärtes Ziel: die Abfallbeseitigung in den Griff zu kriegen, ohne weitere Verbrennungsöfen zu bauen. Mülltrennung, Wiederverwertung, Kompostierung sollen die Lösung sein, wie es europaweite Richtlinien für Gemeinden ab 5000 Einwohnern vorschreiben.

Die Entlastung der Müllöfen durch Trennung und Wiederverwertung ist ein durchaus realistisches Unterfangen, betont An-dreu Moyà Pol, Mitarbeiter des Büros für Abfallberatung der Balearenregierung. Es hänge allerdings von der Bereitschaft der Bürger ab, mitzuziehen: „Wenn alle Leute ihr Platsik, Papier und Glas in die entsprechenden Sammelcontainer werfen, bleiben wir künftig mit der Produktion des Restmülls unter der Kapazitätsgrenze der Verbrennungsanlage.”

Die nötige Infrastruktur dazu muss auf Mallorca allerdings erst noch geschaffen werden. Derzeit gibt es drei Kompostieranlagen in Ariany, Felanitx und Sa Pobla. Und in Alcúdia ist eine provisorische Sortieranlage für Verpackungsmüll in Betrieb gegangen. Für die auf der gesamten Insel anfallende wiederverwertbare Müllmenge sind diese Anlagen bei weitem nicht ausreichend. Eine neue Sortieranlage und eine Kompostieranlage sind in Son Reus in Arbeit, im kommenden Jahr sollen sie in Betrieb gehen.

Läuft alles nach Plan, soll also spätestens 2003 mit der sorglosen Entsorgung des Hausabfalls Schluss sein. Dann werden alle Gemeinden flächendeckend über die neuen gelben Container für Verpackungsmüll verfügen. Außerdem kommen braune Container für organische Abfälle hinzu.

Mit der Verteilung der gelben Container wurde in einigen Gemeinden auf Mallorca bereits begonnen: In Calvià, Pollença, Artà, Alcúdia, Llucmajor und Teilen Palmas (im Bereich zwischen Calle General Riera und der Carretera Valldemossa). „Es macht keinen Sinn, jetzt schon überall gelbe Container aufzustellen, solange eine Wiederverwertung nicht gewährleistet ist”, sagt Andreu Moyà Pol. Nach seinen Worten können die Bürger aber sicher sein, dass die Wertstoffe, die sie in den dafür vorgesehenen Containern entsorgen, auch tatsächlich recycelt werden – und nicht etwa zusammen mit dem Restmüll in der Verbrennungsanlage enden.

Der Weg, den der Müll nimmt, lasse sich genau nachzeichnen: Der Verpackungsabfall, der in den gelben Containern landet, wird derzeit nach Alcúdia gekarrt, wo er nach Materialien sortiert wird. Der allergrößte Teil werde von dort aufs Festland verschifft, wo große Recyclingunternehmen die Abnehmer sind. „Ein kleiner Prozentsatz bleibt auf Mallorca”, so Andreu Moyà. In Marratxí hat sich die Firma RDB auf die Wiederverarbeitung von Tetra-Packungen spezialisiert und einen neuen Kunststoff zum Bau von Gartenmöbeln und Ähnlichem entwickelt.

Auch das Altglas bleibt nur zu einem kleinen Teil auf der Insel – in den kunsthandwerklichen Glasbläsereien. Der Rest geht zu großen Firmen nach Barcelona. Dasselbe gelte für Papier: Auf Mallorca gebe es drei kleinere Papierrecycling-Firmen, die Haushaltstücher, Servietten und Kartons herstellen. 95 Prozent gehen aufs Festland. Auf der Mülldeponie lande nur der Teil der Materialien, die wegen schlechter Qualität oder besonderer Eigenschaften nicht recyelt werden können. „100 Prozent Recycling werden wir nie erreichen”, sagt der Experte.

Die Wiederverwertung von Glas, Papier und Aluminium ist energetisch sehr rentabel. In vielen Fällern ist es billiger als die Neuproduktion. Müllvermeidung ist aber die noch bessere Lösung. Im kommenden Jahr will das Abfallberatungsbüro deshalb verstärkt auch an der Einführung von Pfandsystemen arbeiten. Dazu müsste man nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Verpackungsunternehmen dazu bringen, verantwortlicher mit dem Thema Müll umzugehen. Das Verfahren mit dem Grünen Punkt, mit dem Recyclingstoffe ausgezeichnet sind, ist für alle Beteiligten die bequemere Methode. Aus ökologischer Sicht wären Pfandflaschen besser.

Um die Menge des Restmülls (der in der Verbrennungsanlage landet) in Zukunft deutlich zu reduzieren, wollen sich die Behörden nicht alleine auf den guten Willen der Bürger verlassen. „Wir haben eine Informationskampagne gestartet, aber man wird wohl auch über den Geldbeutel etwas bewegen müssen”, befürchtet Andreu Moyà Pol. Sobald überall die gelben und braunen Container stehen, sollen die Gemeinden und ihre Einwohner mit Bonussystemen zur Mülltrennung angeregt werden. Fruchtet das nichts, werde man mit Bußen oder höheren Gebühren einschreiten.

Noch ist das genauso Zukunftsmusik wie die Hoffnung des Abfallberaters: „2005 werden wir in Sachen Abfallbeseitung europäisches Niveau erreicht haben.”