Ich muss sechs oder sieben gewesen sein. Es war einige Tage vor
Weihnachten, ich schrieb meinen Wunschzettel. Nach langem
Nachdenken und tiefgründigen Erwägungen, was wohl das Christkind an
Hoffnungen erfüllen würde. Ich überlegte, bei welchen Wünschen es
mich für unverschämt halten würde. Ich versuchte, mich in
Bescheidenheit zu üben. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass
das Christkind sozusagen als überirdisches Wesen über alle meine
Zweifel genau Bescheid wusste und deshalb auch die
unausgesprochenen Wünsche berücksichtigen würde. Wer alle Kinder
unter seine Obhut nimmt und fliegen kann, kann auch Gedanken lesen
und in die Köpfe kleiner Mädchen schauen.
Zurzeit denken die Kinder hierzulande darüber nach, was denn die
Heiligen Drei Könige bringen werden. Ich kenne ein kleines Mädchen,
das seit Wochen rote und weiße Bohnen sowie ein wenig getrocknetes
Gras wie einen Schatz hütet, um sie dem Pferd von König Melchior zu
geben. Sie ist davon überzeugt, dass sein Gaul nach dem langen Ritt
aus dem Morgenland hungrig sein wird. Sie überlegt bereits, dass
ein Eimer Wasser nicht verkehrt sein kann. Sie hat keinen Zweifel,
dass es diese Könige wirklich gibt. Zumal man sie hierzulande
anfassen kann, wenn sie durch die Straßen ziehen und Geschenke
verteilen.
Als ich damals meinen Brief fertig hatte, wurde ich zum Essen
gerufen und ließ mein schriftliches Meisterwerk auf einem Tisch
liegen. Nach dem Essen wollte ich zu meiner ,,Arbeit” zurückkehren.
Mein Schreck war grauenvoll, als auf dem Brief an das Christkind
geschrieben stand: ,,Du musst es endlich lernen. Es gibt kein
Christkind. Aber wir, die ganze Familie, werden Dir trotzdem etwas
schenken.” Da hatte sich ein Onkel progressiv und fortschrittlich
gegeben: Das Kind sollte nicht länger im Aberglauben gehalten
werden. Ich bekam Geschenke zu Weihnachten. Auch solche, die auf
dem Wunschzettel an das Christkind gestanden hatten. Doch so
richtigen Spaß hatte ich nicht daran. Und es war von da an nie mehr
das gleiche.
Als das kleine Mädchen mich kürzlich fragte, ob es die Heiligen
Drei Könige wirklich gibt, habe ich voller Überzeugung „Ja!”
gesagt. Und es selbst geglaubt. Nur wusste auch ich nicht genau,
wie sie die ganzen Geschenke transportieren. Sicher kommen sie auch
dieses Jahr wieder per Schiff nach Mallorca.
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