Amparo Sard beim Vorbereiten ihrer Videoinstallation. Wasser setzt sie als Metapher für die Zeit ein.

TW
0

Unter Autotomie versteht man die Fähigkeiten von Tieren, einen Körperteil abzuwerfen, um die eigene Haut zu retten. Je nach Tiergruppe wächst der abgeworfene Körperteil danach vollständig oder unvollständig wieder nach. Manchmal auch nicht.

"Autotomía" ist die Ausstellung von Amparo Sard im Pelaires Centre Cutural Contemporani überschrieben. Diesen Begriff überträgt Sard auf ihr eigenes Schaffen: auf die innere Auseinandersetzung mit ihrem Werk, mit dem Lauf der Zeit, mit dem Betrachter. Auf der Strecke verliere der Künstler Dinge von sich, sagt sie. Der Betrachter sei dabei in gewisser Weise das Raubtier.

Schon immer waren Sards Arbeiten eine Reflexion des Menschseins, der Zweifel und Beklemmungen, welche die täglichen Entscheidungen und Handlungen begleiten.

Sard ist eine von Mallorcas herausragendsten Künstlerinnen mit Ausstellungen zwischen Berlin und New York. Mit ihren perforierten Papierarbeiten hat sie dieser Reflexion mit einer unverwechselbaren Sprache Ausdruck verliehen. Über diese Sprache sagte sie einst, dass sie vom Schönen erzähle, einen aber vor allem mit dem Unheimlichen verbinde, so wie eine scheinbar lebendige Automatenpuppe in Wirklichkeit tot sei.

Bei "Autotomía" stehen erstmals kleinformatige Fotografien im Vordergrund. Auch sie sind mit Perforationen versehen, die oft in das Passepartout hineinlaufen und auf den Unterschied zwischen Werk und Person verweisen. Zugleich verleiht Sard Räumen, Licht oder Wolken durch die Perforationen eine weitere Dimension, die dem Raubtier namens Betrachter Räume zur Interpretation öffnet.

Ähnliche Nachrichten

In gewohnter Manier gestochen ist dagegen ein Selbstporträt der Künstlerin: ein in zwei Teile zerlegter Frauenkörper, dessen herausgeschnittener Mittelteil in einer Vitrine zur Schau gestellt wird. Allerdings legt Sard Wert darauf, dass sie keine wörtlich zu nehmenden Geschichten erzählt. Sie sei nicht wie Frida Kahlo, sagt sie. "Kahlo erzählte in ihren Bildern von ihren körperlichen Schmerzen, meine sind dagegen eher psychischer Natur."

In einem großformatigen Bild aus weißer Glasfaser greift Sard diesen Mittelteil auf, jedoch mit Ausstülpungen statt Perforierungen, als seien die Löcher wie Wunden vernarbt. Aus der Ferne sieht man deshalb keine Löcher, sondern weiße Punkte.

Unwillkürlich drängt sich die Assoziation von Narben auf, bedingt durch die Autotomie. Keine perfekte Lösung, aber eine notwendige, verbunden mit Gewissensbissen, weil sich mit dem Werk auch Fehler entwickelt haben. "Aber im Nachhinein Dinge zu ändern, macht keinen Sinn", sagt Sard. "Denn wir sind, was wir sind, weil wir gemacht haben, was wir gemacht haben."

Eine Videoinstallation ergänzt diese Ausstellung. An der Wand sieht der Betrachter sanfte Wellen des Meeres, in denen sich das Sonnenlicht spiegelt. Scheinbar hemmt ein Rahmen den Fluss des Wassers, das eine Metapher für die Zeit ist. Tatsächlich ist es aber das Wasser selbst, das in Intervallen seine Fließrichtung umkehrt. Da ist es wieder: das Unheimliche hinter dem Schönen.

INFO
Dauer: bis 28. März
Eintritt: frei
Öffnungszeite: DI bis FR 10.30 bis 13.30 Uhr und 16.45 bis 20 Uhr, SA 10. 30 bis 13.30 Uhr
Ort: Pelaires Centre Cultural Contemporani, Carrer Can Verí 3, Palma

(aus MM 50/2015)