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Sein Atelier ist kein Horror-Kabinett, obwohl die Materialien, die Andrés Planas benutzt, auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig sind: Knochen, tote Vögel, in Flüssigkeit eingelegtes menschliches Fett, von Operationen übrig gebliebene Haut, Brustimplantate aus Silikon, ausgediente Gebisse. Doch das leichte Grauen, das den Besucher im Studio oder auch bei Ausstellungen seiner Arbeiten beschleicht, legt sich schnell. Wenn man mit ihm spricht. Er ist liebenswürdig, gebildet, eloquent.

"Ich arbeite oft mit organischen Teilen", sagt Planas. Er ist seit Jahren eng befreundet mit einem Arzt für plastische Chirurgie, hat Einblick in dessen Arbeit. "Das schafft viele Anregungen, macht mich nachdenklich, bringt Assoziationen."

Die organischen Materialien verbindet er mit Fundstücken aus Plastik, kleinen Puppen, Spielzeug - er findet viel auf Flohmärkten oder im Internet - Federn, Holz. Manche seiner skurrilen Arbeiten sind in chemische Laugen eingelegt, andere in vergoldete Kästen montiert.

"Ich nenne diese Serie ,das Kabinett der Chimären'. Es sind Mischwesen, magische Konstruktionen", sagt der Künstler.

Eine Frage drängt sich sofort auf: Wie ist die Reaktion von Galerie-Besuchern? "Natürlich gibt es Ablehnung. Aber ich will ja auch die Provokation. Ich will Bewegung in den Köpfen und den Herzen der Menschen. Wenn es gar keine Reaktion gäbe, wäre meine Arbeit sinnlos."

"Meditecráneo" nennt er eine weitere Serie, ein Wortspiel zwischen "Mediterran" und "Cráneo" (= Schädel). Schädel kommen in seinen Arbeiten immer wieder vor; das Mediterrane ordnet er der kräftigen Farbgebung zu. Bei der Serie geht es Planas um "Personen ohne eigene Identität". "Dabei ist der Schädel doch ein Gefäß, dass das Sein jedes einzelnen Menschen, sein Ich und damit seine ganz besondere Struktur enthält, nämlich das Gehirn, das absolut unverwechselbar ist."

Diesen Abbildungen von Schädeln, oft verfremdet, ordnet er Zitate und Aussprüche zu von Schriftstellern, Wissenschaftlern, aus der Presse. Die Auswahl besorgte der Arzt Dr. Juan Raball.

Die Sache mit den Brustimplantaten hat mit einer Heiligen zu tun. "Die Versuchungen der Heiligen Agathe", nennt Planas diese Arbeiten in Anlehnung an jene Märtyrerin, der der nichtchristliche, römische Statthalter von Sizilien die Ehe anbot. Als sie ablehnte, ließ er sie zunächst in ein Bordell verschleppen, in dem sie standhaft blieb. Da ließ er ihr die Brüste abschneiden. In historischen Abbildungen wird die Heilige Agatha oft mit den abgeschnittenen Brüsten auf einem Tablett dargestellt. Planas verbindet in dreidimensionalen Collagen Brustimplantate mit Fundstücken, untergebracht in Plexiglaskästen. Auf diese manchmal recht rüde und grausige Weise will er die Geschichte darstellen.

Planas übt häufig Kritik an der katholischen Kirche: "Niemand hat Spanien so viel Schaden zugefügt wie sie. Und tut es bis heute. Man muss nur einmal die neuen Abtreibungsgesetze betrachten."

Planas selbst ging in Palma in eine katholisch-konfessionell gebundene Schule. Und hat schlechte Erfahrungen gemacht. "Wenn einer der Jungen auch nur ein wenig gut aussah, kam es häufig zu Berührungen seitens der Lehrer. Das war Alltag."

Collagen mit dem Titel "No Sex Please - we are aurignacians" erinnern daran. Das Aurignacien war eine frühgeschichtliche Kultur des Jungpaläolithikum von etwa 40.000 bis 28.000 v. Chr.. Aus dieser Zeit stammen die ersten Felsbilder.

"In diesen Bildern wurde niemals irgendetwas dargestellt, was auch nur im Entferntesten mit Sex zu tun hatte. Aber er muss vorhanden gewesen sein. So ist es auch mit Priestern. Es wird nicht darüber geredet, ist aber immer präsent."

So hat Planas Zeichnungen seiner Enkeltochter mit eigenen Zeichnungen, Zeitungsausschnitten und Pornoheften zu Collagen verbunden.

Doch es gibt auch noch ganz andere Arbeiten: geometrische Formen mit Farbflächen à la Rothko, bunt bemalte Stöcke, die Planas zu Traumbildern zusammenfügt, Kopien afrikanischer Skulpturen in kräftigen Farben, die an Voodoo denken lassen.

Wie vereinbart er die beiden künstlerischen Richtungen? "Es ist wie bei Yin und Yang. Mit meinen farbigen, rein abstrakten Bildern ruhe ich aus."

Andrés Planas (Palma 1957) hat Jura studiert, war 25 Jahre Strafanwalt in Madrid. "Ich hatte mit Drogendelikten, Mord, Körperverletzung und Betrug zu tun. Und damit viel Einblick in die Seele des Menschen. Als ich 50 wurde, fand ich: Es ist genug. Ich ging zurück nach Mallorca und widme mich nun nur noch der Kunst."

Wer die heutige Kunst des Andrés Planas betrachtet, ist verblüfft, wenn er erzählt, dass er als junger Mann Landschaftsansichten malte. Was er jetzt präsentiert ist witzig, böse, absurd, verspielt, surreal. Und sehenswert.


INFO

www.galeriafranreus.com

 

(aus MM 5 /2014)