Es gibt Augenblicke im Leben eines Sportreporters, die sind kaum oder gar nicht zu toppen. Für mich war einer dieser Momente ein warmer Sommerabend 2007 auf der Terrasse von Palmas Nobelhotel Arabella Sheraton. Der damalige Pay-TV-Sender Premiere unter seinem Chef Georg Koffler hatte anlässlich seines jährlichen Golf-Benefiz-Turniers zu einem "Meet-and-Greet"-Event geladen, bei dem sich zahlreiche geladene Gästen der deutschsprachigen Mallorca-Society mit den prominenten Turnierteilnehmern auf eben jener Terrasse trafen, um bei feinem Essen und edlen Getränken über Gott und die Welt zu plaudern.
Unter den bekannten Gesichtern des Abends befanden sich der damalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld, die Fußball-Weltmeister Andreas Brehme und Stefan Reuter, Eishockey-Legende Erich Kühnhackl, die ehemalige Skiläuferin Christa Kinshofer, Zehnkampf-Olympiasieger Christian Schenk, der frühere Hochsprungstar Carlo Thränhardt und Box-Promoter Wilfried Sauerland. Und dann natürlich "Kaiser" Franz Beckenbauer, dessen gleichnamige Wohltätigkeitsstiftung wie in den vier Jahren zuvor Nutznießer der Charity-Veranstaltung war.
Meine Aufgabe bestand an diesem Abend darin, mit Beckenbauer ein Interview zu führen, allerdings ohne vorherige Anmeldung und Absprache mit dessen Management oder den Veranstaltern. Motto: "Hallo, ich bin der Andreas, können wir uns kurz über ihr Leben unterhalten?" Glauben Sie mir: Diese improvisierte Überfall-Guerilla-Taktik geht nicht selten nach hinten los, und wird spätestens dann richtig peinlich für den Journalisten, wenn sich der pikiert fühlende Interviewpartner vor allen Anwesenden mit Worten wie "Ich hab' jetzt wirklich keine Zeit" oder "Rufen Sie doch bitte vorher meinen Pressesprecher für eine Terminanfrage an" ganz schnell wieder umdreht. Ein Albtraum.
Umso nervöser wurde ich, als ich mich auf der Hotelterrasse durch die eng beieinander stehenden Gäste-Grüppchen bis zum meinem Zielobjekt durchgedrängelt hatte. Das stand er schließlich vor mir. "Kaiser Franz". Die "Lichtgestalt" des deutschen Fußballs. Eine Legende, ein Mythos, ein Gott. "Vielleicht", raunte in diesem Moment der kleine Feigling in mir, "hat der Franz jetzt gerade keine Lust auf einen Plausch mit den Medien. Am besten versuchst du es später noch einmal", mahnte mich meine innere Stimme zum sofortigen Rückzug. U
nd genau in diesem Moment nahm mich Beckenbauer aus den Augenwinkel wahr, drehte sich zu mir um und blickte mich fragend an. "Hallo, ich bin der Andreas und würde gerne ein Interview mit Ihnen machen", stotterte ich. Danach totale Stille. Alle Augenpaare auf mich gerichtet. Und dann die Worte von Franz: "Na logisch, das mache ich doch glatt. Aber da suchen wir uns beide mal lieber ein ruhiges Plätzchen, ist doch sonst viel zu laut hier".
Unter den überraschten Blicken der Party-Gäste zog mich Beckenbauer daraufhin am Arm in die hinterste Ecke der Hotelterrasse. Doch bevor ich meine Fragen stellen konnte, befragte mich erst einmal der "Kaiser", was ich hier auf der Insel denn so treibe würde, wie lange ich auf Mallorca schon lebe, und wie sehr er mich dafür beneide, an einem so schönen Ort auf dieser Welt zu wohnen.
Es kam mir vor, als ob ich diesen Mann mit dem freundlichen, ehrlichen Lächeln schon sehr viel länger als nur ein paar Momente kennen würde. Von Überheblichkeit, Besserwisserei oder gar Arroganz war bei ihm nichts zu bemerken. Stattdessen beantwortete er jede meiner Fragen mit ehrlicher Aufmerksamkeit und echtem Interesse. Ein echter Profi, ein Gentleman, ein Kaiser. Diese Begegnung mit Franz Beckenbauer werde ich jedenfalls nie vergessen.
Ruhe in Frieden, Franz!
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