Auf Mallorca verlor sich Ende der 70er Jahre ihre Spur. Danach, so erzählt Manfred Braatz, hätten weder Familie noch Freunde je wieder etwas von Birgit Raschmann gehört. Sie sei seine große Jugendliebe gewesen, berichtet der 65-jährige Berliner, der von 1974 bis 1992 in Lateinamerika gelebt hat. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland sucht Braatz nach der Frau. So habe er es ihrer Mutter 1992 kurz vor deren Tod versprochen. "Charlotte Raschmann hat es nie verstanden und verwunden, dass ihre Tochter plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war. Birgit war auch für mich eine wichtige Person, und ich werde den Rest meines Lebens damit verbringen, etwas über ihr Schicksal herauszufinden."
Viel Zeit bleibt Manfred Braatz wohl nicht mehr. Seine Ärzte am Berliner Charité-Krankenhaus haben dem HIV-Patienten eine Lebenserwartung bescheinigt, "die absehbar ist". "Ich würde so gerne in Ruhe sterben, in der Gewissheit, dass ich noch etwas über Birgit und ihr Schicksal nach 1979 erfahren konnte." Selbst die Nachricht von ihrem Tod würde ihn zur Ruhe kommen lassen, denn "die Ungewissheit ist am schlimmsten". Seine größte Angst sei es, dass Birgit Raschmann einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sein könnte und die Umstände ihres Todes vielleicht nie ans Licht kämen. "Aber vielleicht gibt es ja jemanden, der sie kannte und diesen Artikel liest."
Dann erzählt der frühere medizinisch-technische Assistent die einzigen Fakten, an die er sich bei der Suche klammert: "Wir waren Schulfreunde, und als ich 1968 nach dem Abitur die Stadt verließ, machte Birgit, die damals 16 war, eine Lehre in einem Frankfurter Reisebüro. Ihre Mutter erzählte mir Jahre später, dass sie Mitte der 70er Jahre nach Mallorca ausgewandert sei."
In Palma soll Birgit Raschmann dann unter anderem mit einem Spanier ein Reisebüro geführt haben, später eine Lederboutique im Zentrum der Stadt. Dass die junge Frau zu der Zeit tatsächlich auf der Insel war, wird auch vom deutschen Konsulat auf Mallorca bestätigt, an das sich Manfred Braatz 1992 Hilfe suchend gewendet hatte. "Sie haben mir damals geschrieben, dass Birgit 1976 dort ihren Reisepass verlängert hat." Danach habe sie offenbar nie wieder im Konsulat vorgesprochen.
Suchaktionen über das Bundeskriminalamt, die spanische Botschaft in Madrid und das Deutsche Rote Kreuz blieben erfolglos. "Meist bekam ich keine Auskunft, weil ich kein Familienangehöriger bin", erklärt Braatz. Charlotte Raschmann habe ihre Tochter einmal, 1978, auf Mallorca besucht. "Danach hat nie wieder jemand etwas von ihr gehört, auch nicht ihre beste Freundin Monika Dose aus Berlin, mit der ich mehrmals gesprochen habe. Wir konnten nie verstehen, was passiert war."
Dass die Deutsche auf Mallorca verstorben ist, sei zumindest zu Lebzeiten der Mutter unwahrscheinlich, erklärt Gerd Kemper von der deutschsprachigen Kirchengemeinde auf Mallorca. "In diesem Falle melden die spanischen Behörden den Tod dem Konsulat, das dann versucht, in Deutschland Angehörige ausfindig zu machen. Gelingt dies nicht, gäbe es zumindest einen Vermerk über das Ableben beim Konsulat." Unterlagen über Sozialbegräbnisse würden von den spanischen Behörden nicht länger als fünf Jahre aufbewahrt.
Ein mögliches Lebenszeichen nach 1979 könnte eine Auskunft aus dem Melderegister von Bad Nenndorf sein. Dort wird bestätigt, dass Birgit Raschmann am 21.02.1994 abgemeldet wurde und nach Costa de la Calma verzogen sei. Vielleicht, so hofft Braatz nun, findet sich über einen Leser ja doch noch eine Spur aus der Vergangenheit.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.