Die Zahl der Mallorca-Touristen wird in diesem Jahr erstmals auf mehr als zwölf Millionen steigen. Dieses Foto zeigt den Es-Trenc-Strand. | Elena Ballestero |PALMA

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Ende September hält auch auf Mallorca üblicherweise der Herbst Einzug. Nicht so in diesem Jahr. Bei Temperaturen von mehr als 30 Grad waren die Strände auch in der ersten Oktoberwoche noch gut besucht. Der Sommer scheint diesmal gar nicht zu Ende gehen zu wollen. Ein Sommer, der der Insel einen neuen Touristenrekord beschert. Noch nie kamen so viele Urlauber nach Mallorca, wie 2023. Es dürften wohl deutlich mehr als zwölf Millionen werden bis zum Jahresende. Der bisherige Bestwert aus dem Jahr 2018 lag bei knapp 11,8 Millionen.

Den am Dienstag veröffentlichten aktuellsten Daten des spanischen Statistikamtes zufolge, kamen im August 1.977.436 internationale Touristen auf die Balearen – etwa 160.000 mehr als im Vergleichsmonat des bisherigen Rekordjahres 2018. Damit sind in den ersten acht Monaten 2023 mehr als 9,1 Millionen Urlauber aus dem Ausland auf die Inseln gekommen – fast 600.000 mehr als im Vergleichszeitraum des Rekordjahres 2018.

Die Balearen waren den Daten zufolge im August das gefragteste Reiseziel des Landes. 23 Prozent aller internationalen Touristen, die nach Spanien reisten, wählten die Inseln als Urlaubsdestination. Lediglich Katalonien mit 21 Prozent konnte da einigermaßen mithalten. Die größte Urlaubergruppe stellten auf Mallorca im August die Deutschen, gefolgt von den Briten und Spaniern. Insgesamt kamen 2023 bislang fast drei Millionen Deutsche auf die Insel – exakt genauso viele wie im Vergleichszeitraum des Rekordjahres 2018. Der Anstieg der Gesamt-Urlauberzahl ist den Spaniern, Franzosen, Italienern und US-Amerikanern zu verdanken, die sich verstärkt für Mallorca als Reiseziel entschieden.

Auch am Flughafen Palma zeichnet sich ein neuer Rekord ab. Alleine im August wurden dort 4.371.606 Passagiere abgefertigt. Es gab 29.233 Operationen – macht rein rechnerisch alle 90 Sekunden einen Start oder eine Landung. In den ersten acht Monaten lag die Passagierzahl bei fast 22 Millionen und damit um 3,5 Prozent über dem Wert des bisherigen Rekordjahres 2019. Unter den aufkommenstärksten Flughäfen des Landes liegt Palma damit weiterhin auf Rang drei hinter Madrid und Barcelona.

„Die Saison ist wunderbar gelaufen”, sagt Martin Frank vom Hotel Bella Colina in Peguera. Seit Ostern sei man fast durchgängig der Vollauslastung nahe gewesen. Auch der Oktober werde wohl noch gut laufen. Ob es nun die beste Sommersaison aller Zeiten gewesen sei, da will sich Frank allerdings nicht festlegen. Auch 2018 sei ein sehr gutes Jahr gewesen. „Dieser Sommer war vom Umsatz her besser.” Man habe bis in den Herbst hinein gute Preise erzielt. „Allerdings sind ja auch die Kosten gestiegen.” Die überwiegend deutschen Gäste kamen trotzdem. „Man merkt einfach: Der Urlaub steht für die Leute an erster Stelle. Auch wenn er nun zehn Prozent teurer ist.”

Das hat auch Christophorus Heufken vom Hotel Palacio Sant Salvador in Artà so erlebt. „Unsere Preise waren so hoch wie nie”, sagt er. „Die Leute haben das trotzdem bereitwillig gezahlt.” Vor allem der August sei sensationell gewesen. „Das Jahr war wirklich sehr gut. Wir sind sehr zufrieden. Das haben wir aber auch gebraucht, nach den Katastrophenjahren zuletzt.”

In Jubelstimmung ist man beim Hotelverband FEHM dagegen nicht. „Der Sommer war gut”, sagt eine Sprecherin. „Ungefähr auf dem Niveau von 2022, aber noch nicht auf dem von 2019.” Die reine Touristenzahl allein sage nämlich noch nichts darüber aus, wie die Geschäfte der Hoteliers liefen. Die Buchungszahlen seien gut gewesen. Im Juli und August lag die durchschnittliche Auslastung der dem Verband angeschlossenen Hotels bei etwa 90 Prozent.

Im September noch bei 85 Prozent. Auch die Preise hätten höher gelegen als in vergangenen Jahren. Der Umsatz entspreche aber nun einmal nicht dem Gewinn. Und der sei wegen der gestiegenen Preise und sonstigen finanziellen Verpflichtungen vieler Hoteliers gar nicht so hoch ausgefallen. „Wir können den Erfolg nicht allein an Übernachtungen festmachen”, so die Fehm-Sprecherin. „Sondern an der Produktivität.” Die Art, wie der Erfolg einer Saison gemessen wird, verändere sich gerade grundlegend. Deshalb will man beim Hotelverband auch die Frontur-Zahlen am liebsten gar nicht kommentieren.

Auch aus Sicht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften gibt es trotz geradezu Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt nicht nur Grund zur Freude. Es gibt Kritik an der hohen Belastung während der Hauptsaison. Angaben des spanischen Statistikamtes zufolge lag die Anzahl der Überstunden bereits im zweiten Quartal des Jahres fast doppelt so hoch, wie im selben Vorjahreszeitraum. Besonders groß ist der Anstieg in der Diensleistungsbranche und insbesondere in touristischen Betrieben, so Gewerkschaftsvertreter. Viele der Überstunden würden weder bezahlt noch durch Freizeit ausgeglichen. Im dritten Quartal, für das noch keine offiziellen Zahlen vorliegen, dürfte sich der Trend noch verstärkt haben.

Eine Ursache für die hohe Arbeitsbelastung ist der Fachkräftemangel, unter dem auch Mallorcas Tourismuswirtschaft leidet. Die Beschäftigtenzahlen der Sozialversicherung belegen ebenfalls die enorme Aktivität in der Branche. Demnach waren balearenweit im August 177.587 Personen sozialversicherungspflichtig im Tourismussektor beschäftigt – eine Steigerung um 5,4 Prozent im Vergleich zum selben Vorjahresmonat. Gewerkschaftsvertreter forderten zuletzt wiederholt, die Vorgaben des Tarifvertrages müssten eingehalten werden, andernfalls werde es im kommenden Jahr Protestaktionen geben. Medienberichten zufolge gibt es bereits konkrete Pläne für Kundgebungen in der Osterwoche.

Einigkeit herrscht dagegen beim Thema Saisonverlängerung: Sowohl Unternehmer als auch Gewerkschaften bewerten die Aussichten für diesen Herbst und Winter als positiv. Die Fluggesellschaften etwa halten in den Monaten Oktober bis April so viele Verbindungen nach Mallorca aufrecht, wie noch nie im Winterhalbjahr. Die Planung sieht fast 7,3 Millionen Sitzplätze vor, 24 Prozent mehr als im Jahr 2019. Viele Hotels wiederum wollen, wenn überhaupt, erst Ende November schließen und bereits im Februar wieder öffnen, wie es heißt. Laut Hotelverband Fehm haben beispielsweise in Palmas Innenstadt mittlerweile 80 Prozent aller Hotels ganzjährig geöffnet. Gut möglich also, dass das kommende Jahr erneut einen Anstieg der Besucherzahl mit sich bringen wird.

Dabei schien auf der Insel eigentlich Konsens darüber zu herrschen, dass der Tourismus seine Grenzen erreicht hat. Als Mallorca im Jahr 2018 zuletzt einen Urlauberrekord verzeichnete, da regierte auf den Balearen noch der Linkspakt und erklärte den damaligen Bestwert zur absoluten Obergrenze, die die Insel aufnehmen könne. Die Zahl von damals wird nun jedoch übertroffen und seit dem Machtwechsel im Frühsommer gibt es von Regierungsseite deutlich weniger tourismuskritische Äußerungen.

So gab sich beispielsweise der neue zuständige Minister, Jaume Bauzà, kürzlich im Interview mit der MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” zurückhaltend. „Ich würde sagen, dass es eine touristische Sättigung an konkreten Orten und zu bestimmten Momenten der Saison gibt, im Juli und August sowie in der zweiten Junihälfte”, zitierte ihn das Blatt. „Dann gibt es Situationen, die niemandem gefallen.” Er verwahre sich aber strikt gegen die Aussage, die Balearen seien ein Synonym für touristische Massifizierung. Gleichzeitig verwies er darauf, dass es seine Partei gewesen sei, die konservative PP, die auf den Balearen als erste Mechanismen zur Begrenzung der Urlauberzahl eingeführt habe, etwa in Form der sogenannten Bettenbörse, die die Zahl der Übernachtungsplätze deckelte.

Beim Hotelverband Fehm will man das Thema „Grenzen des Tourismus” gar nicht mehr kommentieren. „Auf diese Debatte lassen wir uns nicht ein”, sagt eine Sprecherin. Das Geschäft mit den Urlaubern sei nun einmal der wichtigste Motor der Inselwirtschaft. Es sei positiv zu bewerten, dass dieser weiterhin funktioniere. „Mallorca ist gestärkt aus der Pandemie hervorgegangen. Das Interesse der Touristen an der Insel ist vorhanden.” Daran gibt es tatsächlich keinerlei Zweifel.