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Die alten Feinbilder sind neuen Ideen gewichen: Seitdem das Schlagwort „nachhaltige Entwicklung” in aller Munde ist, sind Verbraucher, Naturschützer, Tourismusbranche und Politiker enger zusammen gerückt. „Naturschutz und Tourismus müssen heute „Hand in Hand” gehen”, sagt Wolf Michael Iwand, der beim Reiseveranstalter TUI seit elf Jahren als Umweltmanager tätig ist. Als er damals seinen Posten antrat, war er weltweit der erste Naturschutzbeauftragte eines Reiseveranstalters. Beispielhaft für die Branche sei dies noch heute, sagt Gerald Hau, Projektleiter der Stiftung Euronatur, die sich europaweit um die Förderung von Naturschutzprojekten bemüht.

Die beiden sind alte Bekannte: Man trifft sich auf Konferenzen und engagiert sich teilweise sogar in denselben Projekten: Die Förderung des griechischen Nationalparks Zakynthos ist das jüngste Beispiel.

Euronatur hat den Besuch einer Delegation der Griechen auf Mallorca und auf Cabrera organisiert. Die TUI trat als Sponsor auf und sorgte für den Transport der Gruppe. Schon vorher, so Iwand, sei er auf der griechischen Insel in Sachen Naturschutz aktiv gewesen: Vor Jahren habe sich die TUI aus Hotels an einem Schildkrötenstrand auf Zakynthos zurückgezogen.

Der TUI-Umweltmanager hat keine leichte Aufgabe, muss er doch die Belange von Natur und Umwelt, die Wünsche der Urlauber und die Interessen des Reiseveranstalters unter einen Hut bringen: „Innerhalb des Unternehmens stoße ich jeden Tag auf Grenzen.” Für den Rückzug des Veranstalters aus umstrittenen Zielgebieten hat Iwand ein entscheidendes Argument: „Der Gast erwartet vom Veranstalter, dass der ihn nicht in eine Rolle bringt, in der er sich als Störenfried empfindet. Er will im Urlaub ein gutes Gewissen haben.”

Auch wenn viele Deutsche wegen der landschaftlichen Reize nach Mallorca kommen, sei für die Zufriedenheit des Urlaubers zu 80 Prozent das Hotel entscheidend. In dieser Hinsicht sei Mallora spitze: „Unser Kunde will Mallorca in erster Linie wegen der Hotels. Wir verzeichnen hier eine sehr hohe Urlaubszufriedenheit. Was die ökologischen Aktivitäten anbelangt, sind die mallorquinischen Hoteliers allerdings keine Vorreiter. Da fehlt es an Innovation.” Viele könnten seiner Ansicht nach mehr tun, zum Beispiel um Wasser zu sparen und weniger Müll zu machen.

Die TUI gebe dazu Anreize, indem sie weltweit in 25.000 Hotels Befragungen durchführe, deren Ergebnisse fortlaufend festgehalten werden und in die Kataloge mit einfließen. „Wir geben in unseren Katalogen den Hinweis, ob ein Hotel umweltschonend ist, um den Kunden zu sensibilisieren”, sagt Iwand. Auch Umweltschützer Gerald Hau sieht darin einen Vorteil: „Die TUI wirbt mit dem Thema Umweltschutz für sich. Deshalb kann man gewisse Dinge auch einfordern.”

Auch eine Beurteilung der ökologischen „Standortqualität” fließe in die Kataloge ein. „Jedes Jahr wird für die Balearen wie auch für andere Zielgebiete eine etwa 300 Seiten starke Umweltstudie erstellt”, so Iwand. Dabei spiele auch der Anteil der geschützten Flächen eine Rolle.

„Für uns ist Menorca aus ökologischer Sicht das bessere Beispiel, wenn wir von umweltschonendem Tourismus reden”, sagt der Umweltbeauftragte. Das sei kein Wunder: Schließlich ist Menorca komplett Biosphärenreservat. Die Aktivitäten seien generell stärker geregelt und würden besser kontrolliert als auf Mallorca.

Dennoch kann sich auch die balearische Hauptinsel vor allem im Vergleich zu anderen Mittelmeerinseln sehen lassen. Cabrera gilt als Vorzeige-Nationalpark und mit Albufera hat Mallorca ein für den Tourismus wichtiges Naturschutzgebiet. Auch die Reiseveranstalter tragen Verantwortung, wenn es um die Nutzung von Naturschutzgebieten geht, findet Iwand. In anderen Gegenden dieser Welt laufe die Entwicklung schief, wie etwa am Teide von Teneriffa, wo der Touristenzustrom „längst am Limit des Verträglichen liegt”.

Grundgedanke der Öffnung von Schutzgebieten ist, dass nur der bewusst und korrekt mit etwas umgeht, der die Zusammenhänge und Probleme versteht: Die Naturschutzgebiete haben deshalb den Auftrag, Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein Manko auf den Balearen: In den allermeisten Einrichtungen werden Erklärungen nur in Spanisch oder Katalanisch gemacht. Hinweistafeln in Englisch oder einer anderen für die Urlauber zugänglichen Sprache gibt es kaum.

Die Überzeugung, dass Tourismus nicht nur wirtschaftliche Interessen im Blick haben darf, sondern auch umwelt- und sozialverträglich sein muss, setzt sich immer mehr durch, wie auch am Beispiel Mallorcas zu beobachten ist. „In den 80er Jahren war das Stichwort ,Balearisación' ein Schimpfwort für Missmanagement im Tourisimus”, so der TUI-Mitarbeiter. Heute gelten die Inseln als eine der fortschrittlichsten Urlaubsregionen. „Die Mallorquiner sind enorm lernfähig”, so Iwand. Und die derzeitige Regierung wolle es besser machen als die Vorgänger.

„Wichtige politische Entscheidungen werden in den regionalen und kommunalen Gremien gefällt”, so Iwand. „Der Bürgermeister ist die entscheidende Figur bei Perspektiven touristischer Entwicklung.”

Die wenig entwickelten Orte gelten nicht von vorneherein als die Musterknaben. Obwohl Calvià bereits eine drastische Entwicklung mit starkem Flächenverbrauch hinter sich hat, gehöre die Gemeinde in Hinsicht auf dei Entwicklungspolitik heute zu den Vorzeigemodellen. In Alcúdia sei ein positiver Prozess ins Stocken geraten. In anderen Gemeinden wie Ses Salines ist eine Anstrengung, Naturschutz und Tourismus zu verbinden, nach Ansicht von Iwand gar nicht nachzuvollziehen.

Die Folgen des Tourismusbooms der vergangenen Jahrzente sind auf Mallorca unübersehbar: Zwar gehört die Insel zu den reichsten Regionen Spaniens und ist Mallorca weltweit ein Begriff, doch hat die massive Bebauung der Küsten und der Massentourismus eine Vielfalt von ökologischen Problemen geschaffen: Die Dünenstrände sind fast zu 100 Prozent ausradiert und durch künstliche Strände ersetzt worden. Die Posidoniawiesen in Strandnähe sind zurückgegangen. Der Wasserverbrauch in der Hauptsaison übersteigt bei weitem die natürlichen Kapazitäten der Insel. Und auch das Müllproblem ist auf Mallorca immer noch nicht gelöst. Größtes soziales Problem ist die Angst vieler Mallorquiner vor einem Verlust ihrer Identität.

„Der Druck, der durch den Tourisimus verursacht wird, ist groß auf Mallorca”, sagt Euronatur-Mitarbeiter Gerald Hau. „Erschreckt” habe ihn bei seinem Besuch auf der Insel, wie wenig erneuerbare Energien genutzt werden. Aber es sei auf der Insel auch sehr viel Positives erreicht worden: So verfüge Mallorca seines Wissens über 80 Kläranlagen. Auf anderen europäischen Mittelmeerinseln gebe es dagegen noch überhaupt keine.

„Mallorcas Hauptproblem ist heute, dass das Wachstum so nicht weitergehen kann”, so Hau. „Irgendwann verliert die Insel ihren Charakter.” Euronatur arbeitet mit dem Balearischen Naturschutzbund GOB zusammen. Gemeinsam befürworte man die geplante Einführung der Umweltsteuer. Studien hätten gezeigt, dass der deutsche Tourist durchaus bereit sei, die Abgabe zu zahlen. Mallorcas Ökosteuer sollte seiner Ansicht nach auch in anderen Regionen Schule machen, vor allem, um Verwaltungen von Naturschutzgebieten zu finanzieren.

Die Frage, wie Schutzgebiete und Tourismus verbunden werden können, ist eines der zentralen Themen bei den internationalen Konferenzen im „Jahr des Ökotourismus”, zu dem die Vereinten Nationen 2002 erklärt haben. Dabei wird der Trend zum Ökotourismus – weltweit erfährt er große Zuwächse – auch in Naturschutzkreisen kritisch betrachtet: „Wenn jeder plötzlich auf eigene Faust ins Hinterland aufbricht, kann das erhebliche Probleme mit sich bringen”, so Gerald Hau, „in großen Konzentrationen wie an der Playa der Palma kann der Touristenstrom wenigstens in geordnete Bahnen gelenkt werden.