Man ahnt es bei der Fahrt durch die vielen neuen Urbanisationen,
beim Bummel durch Einkaufszentren und beim Blick auf Baustellen:
Die Zahl der Nicht-Spanier auf Mallorca hat in letzter Zeit stark
zugenommen.
Jetzt liegen erstmals verlässliche Daten über die Immigration
auf die Balearen vor, die diesen Eindruck bestätigen. ,,Wir haben
einen spektakulären Anstieg festgestellt”, sagt Pere Salvà. Auf
120.000 Menschen kalkuliert der Professor für Humangeografie an der
Universität der Balearen in einer neuen Studie die Zahl der
Ausländer, die fest oder zumindest die meiste Zeit des Jahres auf
den Balearen leben. Davon sind 49.000 Deutsche. 10.500 leben fest
auf den Inseln, 38.500 gelten für den Forscher als
,,Saison-Residenten”.
Vor Jahresfrist hatte der wichtigste Experte in Sachen
Einwanderung auf Mallorca noch von 75.000 Nicht-Spaniern auf dem
Archipel gesprochen, die Zahl der Deutschen gab er mit 36.000
an.
Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung der Inseln
(890.000) liegt laut Salvà jetzt bei 13 Prozent. Was viele
Mallorquiner als Bedrohung ihrer Kultur interpretieren, übersteigt
zwar erheblich den Ausländeranteil im Rest von Spanien (knapp zwei
Prozent), liegt aber im Rahmen westeuropäischer Normalität: So
leben im Bundesland Hessen 13'9 Prozent Menschen ohne deutschen
Pass, in Nordrhein-Westfalen 11 Prozent, in Berlin 14 und in
Hamburg 18'7 Prozent. Deutschland insgesamt kommt auf einen
Ausländeranteil von 8'9 Prozent. In der Schweiz ist sogar fast
jeder fünfte Einwohner Ausländer.
Vor allem die Arbeitsimmigration aus Marokko und anderen
afrikanischen Staaten wie Senegal oder Nigeria hat auf den Inseln
beträchtlich zugenommen. Auch die Zahl der Deutschen hat sich
erhöht, wobei Salvà bei Alemanes und anderen Europäern zwei Gruppen
von Immigranten unterscheidet: Die einen verbringen auf Mallorca
ihren Lebensabend oder verzehren auch schon in jüngeren Jahren die
Zinsen ihres Vermögens. Sie verwandeln Mallorcas Küstenzonen und
ländliche Regionen in ,,Peripherien” der urbanen Zentren des
Kontinents, wie es der Geograf ausdrückt. Andere Europäer kommen,
um auf den Balearen ganz normal zu arbeiten.
Die Daten, die seiner Untersuchung zugrunde liegen, sucht der
Wissenschaftler aus diversen Quellen zusammen. Offizielle Zahlen
stammen aus den Melderegistern (Padrones) der Gemeinden, aus
Volkszählungen und von der Ausländerbehörde oder der
Sozialversicherung. So waren beispielsweise im Juni 2000 bei der
Seguridad Social auf den Balearen 32.189 ausländische Arbeitnehmer
registriert, darunter 7747 Deutsche.
Wichtiger als diese relativ leicht zugänglichen offiziellen
Zahlen sind aber die anderen Parameter, mit denen Salvà die eben
nicht erfassten Ausländer ohne Residencia und Arbeitsgenehmigung
statistisch erfasst. Genau auf diesen Berchnungen beruht des
Professors wissenschaftliche Leistung.
Hierfür zieht Salvà Daten über die verkauften Tickets der
Fluglinien, Baugenehmigungen an Ausländer, Einträge der
Katasterämter, Rechnungen über Müllgebühren, KfZ-Steuern,
Stromrechnungen, Umfragen der kommunalen Bauämter sowie
Informationen der lokalen Polizeien und der Post heran.
So kommt der Professor für 1999 auf 47.362 feste Residenten.
Hinzu rechnet er 72.000 ,,temporäre” Residenten, die länger als
drei Monate im Jahr auf den Balearen leben. Das macht insgesamt
knapp 120.000 Ausländer.
72 Prozent davon sind Europäer (86.500), wobei deren
Anteil aber zurückgegangen ist. Denn die Immigration aus Afrika,
der Kontinent stellt jetzt mit 22.600 Menschen 19 Prozent aller
Balearen-Ausländer, hat vergleichsweise stärker zugenommen als der
Zuzug von EU-Bürgern. Der Rest der Einwanderer (sechs Prozent)
kommt aus Asien (3000) und vor allem aus Lateinamerika (7100).
Unter den europäischen Einwanderern überwiegen mit 56 Prozent
die Frauen. Das führt Salvà auf den hohen Anteil weiblicher
Arbeitskräfte im Touristen-Geschäft zurück und auf die höhere
Lebenserwartung von Frauen, die sich bei der Zahl der Ruheständler
bemerkbar mache. Unter den Lateinamerikanern ist der Frauenanteil
sogar noch höher, weil viele ,,Latinas” traditionell als
Haushaltshilfen oder auch als Prostituierte einwandern. Hingegen
sind die Immigranten aus Marokko oder dem Senegal zu drei Vierteln
männlich.
Unter den deutschen Einwanderern ist jeder dritte älter als 60
Jahre, 40 Prozent sind zwischen 40 und 60 Jahre alt, 20 Prozent
zwischen 20 und 40 und zehn Prozent sind laut Salvà Minderjährige.
Aus den jüngeren Altersgruppen stammen die Arbeitsimmigranten, die
sich in der balearischen Tourismusund Servicewirtschaft verdingen.
Die jüngeren Deutschen und anderen Europäer sorgen auch jenes
Phänomen, das der Professor ,,Unternehmer-Immigration” nennt, den
Zuzug von Telearbeitern, Immobilienagenten, Firmengründern und
Tourismusfachkräften. Sie prägen Mallorcas Charakter als
,,Kalifornien Europas”, wo im Gegensatz zum Bild des
,,Rentnerparadieses Florida” eine Wirtschaftsstruktur entstanden
ist, die nicht zuletzt Teil auf Arbeit, Initiative und Wissen von
Neuankömmlingen beruht.
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