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... Aber nicht für jeden. So entspannen Sie richtig!

Ich habe ein langes, ruhiges Wochenende hinter mir. Ich habe viel geschlafen, gut gegessen und war sogar am Sonntag ein bisschen spazieren. Ich kann mich gut erholen bei viel Ruhe und gutem Essen. Sportliche Betätigungen reduziere ich gerne auf das vertretbare Minimum oder noch darunter. Ich erhole mich aber ebenso bei sozialen Veranstaltungen, Konzerten, Theaterbesuchen, Kino oder Treffen mit Freunden. Ich versuche, in Erholungsphasen möglichst jeglichem Stress, auch dem Freizeitstress aus dem Weg zu gehen. Mit diesem Verhalten bin ich eher eine Rarität. Die meisten Menschen versuchen, in ihrer freien Zeit möglichst viel Erholung und Entspannung zu finden.

Dass das schnell ein Boomerang werden kann, habe ich oft während meiner Arbeit in der Psychosomatik in Deutschland erlebt. Ich erinnere mich an einen Patienten, Geschäftsmann, der wegen Burnout in die Klinik kam für eine sechswöchige Auszeit. Nach kurzer Zeit war sein Terminkalender so voll wie zu Hause. Er hatte sich für diverse Dienste eingetragen, die die Patienten übernehmen können, sich jede Menge Sport auferlegt, absolvierte seine regulären Therapiesitzungen, wollte zusätzlich etliche Spezialgruppen besuchen. Die Folge war, dass er nach ein paar Tagen völlig überfordert und erschöpft fast erneut zusammenbrach. Erst, als ihn sein Therapeut darauf hinwies, dass er sich selbst vollkommen überfordert hatte, konnte er erkennen, dass er in jeder Umgebung, ganz gleich, ob im Geschäftsleben, privat oder in der Klinik immer sein Bestes geben musste, alles ausnutzen, was angeboten wurde und ebenso allen beweisen musste, wie aktiv und hilfsbereit er war.

Dieses Verhaltensmuster hatte er sich nicht selbst ausgesucht, er hat es gelernt. In seiner Familie, Geschäftsleute seit Generationen, definierten sich (vor allem) die Männer nur über Leistung, Umsatz, Aktivitäten. Er hatte lange zu kämpfen mit der Idee, dass man auch ein wertvolles Mitglied einer Familie, der Gesellschaft sein kann, wenn man nicht immer in der ersten Reihe steht und für alle und alles die Verantwortung übernimmt. Er lernte, dass es wichtig ist, gut für sich zu sorgen und, dass man durch Delegieren viel Lebenszeit dazugewinnen kann. Es spielt übrigens keine Rolle, ob sich dieses Verhalten im Leben eines Geschäftsmannes oder einer Hausfrau zeigt (dasselbe gilt für Geschäftsfrauen und Hausmänner!). Sehr viele Menschen haben destruktive Muster gelernt, die dafür sorgen, dass sie sich ohne Ende überfordern. Der Körper und die Seele spielen bedauerlicherweise oft eine lange Zeit mit, bis dann irgendwann ein Burnout, Depression oder eine körperliche Erkrankung drohen.

Wer viel arbeitet, braucht auch also viel Entspannung? Diese Aussage wird wohl jeder unterschreiben. Ist so aber nicht (ganz) richtig. Es kommt nämlich auch darauf an, welche Form von Entspannung für den Einzelnen die Richtige ist. Anhand von vier verschiedenen Anforderungen, sprich Erschöpfungszuständen, lassen sich ebenso viele unterschiedliche Erholungs- und Entspannungsmöglichkeiten beschreiben. Beginnen wir mit der Erschöpfung durch langes, konzentriertes Arbeiten, beispielsweise am Computer bei gleichzeitigem Bewegungsmangel. Acht Stunden in mehr oder weniger schlechter Luft bei künstlicher Beleuchtung. Dabei die meiste Zeit auf einen Bildschirm starren und sich Gedanken machen müssen. Das schlaucht auf Dauer die meisten Menschen. Hier kann es sehr hilfreich sein, regelmäßig spazieren zu gehen, ganz gleich bei welchem Wetter. Frische Luft und, falls möglich, Tageslicht sind hilfreich für Körper, Geist und Seele. Der Blutdruck kann sich normalisieren, Stresshormone, wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol abgebaut werden. Da wir beim Gehen besser atmen, wird das Gehirn automatisch mit Sauerstoff versorgt, die Kreativität steigt.

Arbeiten Sie eher körperlich im Handwerk oder auf einer Baustelle, fühlen sich nach der Arbeit eher geschwächt und schlapp? Haben Sie den ganzen Tag Lärm um die Ohren, sind wohlmöglich dem Wetter ausgesetzt? Dann wäre es für Sie eher richtig, sich schlichtweg auszuruhen und nichts zu machen. Dabei kann es hilfreich sein, die Füße hochzulegen, wenn es möglich ist. Vielleicht ein Schwätzchen mit Freunden, ein gemeinsames Essen oder ein Fernsehabend, mehr braucht es gar nicht, um zur Ruhe zu kommen, um neue Energie zu tanken. Ihr Körper wäre mit noch mehr Anstrengung während der freien Zeit womöglich eher überfordert, als dass es ihm nutzen würde.

Bei emotional erschöpfender Tätigkeit, beispielsweise als versorgendes Elternteil von (kleinen) Kindern oder in pflegenden Berufen kann es hilfreich sein, Achtsamkeitsübungen zu erlernen und zu praktizieren. Diese können auch dabei helfen, Grübelschleifen zu durchbrechen, wenn Sie so gar nicht aufhören können, über den Arbeitstag nachzudenken. Dadurch sinkt auch der Blutdruck, die Konzentrationsfähigkeit verbessert sich wieder. Wichtig ist auch, auf eine gute Atmung zu achten. Lange und tiefe Atemzüge in den Bauch sind sehr beruhigend. Wenn Sie eher zu den Bewegungsmenschen gehören, können auch leichte sportliche Betätigungen beim Stressabbau helfen.

Haben Sie beruflich hauptsächlich mit Menschen zu tun und müssen Sie pausenlos reden, beispielsweise im Verkauf, Callcenter oder bei einer Behörde? Sind Sie am Abend fast heiser, weil Sie so viel erklären oder beschwichtigen müssen? Dann erholt sich Ihr System eher durch Ruhe und Reizentzug. Wenn Sie mögen, kann leise Musik nicht schaden, um einmal abzuschalten. Erlauben Sie sich zur Entspannung immer mal wieder, die Gedanken schweifen zu lassen. Auch beim Tagträumen ist Ihr Gehirn aktiv. Wichtige Erinnerungen werden dabei abgerufen und wir versuchen, daraus zu lernen. Das hilft uns auch bei der Entwicklung neuer Lösungsmöglichkeiten im Alltag.

Natürlich sind das alles nur Beispiele. Wenn Sie es bevorzugen, andere Dinge in Ihrer Freizeit zu tun, sollten Sie nur darauf achten, dass Sie nicht dieselbe oder eine ähnliche Betätigung ausüben, die schon während Ihrer Arbeitszeit zu Ihren Aufgaben gehört. Und wie Paracelsus, der Schweizer Arzt und Naturphilosoph, schon sagte, gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Ich wünsche Ihnen eine entspannte Woche. In diesem Sinne.