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Nach wie vor ist die dreistündige Mittagspause mit ausgiebigem Essen und einer anschließenden Siesta, während der das Leben auf den Straßen, in den Geschäften und Büros erstirbt, Teil der Vorstellung, die man im Ausland von Spanien und Mallorca hat. "Spanien schlachtet die heilige Kuh", schrieb 2012 ein deutsches Nachrichtenmagazin, als die hiesige Regierung das Ladenöffnungsgesetz lockerte und es Einzelhändlern so ermöglichte, über die Mittagszeit zu arbeiten - ohne zusperren zu müssen. Seit zehn Jahren macht sich die "Vereinigung für die Rationalisierung der spanischen Arbeitszeiten" für das Ende der Siesta stark, der Name der Organisation klingt zwar eher unternehmerisch-rational, doch setzt sie sich für menschenwürdige Arbeitszeiten ein. Man kann den Verlust der spanischen Ultramittagspause als Gleichmacherei Europas verfluchen, sollte dabei aber einige Punkte nicht vergessen. Zum einen ist die Siesta gar nicht so alt wie manche denken mögen, sie entstand Mitte des vergangenen Jahrhunderts aus den Nöten der Franco-Diktatur heraus. Denn wer zwei Jobs brauchte, um seine Familie durchzufüttern, dem sei auch ein Mittagsschlaf gegönnt. Auch Landarbeitern, die im Sommer unter südspanischer Sonne schuften, wird niemand die Ruhepause abspenstig machen. Und mal ehrlich: Welcher Tourist hat nicht schon geflucht, wenn um 14 Uhr die Geschäfte dichtmachen? Der Niedergang der Siesta ist vielmehr ein Anpassen an ein heutiges Familienbild im modernen Spanien. Denn wenn beide Elternteile arbeiten müssen und/oder wollen, sollten sie doch die Möglichkeit haben, zu moderaten Uhrzeiten nach Hause zu ihren Kindern zu kommen und nicht erst um 21 Uhr. Familien sollen gemeinsame Zeit am Abend sinnvoll nutzen können, anstatt drei Stunden in der frühen Nachmittagszeit zu vertrödeln. Denn nach wie vor stehen in Spanien viele junge Frauen vor der Entscheidung: Beruf oder Familie. Die Siesta trägt nicht die Alleinschuld daran. Doch leisten geregelte Arbeitszeiten ihren Beitrag zu einem Wandel der Arbeitswelt hin zu mehr Familienfreundlichkeit. Autorin: Claudia Schittelkopp