Zeigt her Eure Füße, zeigt her Eure Schuh –
und schauet den deutschen Touristen zu!” Die weiße, grobe
Sportsocke ordentlich bis hoch zur Wade gezogen, den Fuß in
bequemer Riemensandale oder atmungsaktiven Quadratlatschen – so
marschiert der Deutsche durch seinen Urlaub. Alles nur Klischee?
Eingefleischtes Stereotyp? Oder doch Realität?
Fast zehn Millionen Zuschauer kringelten sich vor Lachen, als
sich Thomas Gottschalk während der Sommerausgabe von „Wetten.
dass..?” in Palmas Stierkampfarena einen Scherz erlaubte. Als
Einsatz für eine verlorene Wette ließ er Henry Maske und Regina
Halmich das „typische Ballermann-Touri-Outfit”, wie er sagte,
überwerfen: Kurze Hose, Hawaii-Hemd, ein leicht dümmlich wirkendes
Sonnenmützchen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Denn die
Karikatur kommt der Realität nicht nur gefährlich nah – in einigen
Fällen, die träge durch Palma oder an der Strandpromenade
entlangschlendern, wird sie von ihr noch übertroffen. Original und
Fälschung – kaum zu unterscheiden.
Wohlgemerkt: Es gibt auch Ausnahmen. Aber oft genug erkennt man
den deutschen Touristen schon aus kilometerweiter Entfernung,
sticht er heraus aus apart gekleideten Festlandspaniern,
topmodischen italienischen Touristen, extravaganten Franzosen.
„Man ist im Urlaub, es kennt einen niemand – da kann man modisch
einfach mal alle viere von sich strecken”, erklärt Brigitte Grotz,
Stilexpertin und stellvertretende Geschäftsführerin der
Typakademie. Dass unsere europäischen Nachbarn auch im Urlaub meist
besser gekleidet sind als wir, läge an der generellen Wertehaltung
der Deutschen.
„Viele machen sich einfach bei der Kleidung nicht so viele
Gedanken. Bei den Deutschen ist das Bedürfnis nicht so ausgeprägt,
mittels der Kleidung sein Auftreten zu unterstreichen. Bei
Deutschen zählt mehr der Individualismus.” Und das Praktische und
Zweckmäßige vor dem Chic – das ist auch das Ergebnis mehrerer
repräsentativer Umfragen des Demoskopischen Instituts Allensbach in
den letzten Jahren.
Unser mangelndes Modebewusstsein ist es auch, das die
internationale Beliebtheit deutscher Touristen schmälert. Das
Online-Reiseportal Expedia hatte Anfang des Jahres über die GfK
eine Befragung von 15.000 Hoteliers in Auftrag gegeben: Die
Deutschen landeten trotz der Attribute „höflich, ordentlich und
interessiert” nur auf dem fünften Platz, weil sie auch als
„knauserig und schlecht gekleidet” bewertet wurden. Platz eins
belegen übrigens die Japaner, die Franzosen sind die
Schlusslichter.
„Ich rate den Menschen immer, sich so zu kleiden, dass man das
Wertegefühl des Gegenübers nicht verletzt”, erklärt Brigitte Grotz.
Sich schön zu kleiden, heiße, seiner Umgebung oder dem Anlass
Wertschätzung entgegenzubringen – „wer das im Hinterkopf hat, dem
kann gar kein großer Faux-Pas passieren”.
Gerade beim Kirchenbesuch ist es wichtig, gewisse Regeln
einzuhalten: Männer sollten in der Kirche Hosen tragen, die
mindestens bis über die Knie reichen, Frauen zusätzlich auch die
Schultern bedecken. „Menschen in Badehosen haben keinen Zutritt”,
erklärt Hans Michael Dolle vom Büro der Kathedralenverwaltung, aber
eine Hinweistafel mit Kleidervorschriften am Kathedraleneingang
gäbe es schon lange nicht mehr, „da vertrauen wir auf das Auge
unserer Mitarbeiter an der Pforte”.
Weiße Socken gehen durch – auch wenn sie eine Beleidigung für
das Auge sind. Warum das ästhetische Empfinden gerade durch diese
Frottee-Sünde gereizt wird, sei leicht zu erklären, sagt Brigitte
Grotz: „Das menschliche Auge ist anatomisch so konzipiert, dass wir
immer zuerst auf den hellsten Punkt der Kleidung schauen – deswegen
fällt sie uns so sehr ins Auge.” Eine typisch deutsche Tugend ist
sie übrigens nicht: Im englischen Southwark legten Archäologen vor
einiger Zeit eine lebensgroße Bronzestatue aus der Römerzeit frei –
mit Socken in den Riemchensandalen.
Zumindest auf Urlaubsfotos herrscht in Zukunft freie Zone, was
solche Modesünden betrifft: „Tourist remover” heißt das im Internet
kostenlos herunterzuladende Programm eines Schweizer
Softwareentwicklers – unschöne Touristenscharen auf den Bildern
werden davon einfach digital ausradiert.
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