Im Nachtleben von Palma ist das Tito's eine Institution. Wer
sich mit den gläsernen Fahrstühlen an der Außenfassade der
Diskothek am Passeig Maritim in die höhere Glitzerwelt aus
Rhythmus, Glamour und Erotik befördern lässt, setzt damit eine
Tradition fort, die im Tito's bereits vor über 80 Jahren begonnen
hat. Seit der Gründung des Lokals im Jahre 1923 war das Tito's ein
Hort für alle, die im Rahmen einiger vergnüglicher Stunden und
insbesondere bei der Jagd nach dem anderen Geschlecht sehen und
gesehen werden wollten. Musik und Tanz, Getränke und Gerichte
spielten dabei stets eine begleitende Rolle, auch wenn sich die
Moden und Stile im Laufe der Jahrzehnte häufig wandelten.
Seine glanzvollsten Zeiten, darüber herrscht weitgehend
Einigkeit, erlebte das Tito's in den 60er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts. Damals drückten sich dort Weltstars wie Joséphine
Baker, Marlene Dietrich, Ray Charles, Charles Aznavour, The
Platters ud Gilbert Bécaud bei Gala-Auftritten die Klinke in die
Hand. Auch das Publikum gab sich elegant, die Damen in Abendrobe,
die Herren im Anzug, wenn nicht gar im Smoking. Es herrschte
strengste Krawattenpflicht, erinnert sich Guillermo Roig, der i'
Titos's von 1957 bis 1984 als Kellner arbeitete. „Normalerweise
nahm man im Tito's Champagner zu sich – französischen.”
Eine Ahnung davon, was einst in dem glamourösen Musiktempel so
alles los gewesen ist, dürfte nun eine CD vermitteln, die am
kommenden Donnerstag passenderweise im Tito's vorgestellt wird. Sie
ist das Werk des mallorquinischen Pianisten Andreu Bennàssar, der
neben seiner klassischen Ausbildung in den 60er Jahren sein Geld
auch als „Mann am Klavier” im Tito's verdiente. Dort war er neben
dem hauseigenen Orchester für die musikalische Begleitung der Stars
zuständig. So kann er sich ein Stück weit der Zusammenarbeit mit
den genannten Sängern und Entertainern rühmen. Auf der von ihm
konzipierten CDs spielte er nun jene Hits ein, die die Künstler
einst vor gut betuchtem Publikum zum besten gaben.
„Das Tito's zählte zu den wichtigsten Auftrittssälen in Europa”,
schwärmt der 78 Jahre alte Ex-Kellner Guillermo Roig, „die Stars
kamen direkt vom Lido in Paris hierher oder fuhren nach einen
Aufritt hier direkt dorthin.” Der Mallorquiner arbeitete knapp drei
Jahrzehnte in dem Lokal. Doch die Geschichten aus der Anfangszeit
des Tito's kannte auch er nur vom Hörensagen. Fest steht, dass der
Italiener Tito Cungi bereits 1923 an der Plaça Gomila ein
Restaurant eröffnete, in dem zur Pasta auch reichlich „O sole mio”
geträllert und getanzt wurde. Der Eingang lag an dem genannten
Platz, erst Ende in den 80er Jahren wurde mit der Anschaffung der
Fahrstühle der Zugang zur Diskothek Tito's an den Paseo Marítimo
verlegt.
Tito Cungis Lokal boomte, nach zehn Jahren war eine Renovierung
fällig. Die Neueröffnung am 20. Februar 1934 war ein
gesellschaftliches Ereignis, über das die Inselzeitungen
ausführlich berichteten: „Signore Cungi ist bereits berühmt für
seine Gnocchi, und obgleich er wohl noch öfter an seinem neuen
Klavier zu finden sein wird, wird er nach wie vor ein Auge auf die
Küche haben”. Weiter wurde vermerkt, dass der Italo-Wirt es sich
nicht nehmen ließ, alle weiblichen Gäste zu küssen und zu besingen.
„Die Spaghetti-Portionen sind so groß, sie reichen für drei!”
Häufig herrschte so starker Andrang, dass insbesondere auf der
Meerblick-Terrasse (damals noch ohne Paseo Marítimo) kaum ein Tisch
zu bekommen war. Die Partys in dem In-Lokal dauerten bis in den
Morgen.
Die ausgelassene Stimmung wurden durch den Ausbruch des
Bürgerkrieges 1936 jäh unterbrochen. Tito's machte dicht. Bis zum
Neuanfang 1957 dauerte es 21 Jahre. Auf den Italiener Tito Cungi
folgte als Besitzer der Russe Nikita Magaloff. Unter seinem
Direktor Antonio Ferrer erlebte der Tanztempel eine rauschhafte
Blüte. Doch in den 70er Jahren setzte ein Wandel ein, der
schließlich im Saturday Night Fever mündete. Aus dem eleganten
Ballsaal wurde in den 80ern die hippe Disco.
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