Nicht jedes Flugzeug dürfte in den kommenden Tagen pünktlich in Palma abheben. | Mallorca Magazin

TW
0

Über Europa hat am Montag eine Übung der Nato begonnen. Dies führte und wird weiterhin zu Flugausfällen führen. Sehr verbraucherfreundlich und damit im internationalen Vergleich einzigartig ist die in der EU gültige Regelung zu den Passagierrechten im Falle von Annullierungen oder Verspätungen. Bereits seit 2004 ist die sogenannte Fluggastrechte-Verordnung in Kraft und hat seitdem unzähligen Reisenden zu Verpflegungs- und Betreuungsleistungen sowie Entschädigungszahlungen verholfen.

Dabei gilt die EU-Verordnung für alle Passagiere, die von einem Flughafen in der EU abfliegen, sowie für alle Passagiere, die auf einem Flughafen in der EU landen, wenn die Airline ihren Sitz in der EU hat, erklärt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ). Sämtliche Flüge zwischen Deutschland und Mallorca sind also abgedeckt. Vorgesehen sind Ausgleichszahlungen in Höhe von 250 Euro (Kurzstrecke, bis 1500 Kilometer), 400 Euro (Mittelstrecke, zwischen 1500 und 3500 Kilometer) und 600 Euro (Langstrecke), sagt der auf Flugrecht spezialisierte Rechtsanwalt Paul Degott. Im Falle von Verspätungen müssen diese mindestens drei Stunden betragen, damit sich ein Anspruch ergibt. Bei Flugverspätungen (auf der Mittelstrecke von mehr als drei Stunden) haben Passagiere auch Anspruch auf kostenlose Mahlzeiten und Erfrischungen „in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit” sowie auf zwei kostenlose Telefonate, Faxe oder E-Mails.

Es existieren allerdings eine Reihe von Einschränkungen: Die Fluggesellschaft muss zum Beispiel keine Ausgleichszahlung leisten, wenn „außergewöhnliche Umstände” vorliegen, die sich auch beim Ergreifen zumutbarer Maßnahmen nicht hätten verhindern lassen, so Karolina Wojtal von der EVZ. Das bestätigt auch Rechtsanwalt Degott: Zu einem Ausgleichsanspruch komme man nur dann, wenn keine höhere Gewalt vorliege und die betroffene Fluggesellschaft alles ihr Zumutbare getan hat, „um die Folgewirkung hieraus zu vermeiden oder geringer ausfallen zu lassen, wie etwa entsprechende Umplanungen der Flüge”.

Stellt sich also die Frage, ob das Nato-Manöver ein solcher „außerordentlicher Umstand” im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung ist. Für die befragten Experten ist die Sache klar: „Bei der NATO-Übung dürfte es sich nach unserer Einschätzung um solche außergewöhnlichen Umstände handeln, da die Lufträume von der Deutschen Flugsicherheit gesperrt werden”, sagt Karolina Wojtal. Rechtsanwalt Degott sieht das ganz genauso: „Das NATO-Luftmanöver an sich wird sicherlich ein solcher außerordentlicher Umstand sein, auf welchen sich die Fluggesellschaften bei Flugunregelmäßigkeiten berufen können.” Sie müssten dann aber auch darlegen können, was sie Zumutbares getan haben, um die Flugunregelmäßigkeiten zu vermeiden oder die Folgen daraus für die Passagiere abzuschwächen. „Letzteres könnte der Ansatzpunkt sein, bei der Fluggesellschaft doch zu einer Ausgleichszahlung zu kommen”, so Degott.

Ähnliche Nachrichten

Die Fluggastrechte-Verordnung aber sieht noch eine weitere Einschränkung vor, die in diesem Fall ebenfalls zum Tragen kommen dürfte: Ausgleichsansprüche können nämlich nur dann geltend gemacht werden, wenn die Flugunregelmäßigkeit erst binnen eines Zeitraumes von 14 Tagen vor dem geplanten Abflugtermin mitgeteilt wird, so Degott. Da im Falle des Nato-Manövers schon viele Wochen im Voraus klar war, welche Flugräume betroffen sein würden, sei zu erwarten, „dass die konkrete Information an die Fluggäste, was mit ihren Flügen sein wird, ob diese abgesagt, umgeplant oder wie auch immer geändert werden, wesentlich vor dem kurzen Zeitraum von zwei Wochen vor dem eigentlichen Flugtermin” gegeben wurde. „Dann fallen die Ausgleichsansprüche von vornherein weg und es kommt auf Abhilfemaßnahmen letztlich nicht mehr an.”

Die Fluggastrechte-Verordnung räumt den Passagieren jedoch noch ein Wahlrecht ein, erläutert Degott. Kündigt die Fluggesellschaft dem Reisenden nämlich eine Annullierung oder Verspätung an, so kann dieser verlangen, dass ihm das gesamte Ticketentgelt erstattet wird – was dann innerhalb von sieben Tagen geschehen muss. Der Passagier kann stattdessen aber von der Fluggesellschaft auch eine „zumutbare Ersatzbeförderung” verlangen, so Degott, auf Kurzstrecken etwa mit der Bahn. „Es muss sich insoweit um eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt handeln oder um eine andere Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen, auch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Fluggast dies wünscht.” Entscheidet sich der Flugpassagier für eine alternative Beförderung, sei die Fluggesellschaft sogar verpflichtet, sich während der Wartezeit um Mahlzeiten und Erfrischungen zu kümmern, um eine Hotelunterbringung gegebenenfalls für mehrere Nächte und für die Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung und zurück.

Zu bedenken ist laut Degott auch noch das Pauschalreiserecht. Dieses greift, wenn der betroffene Flug Teil einer Flugpauschalreise war. „Hier ist der Reiseveranstalter vertraglich verpflichtet, die Reise so darzustellen, wie er diese dem Reisenden verkauft hat, auch was den vertraglich geschuldeten Hinflug ins Urlaubsgebiet beziehungsweise den Rückflug angeht.” Gerät der Urlaubsstart beispielsweise deshalb durcheinander, weil am Abflugtag wegen des Manövers nicht geflogen werden kann, sei die Konsequenz, dass der Reisende wertvolle und bereits bezahlte Urlaubszeit nicht für Urlaubszwecke nutzen kann. „Hierfür steht ihm ein Minderungsanspruch zu, also ein Rückzahlungsanspruch auf den Reisepreis für die Zeit, wo Urlaub bezahlt worden ist, ohne dass der Reiseveranstalter Urlaub darstellen konnte.” Dies wird berechnet auf den anteiligen Tagesreisepreis und bezogen auf die Tage, die ausfallen. „Der Minderungsanspruch besteht im Sinne der Vertragsgerechtigkeit immer dann, wenn vertraglich geschuldete und vom Reisenden bezahlte Reiseleistungen nicht oder nicht vollständig vom Reiseveranstalter erbracht werden. Auf sein (fehlendes) Verschulden hierfür kommt es nicht an.”

Anders sehe es bei Schadenersatzansprüchen wegen Zusatzkosten oder wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit aus, so Degott. „Diese bestehen dem Grunde nach zwar ebenfalls und es wird das Verschulden des Reiseveranstalters vermutet. Dieser kann sich aber entlasten, indem er die Manöver-bedingten Einschränkungen im Flugbetrieb nachweist.” Reiseveranstalter seien dazu verpflichtet, den Urlaubsreisenden immer ausreichend und zeitnah über derartige Beeinträchtigungen zu informieren. „Der Reiseveranstalter hat die sogenannte Produktbeobachtungspflicht, die er fortlaufend zu erfüllen hat. Erkenntnisse hieraus muss er unverzüglich dem Reisenden weiterleiten.” Dieser solle die Möglichkeit haben, noch vor Antritt der Reise vom Vertrag zurücktreten zu können und den Preis zurückzuverlangen, ohne dass der Reiseveranstalter irgendwelche Stornierungskosten geltend machen könnte.

Der Bundesgerichtshof habe im Zusammenhang mit Wirbelstürmen in der Karibik sogar entschieden, dass schon bei einer Eintreffwahrscheinlichkeit von eins zu vier der Reiseveranstalter seine Kunden vor Abflug informieren muss, um das Rücktrittsrecht des Reisenden vor Reiseantritt zu erhalten. „Schuldhafte Verletzungen dieser Informationspflichten führen zu einer Schadenersatzpflicht, nicht wegen des Manövers, sondern deshalb, weil der Reiseveranstalter über die Folgewirkung des Manövers auf den konkreten Reisevertrag und die dort vereinbarten Flüge nicht zeitnahe informiert hat.”