Eine Reiseführerin für Kreuzfahrttouristen bei der Arbeit in der Altstadt. | Jonas Martiny

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Viel Zeit hat die Touristengruppe nicht: Die Reiseleiterin, die ein Schild mit der Nummer 25 in die Luft hält, schlägt ein ziemliches Tempo an und die Kreuzfahrtpassagiere auf Landgang haben einige Mühe, ihr durch die enge Altstadtgasse zu folgen. Das Inselratsgebäude hat sie bereits links liegen lassen, ebenso den Altstadtpalast Can Oms. Nun lässt sie ihr Gefolge kurz an dem mittelalterlichen Torbogen im Carrer d’Almudaina verschnaufen, während sie die historischen Daten nur so herunterrattert.

Es ist Montag und in Palmas Hafen liegt die Symphony of the Seas. Viel Zeit für Sightseeing haben deren Passagiere nicht: Gerade einmal acht Stunden bleibt das Schiff, bevor es weiter nach Marseille geht. Die Symphony of the Seas ist eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt und macht in diesem Jahr im Rahmen seiner regelmäßigen Rundfahrt durchs westliche Mittelmeer einmal wöchentlich von Barcelona kommend auch auf Mallorca Station. Platz für bis zu 6680 Passagiere bietet das Schiff, das für die Reederei Royal Caribbean unterwegs ist. Also ergießen sich zum Wochenbeginn mehrere tausend überwiegend aus den USA stammende Touristen in Palmas Altstadt.

Bereits am frühen Morgen herrscht dort denn auch geschäftiges Treiben. Die Kutschfahrer haben schon am Vorplatz der Kathedrale Stellung bezogen, die Souvenirshops, Cafés und Eisläden sind bereit für den Ansturm. Vor dem Bahnhofsgebäude des Sóller-Zuges hat sich eine etwa 100 Meter lange Schlange gebildet. Touristen mit Turnschuhen samt weißen Tennissocken, bunt geblümten Hemden und Baseball-Kappen prägen das Stadtbild.

Auch auf Mallorca hat die Kreuzfahrtbranche in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Palmas Hafen hat sich zur zweitwichtigsten Kreuzfahrtdestination im westlichen Mittelmeer gleich nach Barcelona entwickelt. Während die Hafenbehörde im Jahr 2005 noch 877.912 Kreuzfahrtpassagiere in Palma registrierte, waren es im Jahr 2019 mehr als doppelt so viele – 2,2 Millionen. Coronabedingt sank die Zahl in den beiden folgenden Jahren dann drastisch, bevor sie 2022 wieder auf 1,4 Millionen anstieg.

In diesem Jahr dürfte dieser Wert wieder deutlich überschritten werden. Zumindest liegt die Zahl der geplanten Anläufe laut Hafenbehörde derzeit bei etwa 540. 2019 waren es 590. Menschenmassen, wie es sie noch vor der Corona-Pandemie gab, wird es in Palma aber trotzdem nicht mehr geben. Denn während in der Vergangenheit an manchen Tagen bis zu fünf Kreuzfahrtschiffe mit einer Passagierkapazität von mehr als 16.000 gleichzeitig im Hafen lagen, gilt seit Jahresbeginn eine Obergrenze von drei Schiffen am Tag. Nur eines davon darf eine Kapazität von mehr als 5000 Passagieren haben.

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Ein entsprechendes Abkommen zwischen Balearen-Regierung und dem internationalen Kreuzfahrtverband Clia trat Anfang 2022 in Kraft. Nachdem es im ersten Jahr noch eine ganze Reihe von Ausnahmen gab – Tage, an denen mehr als drei Schiffe in Palmas Hafen lagen –, gilt das vereinbarte Limit nun das ganze Jahr über. Der Deal könnte gar Vorbildwirkung haben: In Barcelona etwa, wo es ebenfalls seit Jahren heftige Kritik am Kreuzfahrttourismus gibt, signalisierte das Rathaus bereits Interesse an einer ähnlichen Lösung.

Kritikern aber geht die Beschränkung längst nicht weit genug. Die Bürgerplattform „Plataforma contra els Megacreuers” etwa fordert eine Reduzierung auf ein einziges Kreuzfahrtschiff am Tag. Das allerdings dürfte mit der neuen konservativen Regierung nicht zu machen sein. Palmas neuer Bürgermeister Jaime Martínez (PP) leugnet zwar die Massifizierung in der Altstadt aufgrund des Kreuzfahrttourismus nicht, ist aber überzeugt, dass sich das Problem durch eine intelligentere Verteilung der Urlauber lösen lässt.

Vertreter des Kreuzfahrtverbandes Clia zeigten sich bereits gesprächsbereit, sollte die neue konservative Regierung die Beschränkung nicht aufrecht erhalten wollen. „Wir sind offen für jeden Vorschlag, was eine Anhebung der Zahl der Kreuzfahrtschiffe angeht”, zitierte die Zeitung „Ultima Hora” den Clia-Vertreter Alfredo Serrano kürzlich. Die PP hatte in ihrem Wahlprogramm explizit den „Schutz des Kreuzfahrttourismus aufgrund seiner Auswirkungen auf den Handel, das Gastgewerbe und andere Sektoren” versprochen. Man müsse dabei „weniger verschmutzende Schiffe fördern” und „ein zeitlich gestaffeltes Einlaufen der Kreuzfahrtschiffe in den Häfen der Inseln” gewährleisten. Fast wortgleich steht das so auch in der kürzlich getroffenen Regierungsvereinbarung zwischen der PP und der rechtspopulistischen Partei Vox. Wobei der Verweis auf möglichst saubere Antriebsarten auf der Strecke blieb.

Rechnet sich der Kreuzfahrttourismus für die Stadt Palma?

Ist es das wert? Diese Frage hat sich Aleix Calveras gestellt. Der Wirtschaftswissenschaftler der Balearen-Universität untersucht, wie es sich mit Kosten und Nutzen des Kreuzfahrttourismus in Palma verhält. Zu dem Zweck hat er sich mit den vorhandenen Studien beschäftigt, die zu dem Thema vorliegen und zu dem Schluss kommen, die Kreuzfahrtpassagiere seien durchaus ein interessanter Faktor für die lokale Wirtschaft. Laut Kreuzfahrtverband Clia gibt ein Passagier während seines Landgangs im Schnitt 70 Euro auf der Insel aus. Geht er in Palma an Bord, beziehungsweise verlässt er
hier das Schiff, steigt die Summe gar auf 200 Euro. Ein durchschnittlicher Balearen-Urlauber gibt am Tag 150 Euro aus.

„Alle Studien, die sich mit dem Thema befassen, lassen zu wünschen übrig”, sagt Calveras. Das liege daran, dass sie die Kosten völlig außer Acht lassen, die diese Art Tourismus für Palma bedeutet. „Diese Menschen nutzen ja die Infrastruktur der Stadt und tragen zur Massifizierung bei.” Gerade letztere habe einen klaren negativen Effekt, indem sie ökonomische Werte zerstöre.

Konkret sieht er vor allem die Abschreckungswirkung auf andere Urlauber kritisch. „Meine Hypothese ist, dass die Massifizierung durch den Kreuzfahrttourismus beispielsweise Urlauber abschreckt, die in Boutique-Hotels absteigen und die erwiesenermaßen ökonomisch viel interessanter sind.” Touristen, die auf Massifizierung sensibel reagieren hätten ein tendenziell höheres Bildungsniveau und seien daher in der Regel auch zahlungskräftiger. Eine gute Tourismus-Strategie für Palma bedeute, dass man sich auf bestimmte Bereiche konzentriert. Man könne nicht alles gleichzeitig machen. Und was die Frage nach Kosten und Nutzen des Kreuzfahrttourismus für Palma angeht, ist seine Antwort eindeutig: „Er ist ein schlechtes Geschäft für die Stadt.”