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Was kann einer Theatergruppe Besseres passieren als Aufsehen zu erregen? Die katalanische Compagnie La Fura dels Baus ist eine der spektakulärsten und innovativsten Theatergruppen Spaniens, Europas, der Welt. Seit nunmehr 40 Jahren ist sie auf Aufsehen programmiert. Und wenn sie vom 8. bis 10. März im Auditorium in Palma gastiert, präsentiert sie mit „Carmina Burana“ ein Stück, bei dem das Publikum auf Mallorca durch beeindruckende Szenen, Spezialeffekte und sogar frühlingshafte Parfümdüfte vollständig in das „Fura-Universum“ eintaucht.

„Carmina Burana“ ist der Name einer mittelalterlichen Sammlung von Lied- und Dramentexten, die vornehmlich in Mittellateinisch, aber auch in Mittelhochdeutsch, Altfranzösisch und Provenzalisch verfasst wurden. Gefunden hatte man diese Sammlung 1803 im Kloster Benediktbeuern. 1937 vertonte dann der Münchner Komponist Carl Orff eine Auswahl dieser Texte zu einer „szenischen Kantate“. In ihr findet sich eine weite Spanne weltlicher Themen wieder: die Wechselhaftigkeit von Glück und Wohlstand, die Flüchtigkeit des Lebens, die Freude über die Rückkehr des Frühlings sowie die Genüsse und Gefahren von Trinken, Völlerei, Glücksspiel und Wollust.

Dieses Werk war nie nur zum Hören gedacht. In seinem Untertitel hatte Orff eigens „comitantibus instrumentis atque imaginibus magicis“ vermerkt, also „begleitet von Instrumenten und magischen Bildern“. Zum Beispiel so: Auf der Bühne des Auditoriums wird ein großer Zylinder von zehn Meter Durchmesser stehen. Seine Wand umhüllt das Orchester, während auf die Außenseite projizierte Bilder das gesamte Werk von Anfang bis Ende veranschaulichen, zum Beispiel ein riesiger Mond, schmelzendes Eis, eine blumige Ekstase, eine Live-Ernte, Tavernen, Sänger, die an einem Kran hängen oder in Wein, Wasser und Feuer getaucht sind.

Inszeniert hat „Carmina Burana” Carlus Padrissa. Der 60-jährige Katalane ist Gründungsmitglied und einer von sechs Regisseuren der Compagnie. Bevor er 2010 Hand an das Werk legte, hatte er das Theaterstück „Sub“ inszeniert, das zwei Meter unter Wasser im Frachtraum des Theaterschiffs „Naumon“ aufgeführt wurde. „Das Publikum stand mitten auf der Bühne, es sah das Schauspiel nicht, sondern erlebte es“, beschreibt Padrissa, was er als sphärische Theater bezeichnet.

Dieses Konzept auf die Oper auszuweiten, war sein nächster Schritt. „Die Idee war, eine Aufführung für alle Sinne zu schaffen“, erzählt der Regisseur, für den sich „Carmina Burana“ als perfektes Werk erwies. Die Bilder, die in den Texten auftauchen, die Kraft der Musik mit ihrem pulsierende Rhythmus, aber dann auch wieder die feine Arie „Dulcissime“, von der er sagt: „Das ist vielleicht die Musik, die am meisten die sexuelle Extase darstellt.“

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Ein ideales Werk für eine Inszenierung, die Padrissa „furero“ nennt. Das bezieht sich zum einen auf die Idee vom Körper als Werkzeug im Raum, der sich nicht wie im herkömmlichen Theater bewegt, sondern kraftvoll in Grenzsituationen physische Höchstleistungen vollbringt, etwa indem er fliegt, die Wände hochklettert oder von oben herabschwebt. „Furero” ist auch das Zusammenführen verschiedener Disziplinen. Und schließlich die Nutzung des Raumes. „Für uns ist das ganze Theater die Bühne, auch dort, wo das Publikum ist. Deshalb nennen wir das sphärisches Theater oder sphärische Oper“, erklärt der Regisseur.

Die Oper fand bei La Fura dels Baus 1996 Eingang ins Repertoire. Den Anfang machte Padrissa mit „Atlántida“ von Manuel de Falla. Seither widmet er sich vorwiegend diesem Genre. „Es enthält alle Disziplinen und bietet ganz viele Möglichkeiten“, begründet er dies.

Das Theater und die Musik, beides begleitet Padrissa schon von Kindheit an. So betrachtete er als sechsjähriger Messdiener den Gottesdienst, den er mit dem Priester abhielt, durchaus als Auftritt vor der Gemeinde. Zu Hause machte er Klangexperimente mit Spieluhr und Radioapparat, später nahm er an Wettbewerben teil, egal ob schreiben oder singen. „Ich wollte immer herausragen”, erzählt Padrissa und meint: „Das ist eine Art zu sein.”

Hätte ihm damals jemand seine Zukunft mit La Fura dels Baus prophezeit, wäre er wohl glücklich gewesen. „Das war immer mein Traum, ich wusste nur nicht, wie ich ihn wahrmachen konnte”, sagt er. Zwischen damals und heute liegen unter anderem die Gestaltung der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona, zahlreiche preisgekrönte Theaterinszenierungen oder Wagners „Ring der Nibelungen” mit Zubin Metha am Pult. Und natürlich „Carmina Burana”: Seit 2010 haben mehr als 200.000 Zuschauer die Inszenierung gesehen. Nach Palma werden es noch einige mehr sein.

Vorstellungsbeginn ist am 8. März um 20.30 Uhr, am 9. März um 18 und 20.30 Uhr sowie am 10. März um 18 Uhr. Karten für 45 bis 65 Euro sind bei auditoriumpalma.com und an der Kasse des Auditoriums erhältlich.

(aus MM 09/2019)