Es gibt Bereiche im Leben, da sind die Rollen von Mann und Frau
noch klar verteilt. Beim Tanzen zum Beispiel. Hier sagt eindeutig
der Mann, wo's langgeht, und ist die Partnerin versiert, folgt sie
leichtfüßig jedem seiner Manöver. Ähnlich ist es beim Grillen. Hier
schwingt meistens das männliche Oberhaupt der Familie das Zepter,
denn dass Grillen eine Männerdomäne ist, ist im Sommer in Gärten,
auf Terrassen und in freier Wildbahn gut zu beobachten.
Beim Grillen werden Urinstinkte geweckt, da wird der Mann wieder
zum Jäger, zum Erleger, zum Herrscher über das Feuer und zum
archaischen Ernährer seiner Familie. Hier darf er seinem bedrohten,
traditionellen Rollenbild als Versorger und Nahrungsbeschaffer
wieder näherrücken und erntet dafür uneingeschränkte Anerkennung,
fand die Freiburger Soziologin Nina Degele heraus. Was man von
einem langen und harten Tag im Büro nicht sagen kann.
Also raus aus dem Anzug, rein in die Grillschürze, Zange in die
eine Hand, Flasche Bier in die andere, und immer ein Auge auf die
Glut behalten. Denn wer das Feuer anzündet, der steht seit
Menschengedenken in der Sozialhierarchie ganz oben.
Dabei gehen die Meinungen über die Wahl der Hitzequelle weit
auseinander. Es gibt die klassisch-ursprünglichen
Holzkohleverfechter, die behaupten, es müsse ordentlich rauchen und
dampfen, damit das Steak auch nach Grill–Steak schmeckt. Wobei hier
noch zu unterscheiden ist zwischen dem gemäßigteren Lager mit den
Holzkohletüten von der Tankstelle und den echten „Ur-Grillern”, die
mittels stundenlangem Abrennen dicker Holzscheite noch ihre eigene,
authentische Holzkohle produzieren.
Das rituelle Vorglühen der Kohle, die grau-schwarzen
Rauchwolken, vermischt mit glühenden Aschepartikeln, die meist in
irgendein Schlafzimmer ziehen, die meterhohen Stichflammen durch
heruntertropfendes Fett und das anschließende Ablöschen mit der
Bierflasche gehören für beide Gruppen zum Akt des Geschehens wie
der Ketchup zum Würstchen.
Spätesten jetzt dürfte klar sein, dass die Autorin dieser Zeilen
eindeutige Anhängerin des „Knopfdruck-Verfahrens” ist. Wobei wir
bei der zweiten Variante wären, dem Gas-Grill. Unter Lava- oder
Keramik-Steinen kommt hier das Feuer aus einem Gasbrenner, der per
Knopfdruck entzündet wird und die Steine gleichmäßig erhitzt.
Gleiche Temperatur, gleicher Rost, gleiches Grillgut wie oben
beschrieben, nur ohne langes Vorglühen.
Auch bei dieser Variante kann der Herr des Hauses, gerne einige
Meter abseits des Esstisches, nach Lust und Laune den Freuden des
Grillens frönen, denn es raucht und brutzelt, und es muss auch
schon mal gelöscht werden.
Anhänger der Variante Holzkohlegrill vermissen hier natürlich
den typischen Rauchgeschmack der Speisen, dafür kann man beim
Gasgrill die Temperatur regeln, mit Deckel garen oder auf
verschiedenen Ebenen Fleisch und Gemüse gleichzeitig zubereiten.
Außerdem kommt der Gasgrill nachweislich wesentlich öfter zum
Einsatz als der Holzkohlegrill, da er leicher zu handhaben ist.
Bei der dritten Art, dem Elektrogrill, geht es noch gesitteter
zu, besonders bei der Version „Tischgrill”. Zugegebenermaßen hat
diese Variante eigentlich nicht mehr viel mit dem ursprünglichen
Grillen zu tun. Hier gibt es gar keine Flammen mehr, das Fett
tropft ordentlich in die darunterliegende Schale, und der Hausherr
ist seiner Rolle als Obergriller beraubt, denn jeder bereitet
direkt am Tisch sein eigenes Bratgut zu.
Hier hat die Gastgeberin dann sozusagen doppelte Arbeit zu
leisten, denn sie kann nicht mehr entspannt am Tisch sitzen und
tatenlos auf zarte Steaks und saftige Gambas warten.
Dabei hat sie eigentlich ihren Teil der Arbeit schon hinter
sich. Diverse Beilagen, Saucen und Salate stehen bereit, Gemüse,
Fisch oder Fleisch warten ordentlich angerichtet darauf, gegart zu
werden, Getränke wurden schon vor Stunden kühl gestellt, das Brot
ist geschnitten, der Tisch gedeckt. Bleibt ihr eigentlich nur noch,
am Ende des Abends das mittelschwere Chaos auf dem Esstisch zu
beseitigen, denn der Hausherr, der Jäger, der Herrscher des Feuers,
sitzt erschöpft und zufrieden in der Ecke und sieht versonnen in
die roten Kohlen. „Sünde”, denken an dieser Stelle nämlich alle
Holzkohlegriller, die Glut hätte noch für mindestens drei Stunden
gereicht.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.