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Am Donnerstag war die Zeit des Faulenzens vorbei für Joschka Fischer. Der Bundesaußenminister flog von Palma aus wieder in die Heimat. Eine gute Woche hatte der Grünen-Politiker geurlaubt. Zusammen mit Freundin Minu wohnte er in Port d'Andratx. Als Urlaubsdomizil wählte das Paar die Villa eines reichen Freundes – das versprach mehr Diskretion als ein Hotelzimmer oder eine Finca aus dem Katalog. Fischer wollte im Urlaub seine Ruhe haben. Interviewanfragen wurden kategorisch abgelehnt. Nur: Um in vollkommener Abgeschiedenheit zu leben, ist der quirlige Society-Treffpunkt Port d'Andratx ziemlich ungeeignet. So wurden Fischer und Minu, natürlich samt Leibwächtern unterwegs, von deutschen Urlaubern und Residenten erkannt, wenn sie durchs Örtchen schlenderten.

Auch MM-Redaktionsdirektor Wolfram Seifert war nah dran, den Grünen-Promi zu bitten, doch einmal in seine Kamera zu lächeln. Seifert saß Ostersamstag zusammen mit dem TV-Moderator Max Schautzer und Lothar Neuse (Inhaber der Bodega de Andratx) in der Pizzeria Pavarotti in Port d'Andratx, als drei Männer vorbeiliefen. „Der eine war Joschka Fischer”, rief der Kellner. „Mich kennt Fischer nicht, aber mit dir lässt er sich bestimmt fotografieren”, so Seifert zu Schautzer. Gemeinsam machte man sich auf die Pirsch, doch Fischer war verschwunden.

Bisher schreibt man den Grünen eher der Toskana-Fraktion zu. Daher widmet die People-Illustrierte „Bunte” in der aktuellen Ausgabe dem Insel-Urlaub des Außenministers auch eine Doppelseite unter der Überschrift „Zärtliche Stunden auf Mallorca”.

Beobachter wissen: „Toskana-Fraktion”, das war gestern. Der neue Begriff, der auch für die Zukunft der Politik in Deutschland nicht unbedeutend sein könnte, lautet „Mallorca-Koalition”. Denn während zu den Mitgliedern der Toskana-Fraktion nur Mitglieder von SPD und Grünen gezählt werden, gehören der „Mallorca-Koalition” Politiker aller Schattierungen an.

Während sich Fischer in Port dAndratx entspannte, weilte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in Capdepera. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Müller, war auf Mallorca. Gesehen wurde ebenfalls Rudolf Scharping, der allerdings bei Treffen der „Mallorca-Koalition” eher durch Finca-Anekdoten auffallen dürfte als Meinungsführer zu werden.

Zu denjenigen, die in den letzten Jahren Mallorca einen Besuch abstatteten (oder immer mal wieder hier waren) gehören auch Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe, CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, sein Vor-Vorgänger Oskar Lafontaine, Ex-Finanzminister Theo Waigel, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach, die amtierenden Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz), Matthias Platzeck (Brandenburg) und Peer Steinbrück (Nordrhein-Westfalen), ihr ehemaliger Amtskollege Sigmar Gabriel (Niedersachsen), Bundesumweltminister Jürgen Trittin und FDP-Chef Guido Westerwelle. Der wird nicht müde, in den deutschen Medien immer wieder zu betonen, dass Mallorca seine Lieblingsinsel sei.

So sah es früher auch Gerhard Schröder. Der verbrachte seinen Geburtstag und Urlaub jetzt aber lieber in Italien. Ob er damit im Trend liegt?
An interessanten Gesprächspartnern herrscht für die deutschen Politiker auf Mallorca kein Mangel. Vor allem der Austausch mit wichtigen, meinungsbildenden Journalisten bietet sich an. Nicht nur Top-Talkerin Sabine Christiansen verbrachte das Osterfest auf der Insel. Einflussreiche Kollegen wie zum Beispiel Ulrich Deppendorf, Hartmann von der Tann oder Nikolaus Brender waren ebenfalls da, wie im Gesellschaftsteil dieses MM nachzulesen ist.

Eines muss bei der Analyse berücksichtigt werden: Vielen wichtigen Menschen gelingt es, auf Mallorca völlig unerkannt Urlaub zu machen – wenn sie sich nicht gerade wie Fischer Port d'Andratx als Standort wählen. Daher weiß wohl niemand, wie viele für die Zukunft Deutschlands wichtige Gespräche schon längst auf Mallorca geführt werden ...