Mallorca entdeckt den Mietmarkt. Der Kauf einer Wohnung war
bisher so selbstverständlich wie der eines Autos. Stetig steigende
Preise bei gleich bleibendem Einkommen haben aber zu einem Umdenken
geführt. Immer mehr Normalverdiener können und wollen sich nicht
mehr über Maßen verschulden. Vorreiter in Sachen Mietkultur waren
die teuren Metropolen Madrid und Barcelona.
Weil Wohnungsnot nach sozialem Sprengstoff riecht, tritt die
Stadtverwaltung Palma zumindest bei den Einkommensschwachen auf den
Plan. Ab Januar 2004, so der zuständige Stadtrat José Manuel
Sierra, werde man leer stehende Wohnungen anmieten und sie zu einem
günstigen Mietzins weitervermieten. „Wir rechnen damit, im ersten
Jahr etwa 300 Wohnungen vermitteln zu können”, sagt Sierra.
Der Politiker schätzt die Zahl der leer stehenden Wohungen in
Palma auf etwa 44.000. Im oberen Preissegment werde seine
Verwaltung nicht aktiv werden, denn: „Wer 600 Euro Miete zahlen
kann, der kauft sich eine Wohnung”, glaubt er.
Wie beim Kauf sind auch die Preise bei den Mieten stark
gestiegen. „In den vergangenen Jahren haben sie sich verfünffacht”,
sagt der Präsident des balearischen Berufsverbands der
Immobilienunternehmer (API), Josep Oliver. Unter 600 Euro sei kaum
noch etwas zu bekommen, eine bessere Dreizimmerwohnung koste
durchschnittlich 900 Euro. Ähnlich wie Stadtrat Sierra schätzt er
die Zahl der unbenutzten Wohnungen auf über 40.000.
Als Hauptursachen des Wohnungsproblems geben beide unabhängig
voneinander die nicht existente Mietkultur und die gesetzliche
Benachteiligung des Vermieters an. „Wir sind von einem Mietmarkt,
wie ihn Deutschland oder Holland kennt, noch weit entfernt”, sagt
Politiker Serra. Unternehmer Oliver verweist auf die langsam
mahlenden Mühlen der Justiz, „die Vermietern eine Zwangsräumung
erst nach vielen Monaten ohne Mieteinnahmen einräumen”.
Tatsächlich steckt der Mietmarkt in Spanien noch in den
Kinderschuhen. Börsencrash, niedrige Zinsen und lange
Hypothekenlaufzeiten wirkten auf die Baubranche in den vergangenen
Jahren wie Doping. Es wurde gebaut wie nie, und es wurde gekauft
wie nie. Mit dem Begriff Mieten verband man quasi den sozialen
Abstieg.
Nach Zahlen des spanischen Statistikamts sank der Anteil des
vermieteten Wohnraums am Gesamtwohnraum von 15 Prozent 1991 auf 9'3
Prozent zehn Jahre später. Zum Vergleich: In Deutschland ist 62
Prozent des Wohnraums vermietet, in Italien immerhin noch 30
Prozent. Nur die Griechen (2'1 Prozent) überlassen ihre Wohnungen
im EU-Vergleich noch unwilliger an Fremde als die Spanier.
Die Problematik ist bei Politikern offenbar erkannt worden,
erste Gesetzesänderungen wurden auf den Weg gebracht. Ab 2004
genießen Vermieter einen Steuerfreibetrag von 40 Prozent der
Mieteinnahmen, weitere zehn Prozent dürfen als Verwaltungsausgaben
angegeben werden. Derzeit müssen Mieteinnahmen noch vollständig
versteuert werden.
Mieter werden aber auch in Zukunft nur im Baskenland mit
Steuererleichterungen rechnen dürfen. Dort sind 15 Prozent des
jährlichen Mietzinses steuerlich absetzbar. Eine ähnliche
landesweite Regelung schaffte die konservative Regierung 1998
ab.
Auch die Justiz hat ihr Herz für Vermieter entdeckt. Säumigen
Mietern kündigten die Palmesaner Richter vor wenigen Wochen eine
härtere Gangart an. Die Gesetzgebung war bereits im Sommer
entsprechend geändert worden. Die Zeiten, in denen Mieter ihrer
Zwangsräumung durch unzählige Berufungen teilweise über Jahre
entgingen, sollen der Vergangenheit angehören.
Deutsche Mieter sollten sich vor allzu viel Eigeninitiative
vorsehen, so der Anwalt Hans von Rotenhan. „Wer eigenständig wegen
Mängel die Miete mindert, hat schnell eine Räumungsklage am Hals.”
Und das zu Recht. Bei Reparaturen gelte generell, dass sich der
Vermieter um die Ersetzung, der Mieter um die Erhaltung der zur
Wohnung gehörenden Einrichtung kümmert.
Ein Einjahresvertrag kann derzeit noch einseitig vom Vermieter
auf fünf Jahre verlängert werden. „Das soll sich demnächst aber
ändern”, so der Anwalt Joachim Süselbeck. Regelmäßige
Mieterhöhungen von zehn und mehr Prozent braucht der Mieter nicht
zu befürchten. „Erlaubt ist nur ein jährlicher Anstieg in Höhe der
Inflationsrate.”
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