Ein Flugzeugunglück erschütterte in der Nacht vom ersten auf den
zweiten Juli die Welt. 71 Menschen, darunter 52 Kinder, verloren
beim Zusammenprall einer russischen Passagiermaschine und einem
Transportflugzeug in 11.000 Meter Höhe über dem Bodensee ihr Leben.
Die Kinder waren auf dem Weg nach Barcelona, wo sie bei Salou an
der Costa Brava ihre Ferien verbringen wollten.
Nur zwei Tage später kollidierten beinahe zwei
British-Airways-Maschinen mit insgesamt 65 Passagieren an Bord über
der englischen Stadt Bristol. Wie die Zeitung „Die Welt”
berichtete, näherten sich die beiden Flugzeuge auf 300 Meter, bevor
ihre Antikollisionssysteme reagierten und eine erneute Katastrophe
verhinderten.
„Wie sicher ist denn die Fliegerei überhaupt noch?”, ist
momentan eine der am häufigsten gestellten Fragen. Auch die
Online-Redaktion der Welt griff das Thema auf und befragte in den
vergangenen Tagen die Leser nach ihrem Vertrauen in den
Luftverkehr. „Sind Flüge über Deutschland sicher genug?”, wollte
die Internetausgabe wissen. Bis Donnerstagmittag bejahten 72'3
Prozent der bis dahin 2358 Antwortenden die Frage. 27'7 Prozent
fühlen sich im Luftraum nicht mehr sicher. Die Umfrage ist
allerdings nicht repräsentativ, sie gibt lediglich ein spontanes
Meinungsbild wieder.
In Deutschland starten jährlich rund zwei Millionen Flieger.
Viele davon fliegen nach Mallorca. Auf dem Flughafen Son Sant Joan
in Palma gab es vom 1. Januar 2001 bis 31. Mai 2002 234.590 Starts
und Landungen. 24.672.955 Fluggäste wurden dabei befördert. Nach
Angaben der „International Civil Aviation Organization” (ICAO) gibt
es für den mitteleuropäischen Raum ein statistisches Risiko von 0'9
Unfällen pro 1.000.000 Starts. Auf Mallorca bezogen heißt dies bei
80.000 jährlichen Starts, dass es ungefähr alle 13 Jahre zu einem
Flugzeugunglück kommen wird.
Zusammenstöße sind noch viel seltener. Zuletzt stieß am 5. März
1973 eine von Mallorca startende Verkehrsmaschine der spanischen
Fluggesellschaft Iberia, die sich auf dem Weg nach London befand,
mit einem anderen Passagierjet in 9.000 Metern Höhe zusammen. Alle
68 Passagiere des Iberiafluges kamen dabei ums Leben. Die zweite
Maschine konnte trotz einer schwer beschädigten Tragfläche
notlanden. Die 91 Insassen blieben unverletzt. Für die Kollision
wurden die zum Unglückszeitpunkt zuständigen französischen
Fluglotsen verantwortlich gemacht.
Zusammenstöße in der Luft, so der Flugkapitän und Pressesprecher
der deutschen Pilotenvereinigung „Cockpit”, Georg Fongern, werde
man nie 100-prozentig ausschließen können, aber eine derartige
Verkettung von tragischen Umständen wie bei dem Unglück über dem
Bodensee werde es mit Sicherheit nicht mehr geben.
Problematisch seien hauptsächlich Kampf- und Sportflugzeuge, die
nicht mit einem Antikollisionssystem ausgestattet sind und auch
nicht über eine Radartechnik verfügen, die von den
Sicherheitsvorrichtungen einer modernen Passagiermaschine
ausgewertet werden können.
„Heutzutage haben alle Passagierflugzeuge, die im oberen
Luftraum ab einer Höhe von 24.000 Fuß verkehren, sogenannte TCAS
eingebaut. Antikollisionssysteme, die unabhängig von der
Bodenkontrolle mit dem gleichen Gerät des entgegenkommenden
Flugzeugs kommunizieren.
Die Geräte warnen die Piloten vor einem bevorstehenden
Zusammenprall und verhindern, dass beide Maschinen denselben
Ausweichkurs wählen”, erklärt Fongern. Obwohl der Flugkapitän
letzlich selbst die Entscheidungsgewalt habe, werde er „einen
Teufel tun”, den Anweisungen der TCAS nicht zu folgen.
Sobald bei einem Überlandflug ein Flugzeug in einem Radius von
30 Meilen und einer Höhe von plus minus 9000 Fuß ausgemacht wird,
tritt das TCAS-Gerät in Aktion und berechnet permanent den Kurs der
entgegenkommenden Maschine. Sollten sich beide Maschinen auf einem
Kollisionskurs befinden, werden die Piloten 40 Sekunden vor dem
Crash optisch und akustisch gewarnt und zum Sink– beziehungsweise
Steigflug aufgefordert. Die Fluglotsen verfügen über ähnliche
Systeme am Boden, die bei einem möglichen Kollisionskurs Alarm
schlagen.
In deutschen Pilotenkreisen gilt weder Spanien noch der viel
frequentierte Flugplatz von Mallorca als Risikogebiet. Lediglich
der Umstand, dass sich die spanischen Fluglotsen in ihrer
Landessprache mit den spanischen Piloten verständigen, wird von
„Cockpit” kritisiert. Man bekomme so beim Funkverkehr die
Informationen, die über den eigenen Flug hinausgehen, nicht mit.
Dies sei aber auch in Griechenland, Italien und Frankreich nicht
anders.
Eine wesentliche Erleichterung wäre, und da sind sich Piloten
und Fluggesellschaften einig, eine zentralisierte europäische
Luftraum-Überwachung, wie sie ansatzweise schon von „Eurocontrol”
praktiziert wird. Obwohl 31 Staaten ihre Mitgliedschaft bei der
europäischen Organisation für Luftsicherheit bekundet haben,
weigern sich jedoch selbst manche Mitgliedsländer, die Kontrolle
ihrer Hoheitsgebiete abzutreten.
Davon weiß auch Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel ein Lied zu
singen. Vor allem Frankreich, die Schweiz und Spanien seien noch
problematisch. „Für einen Flug von Berlin nach Palma”, so
Hauptvogel, „muss der Flugplan von den Kontrollzentren von Berlin,
Eurocontrol, Paris, Genf, Marseille und Palma abgesegnet
werden.”
Sollte es zu Verspätungen kommen, finde die Prozedur aufs Neue
statt. Dabei könne es dann durchaus passieren, dass die Änderung
bei fünfen passt, aber dem sechsten Luftsicherungssektor nicht.
Dann müsse wieder allen beteiligten Instanzen ein neuer Flugplan
vorgelegt werden.
Bis zum Jahr 2004 soll auf Initiative der Regierungschefs der
Luftraum über Europa vereinheitlicht werden und seine Kontrolle
auch. Ob aber alle Staaten bis dahin wirklich ihre Hoheitsrechte an
Eurocontrol abtreten, ist fraglich.
Um die 1800 zivile Fluglotsen werden bis dahin rund um die Uhr
den spanischen Luftraum überwachen. Konzentriert verfolgen sie auf
ihren grünen Monitoren die über den Bildschirm wandernden Striche,
denen die einzelnen Buchstaben-Codes des jeweiligen Fluges
zugeordnet sind.
In den Flugsicherungszentren von Madrid, Barcelona, Sevilla, den
Kanarischen Inseln und den wesentlich kleineren Stationen von
Valencia und Palma kontrollieren die Lotsen der spanischen
Flughafenbehörde AENA Höhe, Kurs und Geschwindigkeit der in ihrem
Luftkorridor befindlichen Flugobjekte. Erst ab einer Entfernung von
ungefähr zehn Meilen werden die Maschinen in die Obhut der
Towerbesatzung auf einem der 42 spanischen Flughäfen übergeben, die
dann die Landungen und Starts koordinieren.
Rund 100 Fluglotsen sind für das Flugsicherungszentrum in Palma
eingeteilt, das neben dem Kontrollturm auf dem Gelände von Son San
Joan seit 1987 in Betrieb ist. Weitere 42 Kollegen versehen ihren
Dienst auf dem Tower des Aiports. 19 Fluglotsen arbeiten im
Kontrollturm von Ibiza und 14 auf Menorca.
Glaubt man AENA, so gibt es im spanischen Luftraum keine
nennenswerten Probleme. Dennoch sind auf dem Tower von Son Sant
Joan und im Flugsicherungszentrum von Palma Journalisten, die sich
vor Ort ein Bild machen wollen, nicht gerne gesehen.
Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, so eine AENA-Sprecherin in
Madrid, könne man keine Besuche ermöglichen. Auf Grund der
Katastrophe von Deutschland sei die Nachfrage seitens der Medien so
groß, dass dadurch die Arbeit in den Flugsicherheitsbereichen in
einem Maße gestört würde, das nicht zu vertreten sei.
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